Ich kannte mal jemanden, der gefühlt so ziemlich jede erdenkliche Sportart betrieben hat. Das heißt: Eigentlich hat er die nie wirklich richtig gemacht, sondern sich nur akribisch darauf vorbereitet. Es wurde recherchiert, was die beste Ausstattung ist, die dann natürlich auch angeschafft wurde. Er las alle Bücher, befragte Experten, doch wenige Monate später wanderten Equipment und Bücher in den Keller oder wurden online versteigert. Im Einsatz waren sie nie.

Auch mir selbst ist dieses Phänomen nicht ganz unbekannt. Sei es die Anmeldung im Fitnessstudio, das zwar monatlich Geld von mir bekam, mich eigentlich aber fast nie vor Ort sah. Oder der Versuch, Yoga außerhalb der Schwangerschaften zu einer neuen Lieblingssportart zu machen. Da kann man auch erstmal reichlich Geld in Yogamatten oder geeignete Kleidung stecken. Auch beliebt: Kurse buchen, die man nie besucht oder Bücher lesen, deren Inhalte nie in die Praxis umgesetzt werden.

Am Ende landete ich doch immer wieder beim Laufen – dem Sport, bei dem ich ohne groß darüber nachzudenken weiß, was ich tun muss. Und ich weiß, dass mich die natürlich auch hier überteuerte Ausrüstung nicht wirklich besser oder schneller machen wird, wenn ich erst überhaupt nicht einfach anfange zu laufen und die Freude daran wieder für mich spüre.

Für jedes Problem eine käufliche Lösung

Manchmal wenn ich als Hebamme in Familien komme, die gerade ihr erstes Kind bekommen haben, muss ich an den eingangs genannten „Sportsfreund“ denken. Denn nicht selten ist alles angeschafft, was der Babymarkt hergibt. Und es wurde alles gelesen, was die Ratgeberliteratur für Eltern bereit hält. Die Eltern haben Kurse besucht, Experten befragt und trotzdem fällt es ihnen sichtbar schwer, in das Elternsein hineinzukommen. Einfach anzufangen mit dieser neuen großen Aufgabe. Trotz der akribischen Vorbereitung ist da eine viel zu große Angst, etwas falsch zu machen – ähnlich wie wenn man komplizierte Yogaübungen aus einem Buch nachturnen will, ohne dabei überhaupt den Körper zu spüren, weil alles nur über den Kopf absolviert wird.

Auch das Elternsein wird schwierig und kompliziert, wenn es sich auf einer rein rationalen Ebene abspielt. Wenn die Sorge, es falsch zu machen, in den Vordergrund tritt. Oder es einfach die Erwartungshaltung gibt, dass die perfekte Ausstattung jetzt doch eigentlich den Job erledigen müsste. Besonders Ersteltern wird ja auch gerne suggeriert, dass es für jedes Problem eine käufliche Lösung gibt. Wenn dann das Baby den Kinderwagen oder das hochgelobte Beistellbettchen verschmäht, kann sich schon ein bisschen die Verzweiflung breit machen. Und das eigene Baby anzuziehen hat eigentlich auch wenig mit dem Wickeln einer Puppe im zuvor absolvierten Babypflegekurs zu tun.

Babycoach für Eltern

Doch während ich das Yogaprojekt einfach verwerfen kann oder mir eine gute Lehrerin suche, ist das Leben mit dem Baby etwas, was einfach irgendwie gelingen muss. Und das wird es auch, wenn Eltern sich einfach trauen Eltern zu sein. Dazu gehört es auch, Fehler zu machen. Und zwar immer wieder. Davor schützt uns die beste Ausrüstung und das breiteste Wissen nicht.

Doch mit unseren Kindern haben wir wohl den besten Coach an unserer Seite, den man sich vorstellen kann. Jemanden, der vollkommen darauf vertraut, dass wir das schon ganz gut hinbekommen werden. Jemanden, der uns unmittelbar ein ehrliches Feedback gibt, wenn es gut oder schlecht läuft. Jemanden, der das Beste aus uns heraus holt und auch dafür sorgt, uns mit unseren Fehlern konstruktiv auseinanderzusetzen. Jemanden, der uns stetig dazu lernen lässt. Jemanden, der uns täglich für diesen nicht wirklich immer leichten Elternjob belohnt.

