Ist stillfreundlich mütterfeindlich?

Als Stillberaterin IBCLC rege ich mich schon längst nicht mehr auf, wenn mal wieder die Mär von der Stillmafia verbreitet wird. Also jene These, die behauptet, dass die Stillberaterin mit gezogener Pistole vor der Mutter steht und sie zum Stillen nötigt. Als Hebamme muss man sich ja noch viel mehr an dummen Vorurteilen anhören, wenn einen andere Menschen gleich mal mit Hexen und Scharlatanen gleichsetzen. Darum hat mich der Artikel mit dem Titel „Weib, Du sollst stillen!“ von Katharina Bracher in der Neuen Zürcher Zeitung nicht sonderlich erschüttert.

Auch als Mutter von Stillkindern treffen mich die Worte der Autorin nicht mehr. Die Frau behauptet, dass Stillen und Nähe nicht nur die Selbstbestimmung der Eltern verhindern, sondern schließt sich auch noch der wilden These der Soziologin Elisabeth Badinter an, dass eine stillende Mutter zur Schimpansin degradiert wird. Ich halte Schimpansen für ziemlich kluge Tiere, aber das wollte die Autorin wahrscheinlich nun gerade nicht ausdrücken. Oder doch, denn der ebenfalls bei der Neuen Zürcher Zeitung erschienene Artikel „Schimpansen: Klug genug zum Kochen“ bekräftigt ja noch die Theorie, dass sich Frauen nach der Geburt nur noch ausschließlich mit Kindern und Küche beschäftigen.

Was ich im Bracher-Text aber wirklich negativ bemerkenswert finde, ist folgende Aussage:

„Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass sozusagen alle Studien, die im letzten halben Jahrhundert zu den Vorzügen des Stillens erschienen sind, Beobachtungs­studien sind, deren Aussagekraft wissenschaftlich umstritten ist.“

Ihre Zweifel an sämtlichen Stillstudien haut sie natürlich ohne Belege heraus. Aber da sie sich dazu einigermaßen eloquent ausdrückt, könnten ihre teils falschen Behauptungen glaubhaft klingen.

Durch Stillterror zum willenlosen Säugetier?

Ihr Stück zeigt exemplarisch das Ergebnis einer halbherzigen Recherche. Was, wenn nun vielleicht die von Stillproblemen geplagte Mutter bei ihrer Recherche im Wochenbett nur diesen einen Artikel liest? Und dann ins Trudeln gerät, weil sie gerade Hebamme oder Stillberaterin für Hilfe kontaktiert hat. Beugt sie sich damit dem im Artikel genannten Stillterror oder wird sie gar gleich zum willenlosen Säugetier? Wäre sofortiges Abstillen nicht die bessere und schnellere Lösung?

Ich jedenfalls möchte so etwas wirklich nicht in einer instabilen Hormonlage lesen. In einer Situation, die sich die Autorin wahrscheinlich selbst nicht vorstellen kann. Sonst würde sie nicht eingangs schreiben:

„…und sah vor meinem geistigen Auge glückselige Mütter, die, vom Hormonbad eingelullt, ihre quietschfidelen Babys stillen. Meine Bekannte fand ich mit hohlen Wangen und verquollenen Augen, den Säugling neben sich an die Brust gebettet. Auf die Frage, wie es ihr gehe, kommen ihr die Tränen.“

„Erlösung“ von den Anstrengungen der Elternschaft

Wenn sie nicht die Bilder von Werbemodellen, denen man ein meist schon älteres, glattes, rosiges Baby in die Hand gedrückt hat, vor Augen hätte, würde sie verstehen, was gerade mit ihrer Freundin los ist. Sie würde wissen, dass die Freundin auch nicht nach einem Kaiserschnitt gestylt und strahlend in reinweißen Laken im Bett sitzen würde. Sie würde wissen, dass die Freundin genauso müde und verweint aussehen könnte, wenn sie sich von Anfang an für die Flaschenfütterung entschieden hätte. Sie würde wissen, dass Schwangerschaft und Geburt anstrengend sein können. Und das Wöchnerinnen gerade um den dritten Tag herum – einem beliebten Besuchertag – durch den Hormonabfall sehr nah am Wasser gebaut sind.

Und wahrscheinlich würde sie wissen, dass die Freundin jetzt einfach nur eine Umarmung braucht oder ein „Du machst das gut“. Ganz egal, wie sie geboren hat oder wie sie ihr Kind gerade ernährt. Kaiserschnitte und Abstillen sind mitnichten die „Erlösung“ von den Anstrengungen der Elternschaft. Die Zeit, die Katharina Bracher in Recherche und das Schreiben ihres Artikels gesteckt hat, hätte sie auch darin investieren können, der Freundin im Wochenbett etwas zu kochen. Oder mit dem Erstgeborenen zu spielen oder einfach zu fragen, ob und welche Form von Hilfe gebraucht wird.

Aber es ist ja auch wahrlich nicht so einfach, zwischen Wunsch und Wirklichkeit seinen Weg als Eltern zu finden. Oder den von anderen Eltern gewählten Weg als Freundin einfach ein Stück unterstützend mitzugehen…

Linkempfehlungen zum Thema Stillen:
Stillkinder | Berufsverband der Still-und Laktationsberaterinnen IBCLC | Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Von Guten Eltern zum Thema Stillen:
Stillen ist an allem schuld! | Die „perlende“ Muttermilch und andere MilchmärchenStillzwang? Abstillzwang! Was denn nun? | Stillzeiten – lang, länger, am längsten? | Abstillgrund: Personalmangel?

