Wenn einem die Babydecke auf den Kopf fällt

Die letzten Wochen und Monate haben wir viel Zeit gemeinsam als Familie verbracht. Gerade im Urlaub hockt man ja doch etwas dichter aufeinander – und wir waren fünf Wochen unterwegs. Die meisten Aktivitäten machten wir als Familie zusammen, auch wenn ich mit dem Baby meist mehr als Statist am Rand stand. Aber da ich zum Beispiel eh nicht so gut Achterbahn oder ähnliches im Freizeitpark fahren kann, bin ich eh ganz froh, wenn Christian diesen Part gerne übernimmt. Manchmal war er auch mit allen drei großen Kids unterwegs und ich mit dem Baby alleine in unserem idyllischen, aber auch recht einsam gelegenen Ferienhaus.

Anfangs genoss ich noch die Stille, weil bei uns immer einer redet und es nur selten leise ist. Aber irgendwann fiel mir auch wieder ein, wie still und bisweilen etwas langweilig es ist, wenn man die Babytage allein im Haus verbringt. Manchmal lädt vielleicht der kalte Winter nicht gerade dazu ein, überhaupt rauszugehen. Oder man ist vom nächtlichen Dauerstillen zu müde und erschöpft. Womöglich ist da auch einfach niemand, der vorbeikommt, weil alle Freunde noch keine oder wesentlich ältere Kinder haben und tagsüber berufstätig sind.

Dann hockt, sitzt, liegt man da als Mutter oder Vater in Elternzeit gefühlt stundenlang mit dem Baby am Boden. Und ab und an fällt einem da doch ganz schön die Babydecke auf den Kopf. Natürlich ist es toll, sein Baby anzuschauen, mit ihm zu lachen, zu kommunizieren und sich über die vielen kleinen und großen Entwicklungsschritte zu freuen. Aber manchmal hat man auch einfach keine Lust mehr, das hundertste Türmchen zu bauen. Die immer gleichen Babylieder will auch niemand dauerhaft singen, selbst wenn das Baby noch so sehr vor Freude quietscht.

Das erste Babyjahr kann ganz schön einsam sein

Dann bleibt halt noch der Hauhalt als mehr oder weniger sinnvolle Beschäftigung. Aber je nach Charakter des Babys schafft man das auch nur mehr oder weniger gut. Und so richtig intellektuell stimulierend ist das Befüllen der Waschmaschine oder das Ausräumen des Geschirrspülers nun auch nicht. Gerade beim ersten Kind kommen viele Eltern aus einem Vollzeit-Berufsleben. Das Hineinfinden in diesen neuen so ganz anderen Alltag ist nicht immer leicht. Zumal es ja auch keinen richtigen Feierabend gibt.

Das erste Babyjahr kann bisweilen also ganz schön einsam sein. Und wohl gerade deshalb auch ab und zu sogar langweilig, auch wenn man faktisch genug zu tun hat. Besonders hart trifft es häufig Eltern, die ein Baby mit hohen Bedürfnissen haben, was neue Reize schnell in ausgedehnten Schreiphasen verarbeitet. Oft bleibt man dann mit dem Baby „lieber für sich“. Dabei müssten gerade besonders belastete Eltern auch mal unter Leute und raus aus der Wohnung. Aber mit der Befürchtung, dass das eigene Kind alles zusammenschreien oder man eh nur hektisch im Café auf und ab gehen wird, ist das nicht gerade sehr einladend. Gerade beim ersten Kind haben ja die meisten von uns noch mehr damit zu tun, die eigenen und äußere Erwartungen sinnvoll einzuordnen. Wir sind schneller zu verunsichern und auch der viel zu überhöhte Perfektionsanspruch sinkt bei vielen Eltern erst mit einem weiteren Kind.

Gemeinsam statt einsam

Sowohl aus privater wie auch beruflicher Erfahrung kann ich sagen, dass man raus und unter Leute muss, wenn einem die Babydecke auf den Kopf fällt. Die wenigsten von uns sind für dieses Kleinstfamilienleben geschaffen, in dem man mit dem Baby komplett alleine ist, bis der Partner wieder von der Arbeit kommt. Die meisten Menschen wünschen sich andere soziale Kontakte. Vorausgesetzt, dass diese nicht zusätzlichen Stress bedeuten, weil sie uns vielleicht verunsichern oder uns sogar ein Gefühl der elterlichen Inkompetenz geben. Auf solche Kontakte kann man gerade in dieser emotional sensiblen Lebensphase gut verzichten. Aber Menschen mit denen man lachen und weinen kann oder bei denen man auch mal seinen Kummer oder Frust loswerden kann, sind die beste Unterstützung in der Babyzeit.