Und darum lasse ich auch in der Hebammenarbeit meist das Baby diesen Coachingjob machen. Manchmal muss ich anfangs noch ein bisschen „übersetzen“, was das Baby seinen Eltern sagen will. Aber wenn sie sich trauen, einfach Eltern zu sein, werden Theorie und Praxis sinnvoll ineinanderfließen. Und sie werden genauso wie morgens beim Loslaufen in den Joggingschuhen einfach intuitiv wissen, was zu tun ist. Und das auch, wenn manchmal kleine oder große Steine im Weg liegen. Und wenn man sich mal ein bisschen verlaufen hat, kann man hoffentlich jemand fragen, wie man wieder auf den richtigen und für sich selbst passenden Weg kommt.

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Kommentare

11 Antworten zu „Einfach Eltern sein“

  1. P
    Petra

    Tja, es wird uns nicht immer leicht gemacht. Jeder weiß es besser. Die Vielzahl an Ratgebern. Freunde, die von diesen soo begeistert sind. Die eigene Erziehung… Mich hat es ein ganzes Jahr gedauert, mich davon frei zu machen. Und ehrlich gesagt, Blogs wie euren, die zeigen, wir gehen diesen Weg nicht allein. Danke

  2. G
    Gluecksgarten

    ach wie schön, das hier zu lesen!
    Genau das hat mich früher so überrollt – das Gefühl, alles ‚richtig‘ machen zu müssen. Und dann der Vergleich mit den anderen Eltern, die ja alle sooooooo toll sind, so ruhig, so koordiniert… es war zum Verzweifeln.
    Bis ich etwas genauer nachgesehen habe.
    Und da waren die meisten Mütter doch aufeinmal ganz normal. Lächelten nicht ständig ihre Babies an, kriegten auch mal nen Wutanfall, ließen Arbeit liegen, waren einfach mal ne Sekunde egoistisch.
    Ich hab das dann aufgeschrieben in Mamas Glücksbuch.
    Laut Leserkritik hat das wohl einen Nerv getroffen:
    http://www.amazon.de/Mamas-Gl%C3%BCcksbuch-Begleiter-gelassene-M%C3%BCtter/product-reviews/3517088285/ref=dpx_acr_txt?showViewpoints=1
    Ich wünsche Euch eine schöne Weihnachtszeit!

  3. S
    Sylvia

    Wie wahr, wie wahr…. 🙂
    Beim ersten Kind haben wir auch noch den Babymarkt leer gekauft! Beim 2. gabs dann nur ein Bettchen (wurde erst nach 6 Monaten genutzt), eine Wickelkommode (wurde vll. 10x genutzt), einen Kinderwagen (wurde genau 1x genutzt) und eben Babykleidung und ein Tragetuch (wird jeden Tag genutzt!) 🙂
    Die ganze „Erstausstattung“ kostet jede Menge Geld und braucht doch keiner. Das Baby braucht die ersten Monate eigentlich nur kuschlige Kleidung, ein Tuch (oder eine WIRKLICH ergonomische Babytrage) um immer mit Mama kuscheln zu können und sonst nur jede Menge Liebe und Aufmerksamkeit 🙂

    1. N
      Nicole

      Hallo Sylvia,

      ich finde Anschaffungen wie Kinderwagen, Wickelkommode und Bettchen nicht unbedingt sinnlos. Unser Baby wollte auch nicht von der Tragberaterin getragen werden – also an uns lag es nicht 😉 Und da ich aber sowieso schon einen vorbelasteten Rücken hatte, war nach der Schwangerschaft schon Schluss und ich war ganz froh, dass das Baby lieber im Kinderwagen lag. Daher brauchte ich auch unbedingt eine Wickelkommode in der richtigen Höhe. Also dass es keiner braucht, kann ich nicht unterschreiben.
      Auch die Babywanne vom Kommentar darunter fand ich eher praktisch, weil ich keine Zeit (und wohl auch wenig Lust) gehabt hätte, immer mit Baby zu baden, zumal ich dann gern eine zweite Person dabei gehabt hätte, die das Baby dann reicht und entgegen nimmt.
      Anschaffungen wie den 20. Langarmbody, Beikostwärmer (Wasserkocher geht auch) und das 10. sinnlose Spielzeug sind da schon überdenkenswert!

      Natürlich wusste ich vor der Geburt nicht, ob mein Kind überhaupt im Kinderwagen liegen will, aber im Wochenbett mich darum kümmern ist wohl auch keine gute Idee – wer lässt da schon dem Mann oder der Schwiegermutter freie Hand bei der Auswahl. Ausborgen hätte ich mich leider keinen.

