„Was hat es denn?“

Babys kommen zwar mit vielen Kompetenzen zur Kommunikation auf die Welt. Dennoch ist es für uns als Eltern nicht immer einfach, die Sprache unseres Kindes zu verstehen. Wir sind es als erwachsene Menschen gewohnt, Bedürfnisse aber auch Gefühle recht konkret verbal mitzuteilen und mitgeteilt zu bekommen.

Ein „Ich habe Hunger“ des Partners bekommt man mit, sogar wenn man gerade recht abgelenkt auf sein Smartphone schaut. Dann kann man überlegen, gemeinsam zu kochen. Und wenn nicht, wird sich der Partner in aller Regel gut selbst versorgen können.

Ein Baby hingegen ist für die Erfüllung seiner körperlichen und emotionalen Bedürfnisse absolut auf seine Bindungspersonen angewiesen. Und eben darauf, dass diese das Kind verstehen – anfangs auch völlig ohne Worte. Eltern stehen immer wieder vor dem Weinen oder anderen Unmutsbekundungen ihres Kindes und fragen sich, was ihr Kind wohl hat. Oder das Umfeld stellt diese Frage. So hört man als Eltern von bekannten oder fremden Menschen gerne mal ein „Was hat es denn?“, wenn ein Baby oder ein Kleinkind untröstlich weint.

Tränen dürfen auch einfach fließen

Ganz ehrlich: Oft wissen wir das als Eltern selbst nicht so genau. Meist spüren wir aber, was es jetzt braucht: Nähe, Trost und einfach unseren Halt auf vielen Ebenen. Das bewirkt nicht unbedingt, dass das Weinen gleich aufhört. Aber das muss es auch gar nicht. Die Tränen dürfen auch einfach fließen, während das Kind sich gehalten fühlt. Ganz egal, warum und weshalb.

Die Frage danach, was das Kind hat, sollte sich lieber darauf ausrichten, was das Kind gerade braucht. Und das darf der enge Körperkontakt sein genauso wie das „schon wieder an die Brust“. Auch das Schreien oder ein sich auf den Boden werfen des Kleinkindes sind okay, einfach weil es damit akut seine ganze Überforderung mit einer bestimmten Situation sehr unmittelbar zeigt.

Diese Situationen, in denen das eigene Kind so verzweifelt ist und wir als Eltern den Grund nicht so genau kennen, sind wirklich anstrengend. Bei sich zu bleiben, wenn dieser kleine Mensch im Arm so außer sich ist, kostet viel Kraft. Darum hat man dann auch keine Energie, noch die Fragen des Umfeldes nach der Ursache zu beantworten. Ein an der Supermarktkasse oder wo auch immer schnell dahin gesagtes „Oh, was hat es denn?“ von einem fremden Menschen verstärkt den Stress eher noch.

Auf der Suche nach Erklärungen

Eltern, die gerade ihr untröstlich weinendes Kind halten oder sich zu ihrem tobenden Kleinkind auf den Boden setzen, wissen zwar auch nicht immer, was ihr Kind gerade hat. Aber sie wissen, was es braucht oder versuchen es heraus zu finden. Das als Beobachter anzuerkennen oder gar zu fragen, ob die ihr Kind gerade so intensiv begleitenden Eltern selbst etwas brauchen, würde es so viel leichter machen.

Aber so sind wir Menschen irgendwie – immer auf der Suche nach Erklärungen. Doch gerade mit Kindern lassen sich viele Verhaltensweisen und Phasen nicht immer so einfach rational erklären. Es gibt etliche Gründe, weshalb Babys plötzlich unruhiger schlafen, häufiger weinen oder ihre Stillfrequenz hochfahren. Die Emotionen von Kleinkindern sind so oft nicht erklärbar oder kaum nachvollziehbar.

Und nicht für jedes Verhalten findet sich eine behebbare Ursache. Wir können dann keinem Plan folgen, der konkret sagt, was jetzt zu tun ist. Aber wir können einfach da sein und spüren, was das eigene Kind gerade braucht. Die Frage nach dem Warum beantwortet sich vielleicht später – oder einfach gar nicht. Aber das muss eben auch nicht immer der Fall sein.

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  • Babyernährung Buch - Autorin - Anja Contanze Gaca

Kommentare

6 Antworten zu „„Was hat es denn?““

  1. A
    An

    Danke, das empfinde ich genauso. Und bin überrascht und dankbar, wieviel Verständnis unser tobendes Zweijähriges (und wir) momentan oft erfahren. Da wird amüsiert geschmunzelt, die weggeworfenen Schühchen werden von Wildfremden wieder aufgehoben und uns gebracht, und tatsächlich wurde ich mehrmals schon gefragt, ob man mir etwas helfen könne. Ich war darüber immer ganz überrascht und gerührt, weil ich es von meiner ersten Tochter (damals allerdings Großstadt und anderes Land) nicht so in Erinnerung hatte.

  2. S
    Silvia

    Ich kann mich erinnern, mit schreiendem Baby, an der Kasse des Drogeriemarktes um die Ecke vorgelassen worden zu sein. Und nicht von genervten und vorwurfsvollen Kunden. Da fragte die Mutter mit Tochter vor mir: „Was hat sie denn? Hunger? Gehen sie ruhig vor uns, wir haben es nicht so eilig.“ Und schenkte mir ein wohlwollendes Lächeln. Danke dafür! Auch Mitgefühl und Verständnis findet man heute noch. Und auch wenn es nur eine kleine Geste ist, jemanden an der Kasse vorzulassen, zeigt es doch, dass jemand mitgedacht und geholfen hat.

  3. A
    Antje

    Ebenso wie man gern verstehen möchte, warum das Kind weint, könnte man auch überlegen, was hinter dem „was hat es denn“ steckt.
    Und würde überwiegend Mitgefühl finden von Menschen, die diese Situationen kennen! Zugegeben, das hilft in diesen Momenten nicht weiter, aber hier fängt das berühmte Dorf, das Kinder zum Aufwachsen brauchen, vielleicht schon an. Wir wollen unsere Kinder zu mitfühlenden Menschen erziehen und lehnen schon die einfachsten Äußerungen von Anteilnahme bei Erwachsenen ab? Vielleicht darf man da auch mal ein wenig großzügiger sein.

    1. S
      Simon

      Ein schnell dahin gesagtes „Oh, was hat es denn?“ ist meistens nicht mit echter Anteilnahme und Hilfsbereitschaft gleich zu setzen.

  4. S
    Susann

    Ich finde das total schwierig mit „grundlosem“ weinen umzugehen . Wut und Protest verstehe ich kann erklären oder trösten aber es gibt Tage da nimmt unsere 2-jährige jede noch so kleine Sache als Anlass zum weinen (meine Sicht der Dinge) und ich stehe da und frage „warum weinst denn du jetzt?“ (Klar dass sie das noch nicht neantworten kann) . Aber es fällt mir schwer sie dann in den Arm zu nehmen uns zu trösten, weil ich mich eigentlich ziemlich hilflos fühle in solchen Momenten und mich das wütend macht.

  5. C
    Carla

    Danke Anja, das tut gut das zu lesen! Das muss ich mir echt immer wieder sagen, denn wie du sagst- man sucht halt doch irgendwie immer nach einem Grund für das weinen oder das wüten.

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