Deshalb freue ich mich immer, wenn ich die Frauen, die schon gemeinsam den Geburtsvorbereitungskurs bei mir gemacht haben, dann wieder zusammen unterwegs mit ihren Babys treffe. Oft entwickeln sich daraus enge Freundschaften. Nicht selten werden auch die nächsten Kinder gemeinsam durch den Kiez getragen oder geschoben. Wesentlich wichtiger als die beste Wickeltasche und der funktionellste Kinderwagen ist für Mütter also ein Netzwerk aus netten Menschen, die man anrufen und treffen kann, wenn einem gerade die Babydecke auf den Kopf fällt. Für Väter gilt das natürlich auch.

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Kommentare

9 Antworten zu „Wenn einem die Babydecke auf den Kopf fällt“

  1. S
    Susanne

    Nettes Wortspiel, die Babydecke

  2. A
    Aneta

    Mein Sohn ist gerade fünf Monate alt geworden und ich bin von Anfang an Alleinerziehend. Ich hätte es mir anders gewünscht aber es ist halt wie es ist. Ich liebe meinen Sohn über alles aber man erlebt eine ganz neue Art der Einsamkeit. Meine Freunde, die vor Ort wohnen, haben noch alle keine Kinder und führen ein Singeldasein. Ich treffe mich mit denen mehr oder weniger regelmäßig aber einen so richtig verstehen, können sie nicht. In meinem Geburtsvorbereitungskurs habe ich ein paar nette Kontakte knüpfen können und das hilft mir sehr den Alltag zu meistern. Wir treffen uns nicht häufig aber schreiben viel. Was mir hilft sind feste Termine. In den ersten Tagen nach der Geburt kam meine Hebamme jeden Tag. Das hat mich im wahrsten Sinne gerettet. Diese Woche fange ich wieder zwei neue Kurse an und hoffe auch wieder auf nette Kontakte. Vorzugsweise auch mal Frauen in der gleichen Situation, die vielleicht auch mal am Wochenende Zeit hätten was zu unternehmen, weil eben keine „Familienzeit“ angesagt ist.

  3. N
    Nadine

    Schlimmer wird es noch, wenn das Kind nicht mit eins in die Kita oder zur Tagesmutter kommt, und die Hälfte der Frauen, die man kennen gelernt hat, wieder arbeitet. Wenn dann vor allem nicht möglich ist, dass man sich das als Elternteil aufteilt, sondern man in den 50er Jahren gelandet ist. Mama mit Kind zuhause und Papa auf der Arbeit.
    Im ersten Jahr kann ich auch nur empfehlen, möglichst viele Kontakt über Kurse oder Stillgruppen zu knüpfen, damit man danach noch Anlaufstellen hat. Oder mal zur entfernten Familie reisen. Dieses intellektuelle Unterforderung und die Einsamkeit, das ist das, was ich selbst mit am härtesten fand.

  4. M

    Ein Hoch auf Babykurse! Wir haben auch drüber gebloggt, wie sie uns aus der Mama-Einsamkeit geholt haben.

  5. S

    Ohja, soziale Kontakte sind wirklich ein Segen. Da ich meine Kinder während des Studiums bekam, hatte ich das Glück, dass meine Freunde (Studenten) auch mal nachmittags Zeit hatten oder Mittags mit in die Mensa gingen, für Spaziergänge offen waren usw. Das hat sich inzwischen sehr verändert: Ich arbeite 30 Stunden/Woche und bin nachmittags mit den Kindern zu Hause. Meine Freunde arbeiten bin in den Abend… Zum Glück konnte ich durch den Kindergarten Mütter kennenlernen, mit denen man sich auf dem Spielplatz verabreden kann – Das sind eher Bekannte als Freunde, aber es tut gut, jemanden zum „Quatschen“ zu haben.

  6. L

    Das kann ich unterschreiben. Ich brauchte in der Elternzeit möglichst jeden Tag einen festen Termin, Babyschwimmen, Spazierengehen mit anderen Mamas, Krabbelgruppe etc., da mir sonst glaube ich zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen wäre. Die sozialen Kontakte tun denke ich Mama und Baby gut.

  7. M
    Merle

    Meine Große Tochter ist grade in die erste Klasse gekommen zusammen mit ihrem besten Freund. Den „kennt“ schon seit über 6 Jahren aus der Zeit nach dem Rückbildungskurs. Da haben seine Mama und ich uns genau darüber gefunden, dass unsere Babys immer die waren, die als erstes geweint haben. Heute sind wir gut befreundet und die beiden eben auch <3

  8. D
    Doro

    Ich fand meine Krabbelgruppe sehr bereichernd, ebenso meine Tochter. Alleine mit Mama zu Hause war schon sehr früh auch für sie langweilig.
    Es sind eine schöne Freundschaft und einige nette Bekanntschaften entstanden.

  9. M

    Auch wenn mir diese Erfahrung noch bevorsteht, kann ich sie schon jetzt nachempfinden. Die Ausgewogenheit unseres Netzwerks macht uns richtigerweise glücklich (siehe auch Ende meines Beitrags: https://wanderfamilie.blog/2017/09/06/mein-wunschweg-zu-moderner-rollenverteilung-in-der-elternschaft/#more-156). Vielen Dank also für den Artikel!

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