Elterngespräche: Juliane und Jasmin über das Projekt Babylotse

Wir haben mit zwei Babylotsinnen gesprochen, die im Berliner Vivantes Klinikum Neukölln arbeiten. Juliane Wittekop (35), ist Diplom-Rehabilitationspädagogin und lebt seit 13 Jahren in Prenzlauer Berg, kommt ursprünglich aber aus Brandenburg. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne im Alter von neun Jahre und zwölf Monaten. Ihre Kollegin Jasmin Lösche ist 33 Jahre alt, wohnt in in Berlin Schöneberg und hat einen 13-jährigen Sohn
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Juliane habe ich mit ihrem Baby zufällig in einem Café getroffen, wo sie mir erzählte, dass sie als Babylotsin arbeitet. Kennen gelernt habe ich dieses Projekt schon im Jahr 2016 während meiner Kreißsaalarbeitszeit. Doch viele (werdende) Eltern aber auch Fachpersonal kennen dieses wichtige Präventionsprogramm zur frühen Gesundheitsförderung und zum Schutz von Kindern vielleicht noch nicht. Deshalb möchten wir diese wichtige Arbeit heute auf dem Blog vorstellen. Das Projekt Babylotse gehört zu den Frühen Hilfen und wird neben Berlin auch in anderen Bundesländern angeboten.


Wie lange arbeitet ihr schon als Babylotsin? Was habt ihr beruflich davor gemacht?
Juliane: Ich arbeite seit Herbst 2015 als Babylotsin im Vivantes Klinikum Neukölln. Meine erste Stelle nach dem Studium habe ich 2012 in einer Mutter-Kind-Einrichtung begonnen. Dort habe ich im Rahmen der Jugendhilfe junge Mütter mit ihren Babys beim Start ins Leben begleitet. Die erste Zeit habe ich dort im Rahmen der 24-Stundenbetreuung in einer WG gearbeitet und bin anschließend ins Betreute Einzelwohnen gewechselt.
Jasmin: Ich arbeite seit Januar 2017 als Babylotsin. Vorher habe ich wie Juliane bei einem freien Träger im stationären Mutter-Kind-Bereich gearbeitet.

Wie wird man überhaupt Babylotsin? Welche Voraussetzungen muss man mitbringen?
Juliane: Als Babylotsin kann man mit einem Sozialpädagogikstudium oder als Hebamme mit einer Zusatzqualifikation arbeiten. In beiden Fällen empfiehlt es sich, etwas Berufserfahrung zu haben und ein wenig Kenntnis über die Landschaft der Frühe Hilfen. Ich selbst bin damals über eine Stellenanzeige auf die Babylotsen aufmerksam geworden. Da ich mich beruflich verändern wollte, habe ich mich auf diese Stelle beworben. Sseitdem arbeite ich hier in der Klinik. Die vorherige Arbeit in der Jugendhilfe kam mir sehr zugute, da ich bereits einen guten Einblick ins soziale Netzwerk und Erfahrung in der Berliner Landschaft der unterschiedlichen Hilfen sammeln konnte.

Unterstützungsbedarf ermitteln und passende Hilfe vermitteln

Jasmin: In meinem Fall kam Juliane auf mich zu und fragte, ob ich nicht Lust hätte, sie während ihrer Elternzeit zu vertreten. Da ich sowieso etwas Neues anfangen wollte und ich den Beruf sehr spannend fand, habe ich mich beworben. Hat geklappt! Man sollte ein abgeschlossenes Studium im sozialpädagogischen Bereich haben, manchmal sind auch Hebammen als Babylotsen tätig. Kenntnisse im Mutter-Kind-Bereich sollte man mitbringen und sich unbedingt im sozialen Netzwerk sehr gut auskennen.


Was sind die Aufgaben einer Babylotsin?
Juliane: Unsere Aufgabe ist es, die Frauen und Familien, die ihre Kinder bei uns in der Klinik bekommen möchten, umfassend und bedarfsgerecht zu beraten. Wir schauen gemeinsam mit ihnen, welchen Unterstützungsbedarf sie haben und vermitteln die passende Hilfe. Dies kann die Unterstützung einer Hebamme sein, die Information über die Angebote für Familien in ihrer unmittelbaren Umgebung, aber auch die Installierung einer Haushaltshilfe oder die Vernetzung zum Kinder- und Jugendgesundheitsdienst. Manchmal reicht es aber auch, wenn wir den Familien einen Überblick über die ganzen organisatorischen und behördlichen Angelegenheiten geben. Denn nach der Geburt eines Kindes gibt es ja bekanntlich einiges zu tun. Von der Anmeldung beim Standesamt, über den Elterngeldantrag bis hin zum Antrag für Kindergeld. Wenn wir Familien mit Unterstützung versorgt haben, kontaktieren wir die Familien (nach Absprache mit ihnen) im Anschluss nochmal nach einem gewissen Zeitraum und schauen, ob es den Familien gut geht oder ob sie weitere Hilfe benötigen.

Angebot ist für Familien freiwillig und kostenfrei


Wie werden Babylotsen an die Eltern vermittelt? Von wem wird die Leistung finanziert?  