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Kommentare

21 Antworten zu „Ist stillfreundlich mütterfeindlich?“

  1. P
    Petra

    Wie soll ich es sagen ohne das sich die ein oder andere Frau angegriffen fühlt….
    Sorry geht wahrscheinlich garnicht anders aber meine persönliche Meinung ist nunmal das dieses ganze gejammere zum Thema stillen einfach nur lächerlich ist!
    Es ist euer Kind und ihr könnt verdammt nochmal auf die Zähne beißen und dafür sorgen das es die besten Startvoraussetzungen bekommt. Dieses ganze blah blah von wegen die Integrität der Mutter und ihr Bedürfnisse blah blah. Wenn es euch schon bei dem aller ersten und für die ersten Monaten wichtigsten Bedürfnis eures Babys (Nahrung) gegen den Strich geht etwas machen zu müssen was euch nicht angenehm ist, dann hättet ihr besser nie Kinder bekommen dürfen. Da wird noch sehr viel mehr „unangenehmes“ auf euch zukommen. Das hier einige erst sehr spät oder garkeine passende Hilfe für ihre Stillprobleme bekommen haben finde ich schade aber die wenigsten kämpfen mit vollem Einsatz um passende und kompetente Hilfe. Übrigens habe ich selbst große Schwierigkeiten am Anfang gehabt. Vasospasmus, verkürztes Zungenbändchen und natürlich alles sehr lange, sehr schmerzhafte bis ich die richtige Hilfe finden konnte. So konnte ich aber letzendlich 1 1/2 Jahre stillen und ich bin stolz darauf mir selbst derart viel Druck gemacht zu haben um meinem Kind das beste zu bieten. Aber heutzutage wird sich das Leben ja allzuschnell leicht gemacht. Das Baby schläft nicht? Schreien lassen. Das Kind nervt? Vorm TV parken. Keine Zeit und Lust auf kochen? Von Tüte ist ja noch kein Kind gestorben… usw usw
    Und zu dem Artikel mit dem Schimpansen Argument… unterste Schublade…

    1. T
      Tina

      Ich habe leider eine ganz andere Erfahrung machen müssen. Keine Unterstützung bei Stillproblemen, weder von Seiten der Hebamme noch von der örtlichen Stillberaterin, ein stillunfreundliches Krankenhaus (Intensivstation ohne Bondingmöglichkeit und unbequem Holzstühlen zum Abpumpen) und jede Menge pessimistische Aussagen, die mir den Druck nehmen sollen: „Wenn es nicht klappt, macht es auch nichts.“ oder „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch klappen kann.“ anstelle von Motivation und Optimismus.
      ICH wollte stillen und es hat keinen interessiert! Mein Umfeld wollte mir einreden, dass es für das Baby meinen Unterschied macht, um mir keinen Druck zu machen. Hilfreich wäre das nicht!

      Ich habe es nach 6 Monaten pumpen und zufüttern und 3 Brustentzündungen geschafft. Wir haben die Flasche abgeschafft, wir lieben das Stillen und ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es davor war.
      Es war jeden Stress (Abpumpen, Brusternährungsset, Antibiotikum, …) wert.

      Baby und Brust gehören für mich einfach zusammen. Manchmal schläft sie mit einer Brust in Mund und eine Hand auf der anderen. Ich finde ihre Verhalten tatsächlich recht animalisch, wenn es um die Brust geht, aber so ist die Natur eben.

      Ich freue mich auf noch viele schöne Stillmonate – und beim nächsten Kind wird alles besser.

  2. A
    Astrid

    Ich muss auch mal sagen, dass dieses Hochloben des Stillens nicht nur und unbedingt seitens der Hebamme sondern auch der Politik echt Druck erzeugt. Ich finde, das geht in die völlig flasche Richtung. Seit Monaten schläft meine Tochter nachts sehr schlecht und will 5-8 mal gestillt werden. Als ich sie letzte Woche abstillte, kam sie nur noch 1x nachts. Flasche hatte sie bis dahin verweigert, nimmt sie jetzt aber gern und wir sind alle glücklich und ausgeschlafen. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass Stillen bzw. Hunger, weil ihr die Milch nicht ausreicht, Ursache des Problems wäre! Beim nächsten Kind – falls es eins geben wird – würde ich mich, das Kind und die ganze Familie nicht mehr so lange quälen!

    1. S
      Susanne

      Das mit dem länger in der Nacht schlafen ist doch kein Argument. Früher hat man den Kindern abends auch Alkohol ins Fläschchen getan, damit sie besser schlafen. Ich glaube das halten heutzutage nicht mehr viele für legitim!

