Von besseren Eltern

Ich muss zugeben, ich lese diese Artikel wie „20 Tipps, mit denen Sie Ihr Kind besser verstehen“ oder „10 Dinge, die ich meinen Kindern sagen möchte…“ oder „10 schlechte Angewohnheiten, die Eltern unbedingt ablegen sollten“ manchmal ganz gerne. Oft sind da ja auch ein paar kluge Sätze dabei. Da gibt es „6 Dinge zu tun, die Männer zu besseren Vätern machen“. Und auch Mütter können sich eigentlich pausenlos verbessern. Mittlerweile wird uns Eltern nahezu täglich in sämtlichen Medien ein Regelwerk vor die Füße geworfen, mit dem wir unser Elterndasein optimieren sollen.

Eigentlich kann da doch nur das Gefühl zurückbleiben, dass das, was wir jeden Tag mit unseren Kindern veranstalten, ganz schön defizitär sein muss. Dabei sind gerade die Eltern, die solche Listen oder Ratgeberartikel lesen, ohnehin schon meist diejenigen, die sich viele Gedanken darüber machen, wie sie mit ihren Kindern umgehen möchten. Und genau das ist wahrscheinlich wirklich wichtig – immer wieder zu reflektieren, was man so macht und sagt seinen Kindern gegenüber. Oder auch, was man ihnen im Alltag vorlebt.

Allein die Tatsache, dass unsere Kinder uns häufig spiegeln, sorgt dafür, dass wir unsere Baustellen schnell erkennen. Das Bauchgefühl sagt einem meist recht eindeutig, wenn man als Eltern komplett daneben liegt. Und dann sollte man etwas ändern oder sich, wenn nötig, auch bei seinem Kind entschuldigen. Kinder sind in der Regel sehr verständnisvoll und haben viel Geduld mit uns. Das starre Abarbeiten von Listen, die das optimale Elternverhalten aufzeigen, wollen sie ganz sicher nicht. Denn dann agieren wir doch nur noch als vielleicht freundliche Elternroboter. Und sind nicht mehr authentische Menschen, die den gleichen Gefühlen wie unseren Kinder ausgesetzt sind. Und halt mal mehr oder weniger gut damit umgehen können.

Es gibt keine Patentrezepte

Sicher weiß ich um die für die Entwicklung wichtige Autonomiephase einer Zweijährigen. Es nervt mich trotzdem manchmal ziemlich, wenn sie hier die Ansagen für alle macht und notfalls mit lautem Geschrei durchsetzt. Ich finde auch Vorlesen toll und wichtig. Aber dann und wann langweilt es mich trotzdem sehr. Ich habe gelegentlich auch keine Energie, dem hohen Mitteilungsbedürfnis der Großen immer mit echtem Interesse zu begegnen. Manchmal bin ich müde und genervt und reagiere entsprechend suboptimal auf die Belange meiner Kinder.

Trotzdem weiß ich auch in solchen Momenten theoretisch, dass sich diese Situation geschickter hätten lösen lassen können. Dafür brauche ich keine Do- oder Dont-Liste oder die zehn Zutaten, die zu glücklichen, selbstbewussten und kompetenten Kindern führen sollen – und natürlich zu entspannten und zufriedenen Eltern. Vermeintliche Kochrezepte für ein tägliches entspanntes Miteinander funktionieren im Familienalltag in der Regel ohnehin nicht. Dazu ist das Zusammenleben von sehr unterschiedlichen Menschen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen einfach zu komplex.

Deshalb ist wohl der einzig sinnvolle Tipp, sämtliche Listen und Artikel dieser Art immer nur als durchaus wertvollen Gedankenanstoß, aber nie als Patentrezept für den Umgang mit unseren Kindern zu sehen. Denn all die Verfasser dieser sicherlich auch schlauen Worte kennen weder uns noch unsere Kinder und unsere Lebenssituation. So können wir auch ganz wunderbare, empathische Eltern sein, wenn wir nur drei Kriterien der „Tolle Eltern-Top-Ten“ erfüllen.

Am besten sollte man wohl ohnehin seinen Kindern zuhören, was die so über unsere Elternqualitäten denken. Und wenn einen diese ganzen schlau geschriebenen Dinge, die bisweilen im Gießkannenprinzip über verunsicherte Eltern ausgekippt werden, gerade all zu sehr stressen und unter Druck setzen, sollte man sie vielleicht auch mal gar nicht lesen. Und stattdessen Vertrauen in die eigenen vorhandenen Elternkompetenzen und die Liebe zu unseren Kindern haben.

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