Juliane: Grundsätzlich können sich alle (werdenden) Eltern mit einem Beratungsbedarf oder Fragen an uns wenden. Unser Büro ist in der Klinik zentral neben der Schwangeren-Ambulanz, und in der ganzen Klinik hängen Poster mit unserer Telefonnummer aus, so dass die Familien gut auf uns aufmerksam werden und sich oft selbst an uns wenden. Wenn die Frauen in der Schwangerschaft einen Termin in der Klinik zur Anmeldung der Geburt oder bei medizinischen Schwierigkeiten haben und währenddessen deutlich wird, dass es einen Beratungsbedarf gibt, sprechen die Schwestern, Ärzte und Ärztinnen oder Hebammen uns meist direkt an und schauen mit den Familien in unserem Büro vorbei oder rufen uns unter Umständen an. Wenn die Frauen dann zur Geburt in die Klinik kommen, schauen wir uns gemeinsam mit den Hebammen und Ärtzen sowie Ärztinnen die Sozialanamnese an. Wenn sich daraus ein Beratungs- oder Unterstützungsbedarf ergibt, besuchen wir die Familie direkt auf der Wochenbettstation. Unser Angebot ist für die Familien freiwillig und kostenfrei. Bisher mussten die Kliniken hier in Berlin die Finanzierung der Babylotsinnen selbst organisieren. Meist lief das über Spendengelder. Wir in Neukölln haben das große Glück, über den Bezirk Neukölln aus den Bundesmitteln der Frühen Hilfen finanziert zu werden. Seit Januar 2018 macht sich auch der Berliner Senat für die Finanzierung stark und wird zukünftig die Berliner Kliniken unterstützen.
Jasmin: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Viele Familien, die sich bei uns melden, haben unser Angebot auf der Internetseite oder in der Klinik das Plakat gesehen. Manchmal geben Hebammen unsere Kontaktdaten an die Frauen weiter. Manchmal geben uns Stationsschwestern oder Ärzte einen Hinweis, dass eine Mama etwas Unterstützung bracht. In unserer Klinik geben die Frauen/Familien in einer sozialen Anamnese bestimmte Faktoren an, die uns dazu bewegen, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Für die Familien ist das Angebot selbstverständlich kostenfrei und absolut freiwillig.


Was gefällt euch besonders gut an der Tätigkeit? 
Juliane: Ich finde die Arbeit in der Klinik großartig! Es macht Spaß, mit den verschiedenen Familien und den unterschiedlichen Professionen zusammen zu arbeiten. Dadurch ist der Job total vielseitig. Es ist sehr schön, die Familien in der so aufregenden und sensiblen Zeit begleiten zu dürfen und zu beobachten, wie aus einer Frau eine Mutter und aus einem Paar eine Familie wird. Diese Zeit ist einfach so wahnsinnig intensiv, es gibt so viele Fragen und Unsicherheiten, so viel Neues, da ist es schön, dass wir die Frauen mit unserem Wissen versorgen können und sie sich auf ihr Baby konzentrieren können.
Jasmin: Diese unglaubliche Vielfältigkeit der Familien. Man lernt hier nie aus, seien es kulturelle Gegebenheiten sowie der medizinische Beigeschmack. Man hat mit so vielen Menschen zu tun und jeder Tag ist anders, das macht die Arbeit so spannend.

Hebammenmangel beeinflusst auch Babylotsinnen


Gibt es auch schwierige Situationen im Arbeitsalltag?
Juliane: Schwierige Situationen in unserem Arbeitsalltag sind oft die Tage, an denen alle gleichzeitig etwas von uns wollen, dann kann es schon mal stressig werden. Schwierig ist auch, wenn wir Familien in der Klinik haben, die psychosozial ziemlich belastet sind und viele Themen mitbringen, die bearbeitet werden müssen. Das erfordert oft Fingerspitzengefühl, viel Geduld und Kraft.
Jasmin: Ui, auch hier hätte ich mehrere Antwortmöglichkeiten. Das erste ist, wenn auf einmal alle was von dir wollen. Die Schwester, der Chef und dann noch zwei Familien gleichzeitig. Dann wird es zeitlich eng… Aber auch, wenn sich herausstellt, dass ein Baby auf Grund verschiedenster Problematiken nicht bei der Familie bleiben kann.

Hat der aktuelle Hebammenmangel Auswirkungen auf Deine Tätigkeit?

Juliane: Ja, leider! Es rufen uns viele Frauen an, die keine Hebamme finden und bitten uns um Unterstützung bei der Suche. In manchen Fällen können wir doch erfolgreich eine Hebamme vermitteln, da wir mit verschiedenen Hebammen eng zusammenarbeiten und diese uns eine Rückmeldung geben, wenn sie doch noch Kapazitäten haben. Aber oft sind wir auch machtlos.
Jasmin: Absolut! Unsere Liste ist lang von Frauen, die partout keine Hebamme finden können! Selbst die, die seit Beginn der Schwangerschaft verzweifelt auf der Suche sind. Dabei ist es so wichtig, dass wenigstens im Wochenbett eine Betreuung vorhanden ist, denn genau da tauchen die meisten Schwierigkeiten auf! Wir sind sehr dankbar, dass wir Hebammen haben, die sich bei uns melden, wenn freie Kapazitäten verfügbar sind. Wir haben sogar eine, die eigentlich schon in Rente ist und auf Grund der schlechten Lage noch Frauen übernimmt. Wir befürchten, dass es leider noch schlimmer wird, statt besser.


Wo kann man sich informieren, wenn man selbst Babylotsin werden möchte? 
Juliane: Gern bei uns oder auf den Internetseiten der jeweiligen Kliniken!


Wo können sich Eltern informieren, die die Unterstützung durch eine Babylotsin in Anspruch nehmen möchten?
Juliane: In Berlin gibt es noch nicht an allen Kliniken die Babylotsinnen. Die Familien können auf der jeweiligen Klinikseite der Geburtsmedizin schauen. Dort sind in der Regel die E-Mail-Adressen und Telefonnummern hinterlegt. Die Familien können die Babylotsinnen dann gern einfach kontaktieren.
Jasmin:Man kann auch einfach mal googeln, da kommen mittlerweile jede Menge Infos. Es gibt sogar schon einen Wikipedia-Eintrag.

Aktuelle Kliniken in Berlin mit Babylotsenangebot sind:

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