Empfehlen heißt nicht vorschreiben!

Ich war ganz überrascht, dass der eher „unspektakuläre“ Artikel zum Thema Föhnen des Babypos so viele spannende und unterschiedliche Kommentare mit sich brachte. Mehrmalig ging es darum, dass die Föhn-Idee erst von der Hebamme auf den Wickeltisch gebracht wurde. Und dann kommt die nächste Hebamme – in dem Fall ich – die dann wieder sagt, dass das doch bitte nicht sein sollte. Und wieder einmal haben wir Fachleute erfolgreich zur Verunsicherung beigetragen.

Deshalb bin ich großer Freund von fachlich einheitlich und vor allem begründeten Empfehlungen. Darum habe ich zu dem Föhn-Thema etwas weiter ausgeholt und die möglichen Gefahren und auch schon eingetretenen Vorfälle beschrieben. Tatsächlich gibt es den Fall eines kleinen Jungen, der nach einem Föhn-Unfall anschließend reanimiert werden musste. Er trug schwere, lebenslang beeinträchtigende Verbrennungen im Genitalbereich davon. Sehr gut gebildete, aber wohl normal übermüdete Eltern hatten in dem Fall das Stromschlagrisiko einfach unterschätzt. Doch auch leichtere Verletzungen müssen und dürfen an dieser Stelle nicht sein. In Fachliteratur für Hebammen (Wochenbettbetreuung in der Klinik und zu Hause, Hippokrates 2014) wird zusätzlich davon abgeraten. Weil natürlich auch die Hebamme mithaftet, wenn das Ganze aufgrund einer von ihr ausgesprochenen Empfehlung passiert.

Der eingangs erwähnte Artikel erscheint hier im Blog unter der Rubrik Fragen an die Hebamme – und deshalb schreibe ich diesen auch primär als Fachfrau und nicht als Mutter. Also steht da, dass ich als Hebamme das Föhnen nicht empfehle. Punkt.

„Das ist doch alles klar und logisch“

Weder verbiete ich Eltern etwas, noch schreibe ich ihnen vor, wie sie die Haut ihres Babys zu trocknen haben oder auch nicht. Aus Unfallverhütungsgründen ist es aber sicher sinnvoll, auf die Gefahren hinzuweisen, die Eltern bei der Anwendung vielleicht übersehen. Natürlich könnte man jetzt eine lange Liste anlegen, die beschreibt, dass das Föhnen in Bauchlage oder wenn das Kind eine Windel trägt, durchaus machbar ist. Dann muss man aber auch stets ergänzen, wie warm und wie nah der Föhn am Kind sein darf. Und wie alt das Föhnmodell sein soll, damit es nicht so eine „Keimschleuder“ ist. Und man muss den Hautzustand des Kindes beurteilen, damit das Ganze nicht zu austrocknend wirkt.

„Halt…!“, schreit da der aufmerksame Leser, „das ist doch alles klar und logisch. Das sagt einem doch der gesunde Elternverstand.“ Nun, wenn ich auf die vielen Kommentare, Mails oder auch persönlichen Kontakte hier mit vielen Lesern blicke, denke ich auch, dass „meine“ Leser mit genau diesem gesunden Elternverstand ausgestattet sind. Doch die Babyzeit ist immer ein bisschen Ausnahmezustand, in der man manche Dinge oder Gefahren nicht richtig bedenkt. Ich persönlich glaube auch nicht, dass das Kind einen größeren Schaden nimmt, wenn der Föhn ein bisschen Staub auf den wunden Po pustet. Oder wenn die Haut mal kurzfristig überwärmt wird – das ist vielleicht nicht schön, aber wahrscheinlich ohne allzu große langfristige Konsequenzen für das Baby. Die Folgen eines Strom- oder Verbrennungsunfalls aber sind schlimmer und tragisch. Hier stehet der „Gewinn“ durch den Föhngebrauch nicht im Verhältnis zu den Risiken.

Eltern dürfen meine Argumente – nicht nur zum Föhnen des Babypos – also gerne zur Kenntnis nehmen. Und danach dann entscheiden, wie sie individuell damit umgehen. Über die möglichen wirklichen Gefahren gehört zu haben, wird wahrscheinlich dazu führen, dass sie den Föhn entsprechend sicher anwenden. Oder es einfach ganz lassen. Beides ist für mich völlig in Ordnung, damit kann ich gut leben. Nicht gut leben könnte ich damit, wenn einem Kind etwas passiert, weil ich nicht vernünftig aufgeklärt habe. Oder gar eine Maßnahme empfohlen habe, ohne mich über eine gefahrlose Anwendung durch die Eltern abzusichern. Und weil der Föhn scheinbar noch immer so populär ist, war es mir wahrscheinlich ein Bedürfnis, etwas darüber zu schreiben. Denn als Hebamme haben ich das gleiche Ziel wie die Eltern: Dass die Kinder gesund und geborgen groß werden dürfen.

Also liebe Eltern, lasst euch von Fachleuten nichts vorschreiben. Hört euch Empfehlungen immer unter dem Aspekt an, dass ihr mit eurem gesunden Elternverstand entscheidet, was davon für euch passt und was nicht.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Empfehlen heißt nicht vorschreiben!“

  1. K
    krimaem

    Als unser Kleiner geboren wurde, 2014, wurden wir von den Kinderkrankenschwestern nach einem Föhn gefragt – wir hatten keinen. Aber falls sie sich einen zulegen, pipimann immer festhalten, vom Föhn weg. Da merkt man auch wenn es zu warm wird. Wir wollten keinen Föhn. Auch keine Wärmelampe.
    Dann kamen meine Nachsorge Hebammen. Jede einzelne fragte bei jedem Besuch dannach. Irgendwann gaben wir auf und kauften einen.
    Aber gegen die Wärmelampe hab ich, Rabenmutter, mich dann doch durchgesetzt.
    Und der Föhn ist jetzt für seine Haare nicht ganz unpraktisch. Und ja, er hat es geliebt. Trotzdem war es mehr als eine Empfehlung..

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