  3. L
    Lisa

    Ich liege gerade im Bett,stille meine 3 Monate alte Tochter (drittes Kind) und habe mir nun beide Artikel plus Kommentare dazu durchgelesen. Erstmal sollen doch bitte alle die sich zum Stillen genötigt fühlen es einfach sein lassen. Zweitens ist und bleibt Stillen nunmal das Natürlichste was es gibt. Die die anderer Meinung sind lassen sich in Zukunft wohl besser nur noch künstlich befruchten, da der Geschlechtsverkehr bei dem das Baby gezeugt ja auch zu natürlich (Stichwort Schimpansen) wirken könnte. Und machen dann direkt nen Termin für einen Kaiserschnitt, weil eine natürliche Geburt zu schmerzhaft und kräftezehrend für die Mutter sein könnte. Nicht falsch verstehen, normalerweise habe ich Verständnis für alle Situationen, denn ein Kind zu bekommen und großzuziehen ist genauso individuell und unsicher wie das Amen in der Kirche sicher ist. Aber zu lesen Muttermilch könnte schädlich sein (die Dame sollte sich evtl. auch mal mit dem Thema Kuhmilch beschäftigen) und stillende Mütter würden nur Bestätigung wollen macht mich echt traurig. Und das die Frau dessen vorangegangener Bericht ist, keine Kinder zu haben scheint merkt man wohl deutlich an der Beschreibung des Kindes ihrer Freundin und an der blöden Frage im Krankenhaus wozu das Wochenbett sei?!

  4. S
    Sinah

    Ich finde den Artikel, auf den Sie sich mit Ihrem Artikel berufen, ziemlich gut und vor allem treffend. Bei zwei von meinen drei Kindern habe ich es kurz mit dem Stillen versucht, und mich aufgrund der Schmerzen und der Mühsamkeit verständlicherweise nicht wohl gefühlt, nein sogar gelitten. Das schnelle Abstillen war die beste Entscheidung, denn von da an ging es den Kindern und mir gut. Man kann zwar genug Tipps von Hebamme, Stillberatetin etc. bekommen, aber dies ist immer noch kein Garant dafür, dass diese wirklich Abhilfe schaffen. Ich kenne Stillmütter, die zum Glück auch mal Klartext reden und sagen: „Ich habe die ersten Monate nur stillend auf der Couch verbracht.“ Oder: „Der Weg dazu, dass es jetzt endlich mit dem Stillen läuft, war lang, schmerzhaft und kräftezehrend!“ Stichwort „Das Natürlichste“: Dafür, dass es doch „natürlich“ ist, läuft es aber alles andere als von allein. Natürlich ist daran vielleicht am ehesten noch, dass man wie die Tiere sein Baby wer weiß wie oft (Clusterfeeding) an die Brust lassen muss. Wir leben zum Glück in westlichen Gefilden und haben nicht das Problem mit schmutzigem Wasser, wir müssen uns das nicht mehr antun und könnten ruhigen Gewissens die Flasche geben. Wären da nicht die ganzen bösen Zungen derer, die für ihre Stillbemühungen wohl ständig Bestätigung suchen. Denn den Eindruck habe ich und auch einige andere Mütter, die die Flasche geben. Und inwieweit die Muttermilch wirklich das Beste hier bei uns im Westen ist, hängt von noch ganz anderen Faktoren ab. Muttermilch wurde vor wenigen Monaten untersucht und Glyphosat wurde erschreckenderweise gefunden. Die WHO hat Glyphosat mittlerweile als (wahrscheinlich) krebserregend eingestuft. Wahrscheinlich habe ich in Klammern gesetzt, denn wer sich mit der Glyphosat-Thematik einmal ausführlicher befasst, der wird wissen, was dieses Teufelszeug eigentlich wirklich alles anrichtet. Von daher ist die WHO für mich sowieso nicht mehr ganz ernst zu nehmen. Liebe Frauen, fühlt ihr euch beim Stillen in irgendeiner Weise nicht wohl, dann lasst es. Ihr braucht euch nicht dafür zu schämen oder zu rechtfertigen. Im Gegenteil, ihr zeigt damit, dass ihr wisst was ihr wollt und was ihr nicht wollt. Und das ist gut für eine entspannte Mutterschaft.

  5. T
    Tine

    Dieser Artikel ist wirklich, einfach schlecht.
    Man liest aus jeder Zeile heraus, wie die Autorin Fakten sammelt und dann so aufbereitet, dass sie ihr in’s Konzept passen. Und zur Not wird ein leicht zu übersehendes „sozusagen“ eingebaut, das schon direkt enthüllt, dass die Studien eben nich xy aussagen, sondern doch nur „sozusagen“ dies oder jenes propagieren. Also das Gegenteil. Nee. Ein bisschen ärgere ich mich, dass ich das jetzt gelesen habe – aber ab und an muss man sowas ja auch machen, damit man gewappnet ist, gegen Dummheit und das Verdrehen von Wahrheiten.

    Das mal so auf der ganz formalen Ebene gesprochen, ganz ohne die Aussage an sich zu zerpflücken.

  6. S
    Sandra

    Hallo,

    Obwohl ich auch immer wieder die Mär der Stillmafia höre sind meine persönlichen Erfahrungen ganz andere.

    Ich habe meine große Tochter ein Jahr gestillt. Dann wollte ich meinen Körper wieder ganz für mich und auch meine Tochter war zufrieden mit dem Abstillen. Ich wurde von meiner Hebamme liebevoll unterstützt und musste mich in keinster Weise rechtfertigen.
    Jetzt stille ich meine Zwillinge. Im Krankenhaus wurde ich respektvoll unterstützt, meine Hebamme steht mir tatkräftig zur Seite und auch die 1x konsultierte Stillberaterin war sehr hilfreich. Aber niemand hat mich je unter Druck gesetzt, alle schauten stattdessen, dass es auch mir damit gut geht.

    Meine Schwägerin hatte große Probleme mit dem Stillen. Ich glaube sie zwang sich zu 4 Monaten. Aber ihre Hebamme hat keinen Druck gemacht sondern ihr gesagt, dass sie das nicht tun muss. Für sie war die Flaschennahrung ein Segen. Und das ist absolut okay.