      Liebe Grüße, Nicole

  4. K

    Ich bin ganz froh, dass wir vieles von einer Freundin bekommen haben. Ich habe selbst nur die allerersten Bodys und ein paar Strumpfhosen gekauft, Windeln und einen Wickeltisch (und den auch nur, weil der Mann sehr groß ist und nicht gebückt auf dem Bett wickeln wollte). Bisschen Kleinkram halt. Okay, einen Kinderwagen hatten wir schon Monate vorher ausgesucht, weil der ein Geschenk der Großeltern war, ein sauteures. Letzten Endes hätten wir uns den echt sparen können, weil wir fast ausschließlich tragen. Das Kiddo hat den Wagen immer gehasst, und ich kam mir damit vor wie mit nem Rollator. Wir haben das Teil nun teuer weiterverkauft und das Geld auf ein Kinderkonto für Kiddo getan 🙂

    Einen teuren Tragemantel habe ich gerade erstanden. In den hätte ich gleich investieren sollen im Februar, der hätte sich so richtig amortisiert. Naja, diesen Winter kommt er sicher sehr oft zum Einsatz, und nächsten Winter bestimmt auch noch das ein oder andere Mal.

    Und was die Ratgeber angeht: Einer hätte mir im Nachhinein gereicht, und zwar „Das Geheimnis zufriedener Babys“ von Nora Imlau. Im Grunde stand da alles Wichtige für mich drin.

  5. H
    Hawwedampknopp

    Danke für diesen sehr schönen Artikel…

    Wir haben uns vor 2 Jahren aktiv dafür entschieden, nicht jeden Driss mitzumachen, haben fast alles was wir brauchten von anderen Eltern übernommen, und so schon gar nicht in die versuchung gekommen, dem Babymarkt zu verfallen.

    Vieles was wir bekommen hatten, haben wir am Ende gar nicht genutzt…. Zum Beispiel war uns die Babywanne zu doof— Ausgezogen und mit dem Baby in die Wanne ist viel schöner 🙂

  6. A
    Anna

    Ehrlich gesagt, genau dieser hier beschriebene Lernprozess ist so, so wichtig!
    Neulich stand ich im Drogeriemarkt am Babyregal, eine hochschwangere Frau neben mir, die aufgeregt scheinbar alles an Cremes, Tuben und Siegelchen kaufte, was das Regal so hergab. Der Mann stand daneben und wurde von seiner aufgeregten Frau mit Kommentaren und Hinweisen überschüttet…da kam mir in den Sinn, dass da jemand versucht sich auf das vorzubereiten, auf das man sich aber eben einfach nicht vorbereiten kann. Ratgeber, Drogeriemarkt-Monsterkäufe und die monatelange Auswahl des korrekten Kinderwagens können da vielleicht von ablenken.
    Und andererseits: wir waren da immer sehr entspannt und kauften lange wenig bis nix, als der Kleine dann da war mussten wir Verwandte losschicken um wenigstens einen warmen Overall und eine Autoschale zu kaufen, damit wir aus dem Krankenhaus raus kamen. Kinderwagen und Tragetuch gabs auch noch nicht, das mussten wir dann alles mit dem Kleinen Muck besorgen. Geht, ist aber eben auch toll. Das ist aber auch nur die praktische Seite des Elternwerdens, die emotionale nimmt einem eben keine Ausstattung und kein Buch der Welt ab. Da gilt es auf sein Bauch zu hören und zu begreifen, dass man selber am besten weiss was das eigene Kind braucht. Hebammen sind da aber in der Regel sehr gute Berater und bringen einen auf diesen Weg, ganz wie Du schreibst, Anja!

    1. A
      Anna

      Ich habe vergessen zu schreiben, dass der Kleine vier Wochen zu früh war und uns unsere Entspanntheit deswgen etwas vor die Füße viel….sonst macht mein Kommentar irgendwie keinen Sinn 😉

      1. A
        Anja

        Anna, dein Kommentar macht auch so Sinn. Wir haben es auch eher entspannt angehen lassen und als unsere Tochter eine Woche vor Termin kam, hatte ich keine Kliniktasche gepackt. Die nötigen Sachen hat der Papa im Nachhinein ins Krankenhaus gebracht (gebraucht hab ich eh wenig, ich fand den Klinikkittel schon recht praktisch und ausreichend).
        Und auch heute noch bin ich eher pragmatisch veranlagt. Ich kauf die dicken Strumpfhosen, wenn mein Kind aus den alten rausgewachsen ist und ich beim Stehen vorm Kleiderschrank merke, dass da nur noch dünne sind. Den Schneeanzug hab ich die Tage Second-Hand erstanden. Ich hab ja im September noch keine Ahnung wie kalt der Winter wird, wann das anfängt und welche Größe mein Kind da gerade trägt.

  7. N

    Wirklich schön geschrieben 🙂

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