Es ist nicht egal, wie wir gebären

Vor ein paar Wochen durfte ich meine Freundin bei der Geburt ihres Kindes begleiten. Es war die erste Hausgeburt wieder, nachdem ich Anfang des Jahres im Kreißsaal einer großen Klinik gearbeitet hatte. Es war eine milde, ruhige und schöne Nacht durch die ich lief auf dem Weg zu ihr, nachdem ihr Mann bei uns angerufen hatte.

Bei unseren Freunden angekommen, empfing mich eine wundervolle und ruhige Atmosphäre. Nur ein paar Kerzen erhellten das warme Wohnzimmer, das auch später der Geburtsort des Babys sein sollte. Meine Freundin verarbeitet konzentriert und in sich ruhend Wehe für Wehe. Ihr Partner, die betreuende Hebamme und ich saßen einfach daneben und waren bei ihr. Keine Gespräche, die störten. Keine Türen, die auf und zu gingen. Keine Uhr im Blick und keine Zeit, die drängte. Keine Maßnahmen, die die Geburtsarbeit stören könnten. Und trotzdem gut begleitet durch Menschen die da sind, wenn wirklich Hilfe erforderlich sein sollte. Ein ideales Szenario für eine Geburt, bei der die Hormone so fließen können, wie sie sollten.

Und auch, wenn ich die Arbeit in Krankenhäusern an vielen Stellen sehr zu schätzen weiß, dachte ich mehrmals in dieser Nacht daran, dass so eine ruhige und intime Geburtsatmosphäre in einer Klinik nicht wirklich machbar ist. Die meisten Geburten bräuchten unter guten Bedingungen keine Interventionen von außen. Ruhe, Zeit und eine aufmerksame Begleitung sind in viele Fällen völlig ausreichend. Aber gerade das ist am kostenintensivsten und bringt am wenigsten Geld ein. Und so sehr man auch im Kreißsaal als Hebamme für Intimität sorgen möchte, so sehr wird man durch die äußeren Umstände immer wieder davon abgehalten. Weil man mehrere Frauen gleichzeitig betreut oder die geburtshilfliche Ambulanz zeitgleich mit versorgen muss. Weil einfach kaum Zeit bleibt für das Wesentliche.

Etwas, das ich mir für alle Frauen unter der Geburt wünschen würde

Manchmal passiert das, auch weil verschiedene Ansichten von Geburt und damit verbundene Grabenkämpfe aufeinander stoßen, auf Kosten der Frauen. Die Gründe sind vielfältig. Das, was Geburt eigentlich braucht, ist doch immer wieder gleich. Die Frauen benötigen einen Ort, an dem sie sich ungestört und geborgen fühlen. Die meisten Frauen möchten unter der Geburt nicht allein sein. Die Personen, die dabei sind, sollten aber vertraute Menschen sein.

Es ist sicherlich auch in der Klinik möglich, relativ ungestört zu sein und auch in kürzerer Zeit ein Vertrauensverhältnis zu den Geburtshelfern aufzubauen. Aber sowohl meine Erfahrung als Hebamme sowie die der meisten Kolleginnen ist und bleibt, dass es für ungestörte Geburten mit einer kontinuierlichen Betreuung in der Klinik zu wenig Zeit und zu wenig Personal gibt. In manchen Kliniken halten auch zum Teil eher willkürlich festgelegte als evidenzbasierte Routinemaßnahmen zusätzlich davon ab, dass die Frauen in ihren eigenen Flow kommen können, der eine Geburt gut voranschreiten lässt.

Mir ist klar, dass die Hausgeburt nicht für alle werdenden Eltern die passende Option ist, aber das, worum es vielen Hausgeburtsfrauen dabei geht, ist etwas, das ich mir für alle Frauen unter der Geburt wünschen würde. Denn ein „sich wie zu Hause fühlen“ ist im Kreißsaal noch viel, viel wichtiger als in einem Hotel, für das ja gerne mit Slogans dieser Art geworben wird. Eine Nacht mal schlecht zu schlafen ist sicherlich verschmerzbar. Eine Geburt, bei der ich mich als Frau ständig gestört oder allein gelassen fühle, hat viel weitreichendere und längerfristige Folgen. Denn es ist absolut nicht egal, wie wir gebären und wie wir geboren werden.

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Kommentare

9 Antworten zu „Es ist nicht egal, wie wir gebären“

  1. A
    Amanda

    Ich finde dass viele Frauen sich heutzutage mehr Gedanken über den richtigen Kinderwagen machen als über die Geburt an sich. Und das ist so unfassbar schade!

    Wir bekommen Anfang April unser erstes Kind, wenn alles klappt, in einem Geburtshaus. Ich bin so glücklich und beruhigt mit dieser Vorstellung und freue mich dass wir diesen Weg gesucht und gewählt haben. Die vier Hebammen machen im rollierenden System die Vorsorge-Termine, wir lernen uns kennen und bei der Geburt sind zwei die ganze Zeit anwesend bis das Kind da ist. Kein Schichtwechsel, kein Stress. Es dauert so lange wie es dauert. Im Falle von Komplikationen ist das nächste Krankenhaus nicht weit und die Hebammen gehen auch mit und betreuuen die Geburt von dort aus bis zum Ende.