    Am wichtigsten ist doch, dass sich Mutter und Kind wohl fühlen. 🙂

  7. R

    Stillterror gibt es, immer dann, wenn eine Frau mit ihrem Kind auf dem Arm zu Hause sitzt, in Tränen ausbricht, weil es nicht so klappt, wie es sollte. Denn diese Frau hat Stress und dieser Stress kommt von irgendwo her. Ob die Frau sich den Stress selber macht, weil sie von ‚Fachleuten‘ und ‚Fachliteratur‘ damit bombardiert wurde, dass Stillen das Beste für’s Kind sei, oder weil sie sich als Versagerin fühlt, weil sie trotz achso hilfreicher Tipps von ihrer Hebamme oder der Stillgruppe nicht gut zurecht kommt, ist dabei völlig egal. DAS ist Stillterror. Und der bleibt erhalten, wenn sich stillende Frauen ins Stillen hineinsteigern und einen Großteil ihrer Zeit dem Stillen als solches widmen und dabei sich und das Kind aus den Augen verlieren.
    Nicht Stillen ist das Beste fürs Kind, sondern eine ruhige, selbstbewusste und zufriedene Mutter. Und jede Fachperson, der es nicht primär um die Mutter, sondern um die Sache (eben das Stillen) oder nur um das Kind geht, richtet meiner Meinung nach mehr Schaden an.

    Ja, ich finde es gibt einen Stillzwang und das Argument dafür ist immer das Kind, nie das Wohl der Mutter. Und ja, ich musste mich nicht nur einer Hebamme entledigen, um diesem Terror zu entkommen und zu machen, was mir gut tut.

    Die Hebammen sind ja eigentlich primär für die Mütter da und nicht für die Kinder. Aber offensichtlich können oder wollen sie gar nicht gegen den Trend angehen, das vermeintliche Wohl des Kindes in den absoluten Mittelpunkt zu stellen. Die Hebammen haben den engsten Kontakt zu den Hauptpersonen, können aber offensichtlich nur notdürftig den Status quo aufrecht erhalten, damit gestresste Mütter nicht ganz zusammen klappen. Und solange es für mich in 2 Schwangerschaften nahezu unmöglich war eine Hebamme zu finden, die nicht alternativ angehaucht war, sondern mir vernünftige Ratschläge geben konnte, solange verzichte ich lieber auf Fachleute.

    Denn worauf Badinter und Co hinaus wollen ist nicht das Stillen zu verteufeln. Sie prangern den Terror des ‚das muss man so machen, wenn man das Beste für sein Kind will‘ an. Sie prangern an, dass eben auch Fachpersonal sich so auf das Kindeswohl eingeschossen hat, dass den Müttern durch psychischen Druck keine Wahl gelassen wird. Badeners Thema ist nicht das Stillen, es ist die Macht. Wer hat wann wieviel Macht über Frauen und wie setzt er/sie durch? Wer nimmt den Frauen die Wahl und warum? Und wie kann eine Frau sich dagegen wehren?
    Badinter zielt auf die Vorsorge ab: Begib dich gar nicht erst in eine Situation in der du wehrlos bist, denn im Zweifelsfall hilft dir niemand um deinetwillen, sondern nur um seinetwillen. Und so dumm ist dieser Rat gar nicht, wenn auch nicht in jeder Situation gleich nützlich.

