Letztens war ich auf einer Weiterbildung zum Thema „Bindung“. Wie auch die Mutter eines rund vier Monate alten Babys. Lange vor der Schwangerschaft hatte sie sich für diese immer sofort ausgebuchte Weiterbildung angemeldet. Und so wanderte der Vater mit dem Baby im Tragetuch vor dem Veranstaltungsraum auf und ab und brachte ab und zu den kleinen Tragling zum Stillen vorbei.

Ich musste an die vielen „Babywandertage“ denken, die Christian mit unseren Kindern in irgendwelchen Tagungshotels oder Kongresshallen verbracht hat. Weil ich dort eine Weiterbildung hatte oder selbst einen Vortrag hielt. Ich erinnere mich, wie er im trüben November mit dem vier Monate alten Söhnchen durch den quasi ausgestorbenen Berliner Bezirk Westend lief. Er tat das, weil das Krankenhaus, in dem der Stillfachtag damals stattfand, eine noch trübere Kulisse abgab.

Christian lief mit Baby im Tuch und Kleinkind an der Hand durch langweilige bayerische Vororte, wo er freitags fast mitleidig als scheinbar arbeitsloser Vater wahrgenommen wurde. Und ihm samstags die Omis applaudierten, dass der Vati so niedlich mit dem Kindelein unterwegs ist. Hier in Berlin war es da längst selbstverständlicher, dass auch Väter wochentags mit Babys zu sehen waren.

Entscheidung zwischen Baby und Bildung?

Christian hat viele Tage im ereignislosen Örtchen Springe in Niedersachsen verbracht, damit ich trotz kleinem Baby meine Weiterbildung zur Still- und Laktationsberaterin machen konnte. Er war froh, dass ein Teil der Weiterbildung in Hamburg stattfand, wo er Freunde zur Ablenkung besuchen konnte. Allerdings waren der Radius und die Ausflugszeit durch die Stillbedürfnisse immer etwas eingegrenzt.

Natürlich hätte man Milch abpumpen können und die Tage vermeintlich stressfreier gestalten können. Man würde wohl auch Urlaubstage und Hotelkosten sparen. Aber es wäre für mich keine Option gewesen, über Stunden oder sogar Tage von meinem kleinen Baby getrennt zu sein. Ich weiß, dass ich mich nicht auf die Inhalte hätte konzentrieren können. Ich wäre gedanklich immer bei meinem Baby zu Hause gewesen.

Und so geht es scheinbar vielen Müttern. Denn die wandernden Väter oder manchmal auch Omas, Opas oder andere Bezugspersonen sehe ich häufig auf Fortbildungen und Kongressen. Und das ist wirklich schön, denn für viele Mütter wäre es sonst kaum möglich, eine sinnvolle Entscheidung zwischen Baby und Bildung zu treffen. Wie viel Freude macht es hingegen, wenn man den Kopf mit neuem Input füllen darf UND zwischendurch sein Baby sehen, spüren und stillen kann. Und einen Partner hat, der das ermöglicht.

Autor.in dieses Beitrags

Beitrag veröffentlicht am

in

, , ,

Von

Kommentare

5 Antworten zu „Babywandertage“

  1. M
    Maike

    Ah ja, abpumpen. Haha.
    Ich schmunzel da immer und freue mich für die, bei denen es klappt und zu denen es passt.
    Mein Sohn ist jetzt 18 Monate und jede Nacht ohne mich ist eine durchwachte Nacht für meinen Mann. Stillen ist so viel mehr als nur Nahrungsaufnahme und Abpumpen ist etwas anderes als eine einfache Lösung. Das ist eine andere Welt. Ich würde unseren Sohn auch immernoch als nicht Babysittertauglich bezeichnen und das ist völlig ok so. Bei meiner großen Tochter hatte ich da noch Zweifel, aber sie hat sich so großartig und unabhängig und selbstbewusst entwickelt, das lässt die enge Bindung im Babyalter noch mal in einem schöneren Licht erscheinen.
    Ich habe die Babyflasche mit der abgepumpten Milch nicht mal in die Nähe von ihrem Mund bekommen (und auch kein anderer).
    Abpumpen, haha! 🙂

  2. R

    Oh ja… das kenne ich. Und ich danke meinem Mann von Herzen, dass auch er wandert… 🙂 Unsere Tochter war 3 Monate, da gab ich das erste Seminar. Pausen- und Stillzeiten waren perfekt abgestimmt und keiner hat überhaupt gemerkt, dass ich „nebenbei“ noch ein Stilkind habe und das Stillkind hat dank tollem Tragepapa gar nicht gemerkt, dass ich „nebenbei“ auch noch ein Seminar gebe.
    Heute, fast 17 Monate später, wird schon auf den Schultern getragen und dennoch begleiten mich nächste Woche wieder meine zwei Lieben zu einem Seminar, damit Brust und Kind nicht allzu lange entfernt voneinander sein müssen.

  3. H
    helen

    Ach schön, dass es dir auch so ging 🙂 ich hatte immer das Gefühl ich muss mich rechtfertigen dass ich nicht einfach abpumpe und abends ausgehe… so wie scheinbar ALLE anderen Mütter im Umfeld. Nächste Woche muß ich wieder arbeiten und bin schon furchtbar nervös wie mein jüngster (Sonntag wird er 1) und ich das überstehen. Er wird bei den Großeltern sein. Und die Große (3) schläft seit gestern mittags auch in der KiTa! Total merkwürdig…
    Übrigens kann ich deine Artikel vom Handy aus irgendwie nicht liken, du darfst also zu jedem Artikel dir ein like mehr dazu denken 😉

    1. C

      Liebe Helen, zum vom Handy aus nicht liken? Welche Plattform nutzt du? Direkt aus der Facebook-App heraus nicht möglich? Oder via Mobile-Browser? Danke und liebe Grüße, Christian

      1. H
        helen

        Hm na ich klicke auf den Artikel von FB aus und er öffnet sich im Browser (Firefox). Wenn ich dann like klicke, lädt die Seite sich neu aber ist hinterher nicht geliked.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert