Neulich las ich einen Artikel, in dem die Autorin beklagt, dass ihr so viele Mütter begegnen würden, die genervt vom Muttersein seien und ihr dauerunglücklich vorkämen. Ständig würden sie sich beklagen. Ja, jammernde Mütter kenne ich auch. Ab und zu bin ich selbst eine. Dauerunglücklich sind wohl die wenigsten Mütter, die bekennen, dass es auch mal anstrengend, nervig oder langweilig ist – dieses Elternsein. Ich fluche auch im Bioladen, wenn es zu voll ist oder ich nicht finde, was ich suche. Trotzdem bin ich dankbar, dass ich gesundes Essen für mich und meine Familie kaufen kann. Und nicht viel anders ist das mit den Kindern.

Es ist manchmal wahnsinnig anstrengend. Und die Auszeiten werden mit steigender Kinderzahl sicherlich weniger. Aber wie die meisten Eltern bin ich zutiefst dankbar, dass meine Kinder da sind. Und ich hoffe, dass das meine Kinder auch fühlen. Mit diesem Wissen können sie sicherlich gut verkraften, dass ich an manchen Tagen genervt bin. Vom Chaos, vom Lärm, von zu vielen Terminen oder zu wenig Zeit für mich selbst.

Aber ich bin nie von meinem Kind als Mensch genervt. Und so geht es wahrscheinlich auch der Mutter, die müde von den Dauerstillnächten ist oder vom Erkältungsmarathon im Winter. Oder die einfach auch mal nicht mehr zum 100. Mal das eine Lieblingsbuch vorlesen mag.

Ausgiebig jammern ist auch mal okay

Und trotzdem machen Eltern ihren Job, mit allem was dazu gehört. Und über genau dieses „Was dazu gehört“ darf auch mal ausgiebig gejammert werden. Auch in meiner Arbeit als Hebamme gebe ich Eltern gerne den Raum dafür. Denn wenn es erst einmal gesagt ist, fühlt man sich meist schon wieder viel besser. Oder jemand anderes erinnert daran, wofür man das alles tut. Oder man bekommt einen Anstoß, sich hier und da etwas zu entlasten oder mehr Hilfe zu holen.

Kinder dürfen übrigens auch mitkriegen, dass es ihren Eltern mal nicht gut geht. Zumal sie es sehr wahrscheinlich ohnehin mitbekommen, auch wenn wir uns noch so viel Mühe geben, ihnen gegenüber glücklich und ganz entspannt zu wirken, ohne es in diesem Moment zu sein. In einer Familie haben die Gefühle der großen Menschen genauso Platz und Raum wie die Gefühle der kleinen Menschen. Natürlich kann man bei Eltern eine andere Regulationsfähigkeit als beim Kind voraussetzen. Aber Jammern oder sich Ausweinen ist durchaus ab und zu ganz hilfreich, um belastende Emotionen loszuwerden. Gut ist es, wenn dann jemand anderes zuhört und aufbaut, anstatt einen genau dafür zu verurteilen.

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Kommentare

9 Antworten zu „Im Elternjammertal“

  1. K

    Ich habe einmal mit einer Bekannten darüber gesprochen, dass es bei instagram Mamas gibt, die auch mal die schweren Dinge am Mamasein benennen & sie war der Meinung, dass das dort der falsche Ort dafür ist. Ich mag es ehrlich ja lieber, aber heutzutage lässt das Streben nach Perfektion kein Fehler zu. Mit meinem Kind kann ich nicht über die belastenden Dinge sprechen & der Partner versteht das manchmal einfach nicht so gut, wenn jetzt auch noch der Austausch unter Müttern nicht mehr möglich ist, ohne als Jammertante zu gelten, dann werden die Therapeuten aber vor Arbeit explodieren… man muss raus lassen, was man fühlt. Das wird in jeder Therapie geraten: Reden schafft Erleichterung. Und gerade wir Mütter sollten uns gegenseitig genau dafür einen Raum bieten, ohne uns gegenseitig dafür zu verurteilen…

  2. N

    Ich finde es auch richtig und wichtig das Mütter mal Jammern dürfen. Der Mensch hat viele Facetten. Jammern gehört wie Lachen und Weinen ebenso dazu.