    1. B
      Bettina

      Dein Kommentar gefällt mir. Ich mühe mich gerade seit 10 Wochen ab, damit meine Kleine Muttermilch bekommt. Das bedeutet, ich pumpe seit 10 Wochen möglichst im 3-4 Stundentakt. Die Kleine kann einfach nicht an der Brust trinken. Verschiedene Hebammen plus Stillberaterin waren hier. Eine Hebamme bemerkte dann, dass das Zungenbändchen verkürzt war. In der 3. Lebenswoche dann wurde dieses gekürzt in der Hoffnung, dass die Kleine dann besser saugen kann, aber leider erfüllte sich dieser Wunsch nicht. Mit der Stillberaterin begann ich, die Kleine im Dancer-Griff anzulegen. Sie dockte auch immer an und saugte irgendwie, bekam aber keine Milch heraus oder nur tröpfchenweise. Da sie zunehmen musste, fütterte ich meine abgepumpte Milch im Anschluss mit der Flasche. Im KH nutze ich noch eine kleine Spritze und hatte auch ein Becherchen parat. Die Stillberaterin berichtete mir von ihrem dritten Kind, auch mit Zungenbändchen-Problematik und erzählte, sie habe 9 Monate gekämpft, bis die Beiden gut stillen konnte. Die gesamte Mundmotorik passte nicht. Naja, ich fuhr weiter fort. Ein Riesenaufwand. Zuerst das Kind anlegen, welches nach wenigen Sekunden in einen komatösen Schlaf fiel und nicht wach zu kriegen war. Das Ganze habe ich teils eine Stunde immer wieder getan. Danach brauchte sie aber Milch, also füttern. Im Anschluss dann pumpen für die nächste Mahlzeit, also sehr zeitintensiv und frustrierend. Ich bin nun nach Abschluss der 10. Woche im Grunde eingestellt auf Dauerpumpen und Füttern mit der Flasche. Ich habe grundsätzlich auch gar kein Problem mit der Flasche. Nähe und Verbundenheit ist damit ebenso herstellbar. ABER ich fände Stillen so ungemein praktisch im Alltag. Man hat die Milch immer und überall in der rechten Temperatur dabei. Ich hätte auch keine Hemmungen, außer Haus zu stillen. Es hätte so viele Vorteile und ich bin echt enttäuscht, denn ich werde diesen Rhythmus nicht auf Dauer durchhalten können. Coronabedingt und aufgrund meiner Lebenssituation bin ich derzeit eh meistens daheim bis auf tägliche Spaziergänge mit Kind im Tuch oder mal einkaufen etc. Ich pumpe soviel, dass das Kind meistens ohne Pre-Nahrung auskommt. Ab und an musste ich aber auch schon zufüttern, weil die Kleine bei der Hitze trinkt wie ein Loch. Das letzte Mal, als ich sie angelegt habe, bluteten danach beide Brustwarzen, da sie gar nicht mehr richtig rankommt. Ich denke, durch die lange Zeit der Flasche ist das Thema einfach durch. Aber so ganz habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, da es positive Beispiele gibt. Ich denke mir immer, das kann doch nicht sein. Milch ist da, Baby mittlerweile richtig kräftig. Das müsste doch hinzukriegen sein. Ist es aber nicht. Was ich NICHT bieten kann, da ich noch ein weiteres Kind und Hunde habe (und somit zeitliche Verpflichtungen), ist, den gesamten Tag im Bett zu hocken und das Kind im Minutentakt anzulegen. Das habe ich zu Beginn im Wochenbett ausgiebig getan, leider ohne Erfolg. Ein Brust-Ernährungs-Set lehne ich ab, weil mein Kind durchaus weiß, wozu die Brust gut ist, sie wurde ja seit Entbindung (Kaiserschnitt leider :-() immer wieder angelegt. Und zudem würde es damit noch aufwendiger. Sie müsste halt gescheit saugen. Das Anlegen wurde mehrfach durch Fachleute geprüft. So, und bei mir greift das, was eine Dame weiter oben kommentiert hat, nämlich sehr. Ein schlechtes Gewissen, das Gefühl, zu blöd zum Stillen zu sein und nicht genügend zu investieren und bestimmt müsste ich dies und müsste ich das……Und was bringen mir solche Gedanken außer schlechte Gefühle? Nur weil es bei manchen noch nach Wochen hinhaut, bedeutet das ja nicht automatisch, dass das bei mir auch so zu sein hat. Ich erlebe nur, dass es NICHT klappt. Von einer Bekannten weiß ich, dass sie dasselbe Problem mit ihrem ersten Kind hatte und nach 12 Wochen das Pumpen eingestellt hat. Als ihre Tochter kam, konnte sie hingegen von Anbeginn problemlos stillen, ohne auch nur irgendetwas anders gemacht zu haben. Das zeigt mir, dass es durchaus Faktoren geben kann, die das Stillen einfach nicht ermöglichen. Vielleicht gab es deswegen immer Ammen? Oder verhungern tatsächlich manche Babys aufgrund der Unfähigkeit zu stillen irgendwo auf dieser Welt? Ich weiß es nicht…. Fragen über Fragen…..Oder war es doch das Thema Flasche, was es mir versaut hat? Naja, mein Baby wird nun voll pumpgestillt ;-). Eine Freundin hat das zweimal je ein Jahr durchgezogen. Auch ihr konnte niemand helfen. Niemand begriff, warum ihre Mädels die Milch nicht aus der Brust bekamen. Meine kriegt sogar meine Hohlwarzen, die ich während der SS mit Nipletten aufs Stillen vorbereitet habe, raus aus ihrem Haus ;-), aber mittlerweile kriegt sich nicht mal mehr ein Vakuum aufgebaut und versucht völlig überfordert, die Brustwarze in den Griff zu kriegen, wenn ich sie anlege. Als ob die Bruswarzen cm-weise zu kurz wären. Stillhütchen habe ich auch schon probiert, aber da kam rein gar keine Milch, kein einziger Tropfen. Anpumpen und dann anlegen brachte auch nichts. Ja bitte!!!! Und dann lese ich, ich hätte mich nicht genügend angestrengt und hätte kein Baby bekommen sollen? Da muss NICHT ICH mich hinterfragen, ganz klare Sache. Aber ja, das schlechte Gewissen…..keine natürliche Geburt, Scheiße, das waren zwei Schnitte durch die Seele…und nun auch kein Stillen trotz Vorbereitung in Form von Literatur und Stillberaterin bei mir daheim. Da könnte Frau schon im Strahl k…..Der Aufwand derzeit ist hoch. Ich pumpe auch nachts. Ich ahme Cluster-Feeding mit der Pumpe nach, um der Brust zu verklickern: Mehr Milch, bitte! All das, damit mein Baby Muttermilch bekommt. Soviel Aufwand, ganz ehrlich, muss keine Still-Mama erbringen :-(. Natürlich wäre es schöner zu lesen, dass es bumsegal sei, ob das Kind mit Muttermilch oder Pre-Nahrung aufwachse. Genauso schön wäre es zu wissen, dass ein KS die schonendere Geburtsweise sei. Würde mir beides gefallen, aber ich weiß ganz genau, dass es bullshit ist. Ich bin überzeugt von der natürlichen Geburt und vom Stillen und kann beides nicht erfüllen, bei beiden Kindern nicht. Dann schaue ich mir meinen 9-jährigen Sohn an, der nach dem KS direkt mit Pre-Nahrung groß geworden ist (Danke, erbärmliche Hebamme und unsägliches Krankenhauspersonal!! Ich könnte heute noch heulen!) und muss feststellen, er ist ganz toll. Es tut mir dennoch leid, kann es aber nicht ändern. Daher möchte ich gar nicht lesen, wie schlimm das Alles wohl ist. Aber wichtig finde ich trotz allem, dass Mütter aufgeklärt werden über Geburt und Stillen. Also irgendwie zweischneidig. Ich würde gerne alle werdenden Mütter dafür begeistern, natürlich zu gebären und zu stillen und gleichzeitig würde ich gerne jegliche Dramatik und jegliche Vorwürfe rausnehmen, wenn es aus welchen Gründen auch immer es anders kommt.