  2. B
    Barbara Neumann

    Unseren ersten Sohn bekam ich 1982 innerhalb von 6 Stunden im Beisein einer Hebamme und meines Mannes ohne jegliche Medikamente und ohne Schnitt, der Arzt kam erst ganz zum Schluss und schaute mit zu. Ich freute mich schon auf die zweite Geburt in dem ländlich gelegenen kleinen Krankenhaus mit Einzelzimmer und Rooming – In. 1984 kam auch unser zweiter Sohn termingerecht wie der Erstgeborene. Die letzte Stunde war heftig, ich musste eine Stunde die Wehen verhecheln, da M. ein Sternenguckerkind war, mit dem Gesicht zuerst auf die Welt wollte. Mein Arzt war 5 Jahre in Afrika gewesen und konnte Kinder im Mutterleib wenden. Er hat eine Stunde lang das Gesichtchen bei jeder Wehe vorsichtig gedreht. Ich bekam keine Medikamente, nur zum Schluss hat er einen kleinen Schnitt gemacht, da der Neunpfünder doch kräftiger war als sein Bruder mit 8 Pfund. Erst vor dem Nähen mit 3 Stichen gab er mir eine kleine Spritze. Nach dieser Geburt durfte/musste ich selbstständig mit unserem Kind in mein Zimmer laufen. Diese Geburt haben wir erst recht nicht vergessen und ich bin froh, dass ich so gut aufgehoben und versorgt war.

  3. P
    Peikko

    Ich hatte „das große Glück“, vor der Geburt wochenlang auf Station zu liegen und während der Wehen nahezu lückenlos von einer mir vertrauten Hebammenschülerin begleitet zu werden. Es war eine traumhafte Komplikationslose Geburt- und trotzdem erwische ich mich, wie ich ab und zu denke: „Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich die Zwillinge auch Zuhause bekommen können“. Weil es eben ein unerfüllten Wunsch ist.

  4. S
    Sas

    Dein Text ist so wahr. Ich wünschte mir im Nachhinein, dass ich auch schon beim ersten Kind den Mut zur Hausgeburt gehabt hätte. Zu Hause war für mich und für das Baby alles so leicht und schön. Kein Vergleich zur ersten Geburt, bei der ich mich im Krankenhaus so allein fühlte und doch ständig durch Interventionen gestresst wurde. Es ist so traurig, dass die Möglichkeit der Hausgeburt abgeschafft werden soll. Für uns Frauen ein grober Einschnitt in unser Recht zur Selbstbestimmung.

  5. C
    Carmen

    Ich habe meine beiden Kinder im Spital geboren. Die erste Geburt war schrecklich, mit Schichtwechseln und Hebammen die mich ständig zu einer PDA überreden wollten. Die zweite Geburt ging 6h und war wundervoll, da so viel los war, dass wir quasi „ungestört“ waren. Ja, wie zu Hause wäre schön gewesen, für Risikoschwangerschaften immer noch sehr schwer.

  6. V
    Vanessa

    Ich habe letztes Jahr im September meine Tochter im Krankenhaus (hebammengeleiteter Kreissaal) geboren und ich muss sagen, es war eine wirkliche Traumgeburt. Ich konnte mich völlig auf den Geburtsvorgang einlassen und wurde von zwei tollen Hebammen begleitet. Keine Interventionen, keine Medikamente. Ich hatte sicher das Glück, dass ich in dieser Nacht die einzige Gebärende war und würde mir sehr wünschen, dass es mir bei einem zweiten Kind wieder so ergeht. Ich hatte genau die Balance an Ruhe und Begleitung, die ich in dieser Nacht gebraucht habe.

  7. K
    Kerstin Anna

    Ich hab im September Zwillinge bekommen und muss sagen, dass ich mir keine schönere Geburt vorstellen könnte.
    Bei Mehrlingen is bei uns (Ö) keine Hausgeburt möglich und ich hätte es mir selbst auch nicht vorstellen können. Ich war froh im Krankenhaus zu sein, da ich dort meine Ängste ablegen konnte. Ich wusste, wenn sich was zum negativen wendet bin ich medizinisch bestens versorgt und es geht keine Zeit verloren. Die Geburt selbst wurde ich von einer sehr jungen Hebamme (noch Studentin und die erste Zwillingsgeburt) nicht aus den Augen gelassen und ich fühlte mich pudelwohl
    Vielleicht gerade deswegen dass sie noch ganz frisch im Beruf war und sich alle Zeit der Welt nahm und auch nur für mich alleine zuständig war. Es war zwar so, dass in der Austreibungsphase 3 Hebammen, 1 Assistentsärztin und der Oberarzt bei mir waren aber ehrlich gesagt hab ich da so und so nichts mitbekommen

    Ich hatte sozusagen einen Klinikgeburt bei der ich mich wie zuhause fühlte

  8. S
    Silvia Meier

    Bei meinem jüngsten Kind hatte ich das Glück, nur mit der Hebamme im Kreißsaal zu sein. Das war vollkommen entspannt. Innerhalb von 25 Minuten war die kleine Maus auf der Welt. Sonntag morgens um 5:30 Uhr. Kein Doktor, der sich in irgendeiner Weise eingemischt hat. Nur die Hebamme und ich. Und dann auch noch mein Mann, welcher vollkommen abgehetzt ganze zwei Minuten zu spät kam….

  9. L
    Lena Dieckmann

    Meine zwei Kinder sind Zuhause geboren und beide Geburten waren so wunderschöne Erlebnisse für uns alle. Für mich gibt es keinen besseren Ort, um ein Kind zu begrüßen und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass auch unser nächstes (unsere nächsten…) Kind so entspannt in diese Welt gleiten kann. Hoffentlich finde ich auch in zwei Jahren noch eine Hebamme, die uns Zuhause begleitet. Und hoffentlich können auch meine Kinder später selbst über den Geburtsort ihrer Kinder bestimmen…

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