Viel mehr als nur ein Hebammenproblem

Ende dieser Woche wird eine Schiedsstelle darüber entscheiden, wie die Zukunft der außerklinischen Geburtshilfe in Deutschland aussehen wird. Doch während auf das Schicksal der prozentual wenigen Geburten außerhalb von Krankenhäusern geschaut wird, bröckelt es weiter ständig und stetig bei der klinischen Geburtshilfe. Seit Jahren schließen mehr und mehr kleinere geburtshilfliche Abteilungen, so dass mittlerweile ganze Regionen ohne eine sichere geburtshilfliche Versorgung dastehen. So wird es zum Beispiel auch der Insel Föhr ab Dezember 2015 ergehen.

Schon vor zwei Jahren schrieb über die sich zuspitzende „Krise im Kreißsaal“ – gültig ist der Text bis heute. Mit der Ergänzung, dass dort, wo es noch Kreißsääle gibt, sich heute die Arbeit immer mehr verdichtet, ohne dass der Personalschlüssel angepasst wird. Eine zugewandte und sichere Betreuung ist oft gar nicht mehr möglich. So schrieb neulich eine Hebammenkollegin nach ihrem letzten Nachtdienst diese Sätze hier:

„Bin auf 180 nach diesem Dienst *grrrrr!* – natürlich mal wieder mit drei Überstunden wegen Dokumentation und wie üblich ohne Pause (in elf Stunden), ganz abgesehen davon, was in der Klinik für eine Scheiße verzapft wird! Ich bin soooooo unzufrieden mit meinem Job – den ich doch mal so sehr geliebt habe… Es ist unmenschlich, was mittlerweile in der Klinik abläuft, vor allem den Frauen gegenüber, aber auch für uns ist es unzumutbar. Das hat mit Geburtshilfe nicht mehr viel zu tun. Nur noch Massenabfertigung und Hauptsache, die Klinik macht Profit. Personal und Patienten sind egal. Zum Glück haben HEUTE alle überlebt….ist ja auch nicht mehr selbstverständlich :-(“

So drastisch diese Worte auch klingen, das ist leider keine traurige Einzelmeinung, sondern das, was ebenfalls viele andere Kolleginnen, aber auch Ärzte und Pflegepersonal aus den Kliniken berichten – nur nicht immer in so deutlichen Worten. Was ich mich frage: Soll das Rumgefrickel an der einen Baustelle – der außerklinischen Geburtshilfe – vielleicht am Ende nur davon ablenken, wie schlecht es generell um die Geburtshilfe in Deutschland gerade steht?

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Kommentare

8 Antworten zu „Viel mehr als nur ein Hebammenproblem“

  1. M
    melanie

    Ich möchte nur kurz erwähnen das ich in von einer Hebamme aus einem Geburtshaus betreut werde. Sie sagte das es möglich sei allerdings auch riskant ist, also ich könnte mich noch zur Geburt dort anmelden. Und zu guter letzt darf man auch nicht den Vater vergessen, der beim letzten Mal schon tausend Tode gestorben ist und einfach angst um seine Frau und sein Kind hat. Wir arbeiten beide in der Behindertenhilfe und haben einfach schon zuviel gesehen.
    Unser Sohn wurde bei 41 + 3 mit einer Infektion geboren, das waren alles widrige Umstände die allerdings noch tief in den Knochen stecken.

  2. A
    Anja

    Und jetzt? Muss der Hebammenverband diesen Schiedsspruch akzeptieren? Bitte nicht ohne das Ausschlusskriterien auch auf ET-3 zu erweitern. Und alles jenseits von Vollmondnächten und des 29. Februars.

    Ich bin wütend, traurig. ICH BIN KEIN KASSENBEITRÄGE ZAHLENDES UNMÜNDIGES GEBÄHRVIEH! Wen muß ich denn verklagen, um das Recht auf selbstbestimmte Geburt von Frauen endlich mit Leben zu erfüllen? Den GKV oder Hebammenverband, falls dieser Schiedsspruch Realität wird? Dieser Spruch bricht geltendes Recht!

    Demonstrieren, Briefe und Mails schreiben, Gesprächsrunden, alles nutzlos, es muss anscheinden weh tun in Deutschland.

    Anja

  3. M
    melanie

    Vielleicht ist ja auch Brasilien großes Vorbild: Kaiserschnitt nach Plan und natürliche Geburten abgeschafft.
    Ich mache mir schon ziemlich Gedanken, im Januar bekommen wir das zweite Kind aber nur wo? Die erste Geburt fing im Geburtshaus an und endete im Kaiserschnitt. Da bleibt leider nur Klinik.

    1. C
      Christiane

      Informiere dich unbedingt nochmal! Ich habe mein zweites Kind daheim bekommen, nachdem das erste ein Kaiserschnitt war. Viele Hebammen begleiten Haus- oder Geburtshausgeburten auch bei Zustand nach Sectio. Das Rupturrisiko ist nach einem vorhergehendem Kaiserschnitt auch noch nicht signifikant erhöht.

      1. N
        Nadine

        Dein Kommentar ist zwar richtig und wichtig, Christiane, aber wenn das Kind im Januar kommt, wird Melanie jetzt wohl weder eine Hausgeburtshebamme noch ein Geburtshaus finden, dass noch Kapazitäten hat…

        Anja, vielen lieben Dank für diesen Text und deine unermüdliche Aufklärungsarbeit.

        Alles Liebe ♥
        Nadine

      2. K
        Key

        Oh nee,was das Risiko betrifft möchte ich dir widersprechen….da habe ich aber ganz andere Fälle in direkter Umgebung!

  4. S

    Ohje, den Gedanken hatte ich ehrlich gesagt auch schon mal. Die Hausgeburten sind vielleicht nur ein Stellvertreterkrieg… Ich finde es super, dass du hier so oft ehrlich aus dem Hebammenalltag (auch dem deiner Kolleginnen schreibst), weil nach wie vor viele gar nicht wissen, dass die Geburtshilfe in Kliniken leider oft alles andere als sicher ist. Dabei kann sie so gut sein! Eine Freundin von mir hat vor kurzem ihr Baby in einem kleinen hebammengeleiteten Kreißsaal bekommen und wurde dort sehr gut betreut. Vielleicht war es insgesamt auch Glück, weil zeitgleich nicht so viele andere Frauen Kinder geboren haben, aber insgesamt hat sie sich sehr gut aufgehoben gefühlt und auch ihr sehr langer Geburtsverlauf wurde akzeptiert und sie unterstützt. Ich denke dann immer: Es kann doch so einfach sein! Stellt doch einfach mehr Hebammen ein und bezahlt die besser! Aber das Problem liegt wohl generell in unserem Gesundheitssystem. Wo gespart werden muss, kann es keine gute Versorgung geben. 🙁

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