  8. M
    Maria

    Ich habe gerne gestillt, obwohl ich auch oft zu kämpfen hatte. Mein Vasospasmus wurde leider erst sehr spät entdeckt, da war mein Stillkind immerhin schon 1.5 Jahre alt und ich wegen der Schmerzen in einer schweren Stillkrise.
    Ich habe auch in einem babyfreundlichen Krankenhaus entbunden und fühlte mich größtenteils wohl, doch auch an meiner Brust wurde ungefragt herumgezupft und das fand ich sehr befremdlich und ich habe mich dabei unwohl gefühlt. Was mich auch genervt hat, war dass jede Hebamme bzgl. Anlegetechnik usw. mir was anderes sagte. Dazu kam erschwerend dass mein Baby ein Schreikind war und sich in Rage schrie, wenn es mit dem Anlegen nicht gleich klappte. Das machte mich unendlich nervös und frustriert, ich hätte in den ersten Wochen ein paar Mal fast alles hin geschmissen.

    Ich denke das fehlende Einfühlungsvermögen und eben dieser distanzlose Umgang mit der Brust hat nicht soviel mit dem Stillen zu tun. Das ist eben, unabhängig von den verschiedenen Berufssparten nicht Jedem geschenkt. Ich habe auch schon Geschichten gehört, wo Neugeborene von den Krankenschwestern ungefragt zugefüttert oder „bestöpselt“ (Schnuller) wurden. Da lass ich lieber an meiner Brust rumzupfen … Die negativeren Erfahrungen betreffen aber das Pflegepersonal, die Stillberaterinnen habe ich in sehr guter Erinnerung.

  9. H
    helen

    🙂 Total der gute Hinweis, der Freundin lieber ein Essen zu kochen. Das haben viel zu wenige bei mir gemacht! Also eigentlich niemand 🙁 grade wegen des Geschwisterkindes wäre das super gewesen. Die Autorin hat aber keine Kinder oder? Ich finde ja, kinder-, still- oder schwangerschaftsbezogene Artikel dürften nur von solchen Menschen geschrieben werden, die das schon erlebt haben…

  10. T
    Tanja

    Ich finde saskia hat einen wichtigen Punkt erwähnt, wenn sie schreibt „Frauen, die (als Kinder zum Beispiel) sexuelle Gewalt erfuhren, leiden, wenn ein anderer Mensch (ja, auch das eigene Kind) mit seinem Bedürfnis bestimmt, wann sie intime Körperteile “hinhalten” müssen.“ Das entspricht total meiner Meinung, ich habe es schon oft gedacht. Aber noch nie hat jemand davon geredet, weder im Krankenhaus noch die Hebamme. Ich lese zum ersten Mal davon.

    Ich habe noch ein anderes Problem, nämlich das Abstillen. Ich weiss nicht, wie ich es konkret machen soll. gibt es dazu schon einen Artikel oder hast du einen Buchtipp, Anja? danke und viele grüße, ich finde deinen blog Super!

    1. A
      Anja

      Liebe Tanja,

      danke für Deinen Kommentar. Zum Punkt sexuelle Gewalt hatte ich mal im Kontext Geburt geschrieben:http://www.zockt.com/vonguteneltern/?p=4373 . Das ist in der Tat auch beim Stillen ein sehr wichtiger Punkt und bei ungefährt jeder vierten Frau ist davon auszugehen, dass sie schon mal Opfer von sex. Gewalt geworden ist. Es ist also ein Thema, dass Fachpersonal immer mit im Kopf haben muss.
      Der Abstillartikel liegt hier so halbfertig rum;) Ich muss ihn aber wahrscheinlich noch mal teilen, da sich das Abstillen eines Babys je nach Alter und das Abstillen eines Kleinkindes doch sehr unterscheidet. Ich bin also dran:)

      Liebe Grüße, Anja

  11. N
    Nicole

    Liebe Anja, Gruss aus Zürich aus einer stillfreundlichen Klinik einer Ernährungsform offener Hebamme.:-) muss glaub ich noch ein Leserbrief schreiben! Gruss Nicole