  3. S
    Stefanie

    Es ist schön zu lesen, dass es anderen auch so geht. In meinem Umfeld kriege ich immer nur zu hören „Aber du wolltest das doch so. Du hast dir das doch selbst so ausgesucht!“
    Danke danke danke…und schönes Wochenende

  4. M

    Da stimme ich dir vollkommen zu! Ich habe vor ein paar Tagen erst einen Artikel darüber geschrieben, dass das „Jammern“ gerade in Deutschland so ein Unding ist. Dabei ist es aus Gründen der „Psychohygiene“ auch mal wichtig und mit dieser ständigen Jammerverteufelung niemandem geholfen. In meiner Heimat Portugal würde man auf so etwas gar nicht kommen! Und ich frage mich auch immer wieder: was ist für erwachsene Menschen so schwer daran zu verstehen, dass man widerstreitende Gefühle haben kann? Dass man seine Kinder absolut großartig aber manchmal eben auch fürchterlich anstrengend finden kann??

  5. A

    Ganz richtig, wer Kinder grosszieht, darf auch mal jammern. Kenn ich selbst, ist sehr entlastend, mal so ein mimimi über den Schlafmangel, das Gezanke und den Verlust des eigenen Raums (selbst in Dusche & Toilette).

    Aber ich denke auch, dass jede Mutter ruhig ändern darf, was für sie gar nicht (mehr) tragbar ist. Zum Beispiel würde ich mich weigern, den Grüffelo zum 101. Mal vorzulesen.

    Das sorgt mal kurz für Frust, aber die Kinder (zumindest meine Erfahrung) kommen mit einem authentischen „Will nicht“ meist ziemlich gut klar. Und dann gibt’s in Summe weniger zu jammern. 🙂

  6. J
    Jana

    Danke für diese Zeilen. Ich war über den erwähnten Artikel so frustriert. Denn ganz ehrlich, wie soll ein Kind lernen mit Gefühlen umzugehen, wenn es doch nur vorgelebt bekommt: Versteck die schlechten Gefühle, hier darf man nur die Guten ausleben.
    Ein erwachsener Umgang mit negativen Gefühlen gehört zu einer gesunden Erziehung. Und nur weil ich vor meinem Kind mal vor Erschöpfung weinen muss und es sonst genügend Liebe und Fürsorge erhält, zerstöre ich nicht sofort dessen Selbstwert und Urvertrauen.

  7. F

    Den Artikel las ich auch und konnte gar nicht zustimmen, lieber Arschbacken zusammenrkneifen statt authentisch sein zu dürfen.
    Du hast das natürlich besser zusammen gefasst, ich habe es nicht so mit Worten.
    Hoffentlich erreicht die Bloggerin dein Beitrag.

    Glück auf
    Frau K.

  8. V

    ich denke auch nicht, dass Mütter dauerunglücklich sind – und ich stimme zu, dass ab und an Jammern absolut entlastend ist. Schließlich machen Kinder auch nicht dauerglücklich, wie uns Medien und Werbung manchmal vormachen. Es ist wunderschön Kinder zu haben und mit ihnen zu leben, aber es gibt auch die Momente, in denen man erschöpft, genervt, müde, gestresst, überfordert, …. ist

  9. L

    Vollkommen richtig, kann ich nur unterschreiben! Elternsein ist auch einfach ein verdammt harter Job, da darf man ruhig auch mal Dampf ablassen. Und ich bin nicht so perfekt, dass ich immer fröhlich gegenüber meinem Kind sein könnte. Manchmal macht man nach außen vielleicht auch den Eindruck, dass alles furchtbar ist. Das liegt aber vor allem daran, dass sich das Glück schlecht in Worten fassen lässt (die schlechten Seiten dagegen schon).
    Ich finde die ganze „Regretting Motherhood“-Diskussion sowieso etwas schwierig. Natürlich haben alle Mütter das Recht zu sagen, dass sie unglücklich sind und sich nicht für die Mutterrolle geschaffen fühlen. Aber auf der anderen Seite: In unserem Kulturkreis legen wir viel zu großen Stellenwert darauf, dass Kinder uns glücklich machen sollen. Und wenn wir davon nicht überzeugt sind, dann bekommen wir keine oder sind hinterher noch unglücklicher, weil sie diese Erwartung nicht erfüllen. Dabei ist das ein vollkommen falscher Ansatz. Es ist niemals die Aufgabe eines Kindes, seine Eltern glücklich zu machen (sondern andersrum).

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