  12. A
    Anna

    Liebe Saskia
    Deine Argumentation ist sehr nachvollziehbar. Stillen kann sehr schmerzhaft sein und wenn man wirklich erst beim vierten Kind die Ursache dafür rausgekriegt hat, dann kann ich sehr gut verstehen warum Dir das Stillen nicht das gegeben hat was es verspricht oder zu versprechen meint. Ich stimme Dir auch durchaus zu, dass jede Mutter auch zu ihrem Flaschenkind eine ungetrübte Bindung aufbauen kann. Ich selber bin Hebamme, Stillberaterin und habe drei Kinder lange und sehr gern gestillt. Ich persönlich finde, eine gute Hebamme sollte sich beim Thema Stillen kontinuierlich fortbilden und Schmerzen, die die Frau äußert immer ernst nehmen. Wenn sie nicht weiter weiß, sollte sie an eine Stillberaterin weiter verweisen. Und beide sollten aber auch den individuellen Weg einer Frau unterstützen und im Vordergrund sollte immer die Beziehung von Mutter-und-Kind stehen und nicht die Stilldauer und Frequenz. Jede Frau sollte in ihrer Kompetenz gestärkt werden, die beste Expertin für ihr eigenes Kind zu werden, unabhängig davon wie die Ernährung funktioniert.
    Andererseits denke ich auch manchmal, dass dieses Thema „Stilldruck“ eher eines aus der Akademikerschicht in den Metropolen ist. Auf dem Land und in kleinen Städten stillt nur ein kleiner Teil der Frauen überhaupt länger als der Monate. Ein bisschen mehr Stillpropaganda wäre dort gar nicht so verkehrt. Das Wichtigste ist wie immer eine eigene Entscheidung aufgrund von fundierten Informationen zu treffen. Diese Blog hier ist super für gute Informationen!
    Alles Gute!

  13. C

    DANKE! Auch aus meinem Herzen gesprochen, allgemein und zu diesem seltsamen Artikel im Besonderen. Danke!

  14. S

    Meine Erfahrungen zum Thema Stillen/ Affen-Dasein/Stillberatung:

    Ich habe vier Kinder gestillt.
    Gemocht habe ich es nie. Und gezwungen gefühlt habe ich mich auch.
    Ich hatte Begleitung durch Hebammen, hatte dennoch wochenlange Schmerzen. Blasen auf den Brustwarzen, die aufplatzten, um neuen Blasen Platz zu machen und vieles mehr.
    Schweißausbrüche, wenn das Kind Hunger signalisierte. Schmerzausweichs-Haltung mit anschließender Verspannung und Kopfschmerzen.

    Bei Kind vier meinte dann die Hebamme:
    „Sag mal, hatten alle deine Kinder ein so kurzes Zungenbändchen? Der Kleine saugt ja echt nur an der Spitze, ganz gleich, was man macht. Das muss ja furchtbar für dich sein.“
    Zum ersten Mal (!) hörte ich etwas Anderes als Durchhalteparolen „Weitermachen! Öfter anlegen! Durchhalten und Schmerzen veratmen! Wenn dir wegen den Schmerzen nach Weinen ist – dann weine einfach.“ (Alles Zitate)

    Beim ersten Kind hatte ich nach sechs Monaten immer weniger Milch. Da hieß es: „Öfter anlegen. Viel öfter. Mehr trinken“ Ich hatte das Kind dauernd an der Brust, trank mehr und es wurde dennoch nicht satt. Gewicht wurde seitens der Hebamme nicht kontrolliert – später dann beim Kinderarzt. Dieser wiederum war geschockt und verordnete Beikost. Davor hatte ich wochenlang ein unglückliches Kind (weil hungrig) war genervt davon, schämte mich wegen des Genervtseins und so weiter … Und: das Kind hatte Hunger gehabt – was mir bis heute noch irgendwie leid tut.

    Im Krankenhaus fragte ich bei Kind Nummer 4 noch mal wegen des richtigen Anlegens nach. Da schnappte die Schwester unkommentiert meine Brustwarze, drückte sie platt und stopfte sie dem Kind in den Mund. Ich kam mir in der Tat „etwas“ objektifiziert vor. Hat zu meinem Stillwunsch nicht unbedingt beigetragen.

    Ich habe überdies die Erfahrung gemacht, dass es Hintergründe gibt, die für eine Mutter psychisch und physisch das Stillen unglaublich erschweren. Darüber erfährt man leider wenig. Frauen, die (als Kinder zum Beispiel) sexuelle Gewalt erfuhren, leiden, wenn ein anderer Mensch (ja, auch das eigene Kind) mit seinem Bedürfnis bestimmt, wann sie intime Körperteile „hinhalten“ müssen.
    Diese Frauen würde eine besondere Begleitung brauchen, denke ich. Leider habe ich nie erfahren, ob oder dass es so etwas gibt.

    Das fremdbestimmte „Besaugt-Werden“ zusammen mit Schmerzen ist vielleicht nicht für jede Frau schön. Und diese schämen sich dann und haben ein schlechtes Gewissen. Oder fürchten, die Bindung zum Kind würde leiden. Sie machen keine schöne, innige Erfahrung, wie sie überall zu lesen bekommen. Sie leiden und stehen unter Druck. Das ist dann gut für die Bindung. Nicht.

    Ich denke, man kann sehr intensive Bindungen haben. Auch zu reinen Flaschenkindern.Sonst hätten Väter ja per se schlechtere Bindungen zum Kind.

    Ich sehe mich ohne Probleme als Säugetier. Ich bin ja biologisch gesehen eines – das macht mir persönlich nichts aus.
    Aber ich habe sicherlich auch mit andere Problemen umzugehen als ein Schimpanse oder eine Kuh. Daher ist das so beliebte Argument der „Natürlichkeit“ für mich nur bedingt griffig.
    Ich bin kein Affe, ich teile Merkmale mit ihm oder er mit mir.

    Ja, ich teile absolut die Idee, eine Autorin eines so lebensfremden Artikels hätte besser ihrer Freundin direkt geholfen.
    Aber nach meiner Erfahrung aus den vier Babyphasen meines Lebens sage ich, dass definitiv ein Druck zum Stillen da ist. Von allen möglichen Seiten. Hier wünschte ich, auch wenn der Sinn des Stillens definitiv unterstützenswert ist, einen differenzierten Umgang mit der Mutter selbst. Individuell gesehen.

    Vermutlich ist ein solcher (und ähnliche) Artikel eine Gegenbewegung zum moralischen „Still-Zwang“

    1. K

      Puh, Mann, das tut mir total leid, dass das bei Dir so scheiße gelaufen ist. Klingt ziemlich fürchterlich. Ich habe selbst eine Freundin, die mit Ach und Krach 6 Monate gestillt hat, weil ihr von allen Seiten eingeredet wurde, sie MÜSSE das tun für ihr Kind, WENIGSTENS das halbe Jahr. Sie mochte es nicht. Sie war einfach unglücklich dabei. Der Zwang belastete ihre Beziehung zum Kind. Einen „Grund“ gab es für ihre Stillunlust nicht – aber den braucht auch keine Frau. Es sollte doch verdammt nochmal ihr Recht sein, darüber ohne Wertung von außen zu entscheiden.

      Mein eigenes Stillkind ist jetzt 1,5 Jahre alt. Ich fand das Stillen meistens ziemlich gut, genervt hat es mich selten. Ausgelaugt auch nicht. Gestern habe ich mich entschlossen, mit dem Abstillen zu beginnen. Für mich persönlich ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen. Körper und Geist sagen: Reicht jetzt. Schuldgefühle habe ich irgendwie dennoch. Aus Angst, ihr etwas wegzunehmen. Aus Angst, eine unumkehrbare Entscheidung für uns beide zu treffen. Aber ich schwöre, der erste Mensch, das das irgendwie bescheuert kommentiert, in die ein oder andere Richtung – dem semmel ich einen Muttermilchbeutel um die Ohren.

      1. R

        Solange du selbst entscheidest und mit deiner Entscheidung einig bist und – zugegeben nicht grad radikal, sonder ruhig die Sache angehst – wird dein Kind überhaupt gar kein Problem haben. Denn Kinder vertrauen darauf, dass die Eltern schon die richtige Entscheidung treffen und akzeptieren das auch. Das ewige herumgeeiere jedoch verwirrt alle und darauf reagiert ein Kind dann sehr deutlich.

        Aber ich weiß, was du meinst. Abstillen ist eine erste Form von Loslassen und das wird dir in den nächsten Jahrzehnten mehr Probleme bereiten, als deiner Tochter. Wir denken alle wehmütig an die Babyzeit und sagen alle ‚Ach, sie werden so schnell groß!‘

    2. R

      Du hast ja sooo recht! Es geht nie wirklich um die Mütter, alles wird den Kindern geopfert – scheiß egal, wenn sich die Mutter dabei nicht gut fühlt. Im Gegenteil, dann ist sogar noch irgendwas ‚falsch‘ bei ihr. Das regt mich so auf!
      Ich meine, du ziehst vier (!!!!) Kinder groß, wo andere schon mit einem überfordert sind, und kaum machst du auch nur einen minikleinen Teil nicht hingebungsvoll oder ausdauernd genug, wird dir ein Problem unterstellt, oder schlimmer, unterstellst du dir selber etwas. Wo sind denn all die Ratgeber und Hebammen und Müttertreffs, die den Müttern Mut zusprechen, einen eigenen Weg zu finden? Herauszufinden, was ihnen das Leben erleichtert oder sie sogar zufrieden macht? Wo sind denn all die Leute, die dich gegen blöde Kommentare verteidigen? Wo ist die Hilfe, wenn man sie braucht? Man bekommt dann doch keine Hilfe, es wird doch dann nur an Symptomen herumgedoktert, damit du nicht ganz ‚versagst‘, sondern dich nur noch als Versager fühlst.

      Und am Ende ist Frau, wie in deinem Kommentar, auch noch gezwungen voller Stolz zu sagen, sie hätte etwas durchgehalten, was ihr gar nicht gepasst hat. Und sie musst das voller Stolz sagen, denn sonst müsste sie sich vor sich selbst rechtfertigen. Dafür, dass sie mit ihrem Körper etwas angestellt hast, das sie mit negativen Gefühlen assoziiert. Niemand sagt den Frauen, dass ein Baby nicht bedeutet, sich selbst nicht zu respektieren. Dass das vermeintliche Kindeswohl und die enge Bindung DAS nicht wert sind. Dass damit nur etwas kaputt geht, dass Frau nachher wieder mühsam aufbauen muss. Die eigene körperliche Integrität aufzugeben kann niemals ein funktionierender Weg sein. Zumal, wie will man denn seinem Kind mit der Einstellung beibringen die eigene Integrität zu wahren?

      Ich meine, du hast 4 supertolle und glückliche gesunde Kinder. Und das nicht, weil du dich schmerzvoll für sie opferst, sondern weil du deine Kinder liebst und sie respektierst und ihnen somit die Möglichkeit gibst, ihre Persönlichkeit und Träume zu entfalten. Deine Kinder sind glücklich, weil du lächeln musst, wenn du an sie denkst, nicht weil du sie unter Schmerzen gestillt hast. DAS hätte dir schon längst mal einer sagen sollen! Und jeder, der einer Mutter oder einem Vater nicht als erstes genau das sagt, sondern mit ‚du musst…‘ anfängt, dem sollte der Mund verboten werden!

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