Immer wieder lese ich unter geteilten Artikeln zum Hebammenthema auch kritische Stimmen. Es sind Menschen, die sagen, dass eh keiner Hebammen braucht. Dass die Hebamme ihnen ohnehin nicht helfen konnte. Oder womöglich sogar alles noch schlimmer gemacht hat. Wenn dann weiter nachgehakt wird, steht fast immer eine persönliche Geschichte hinter diesen Worten, in deren Kontext es schlechte Erfahrungen mit Hebammen gab – ob bei der Geburt oder im Wochenbett.
Ein bisschen trifft mich das auch immer persönlich, weil ich ja nun mal eine Hebamme bin. Es lässt mich nicht kalt, wenn da einer schreibt: „Hebammen sind blöd und überflüssig“. Rational betrachtet muss ich mir den Schuh natürlich nicht anziehen, weil nicht ich in dem Fall die Hebamme war, die dieses Bild von unserem Beruf für diese Frau geprägt hat.
Ich bin natürlich auch nicht unrealistisch und weiß, dass es Kolleginnen gibt, die wirklich das Gegenteil von guter Arbeit machen. So wie es diese Menschen in wohl jedem Beruf gibt. Ich glaube aber, dass bei uns die Tragweite von schlechter Arbeit besonders hoch ist. Denn die Zeit rund um die Geburt ist für viele Frauen etwas, das sie nur einmal oder zumindest wenige Male in ihrem Leben erleben. Und es ist wohl mit die emotional aufgeladenste Zeit im Leben. Dafür sorgen schon allein die Hormone, aber nicht nur die. Es ist eine Zeit, in der wir Frauen gleichzeitig stark aber auch verletztlich wie nie zuvor sind.
Erfahrungen im Kreißssaal prägen fürs Leben
Erfahrungen aus dieser Zeit prägen nicht selten ein Leben lang. Dazu gehört auch das Bild, was eine Familie dadurch von Hebammen bekommen hat. Selbst meine eigene Mutter war zunächst skeptisch, als ich eines Tages verkündete, dass ich Hebamme werden will. Ihre Erfahrungen im Kreißssaal waren geprägt von einer sehr bestimmten und wenig feinfühligen Hebamme, die ihr unter Wehen nur ein „Stell Dich nicht so an, Mädchen“ an den Kopf knallte. Den Zahnarzt, der einen nicht gut und einfühlsam behandelt, kann man vielleicht irgendwann vergessen. Die ruppige Hebamme wahrscheinlich nicht. Und wohl deshalb wird selten pauschal gesagt, dass alle Zahnärzte blöd sind, wenn man als Patient mit der Behandlung nicht zufrieden war.
Klar, man kann sagen, dass jeder irgendwie darauf angewiesen ist, zum Zahnarzt zu gehen. Spätestens dann, wenn man Beschwerden hat. Aber auch im Kontext einer Geburt kann man der Hebamme nicht so wirklich aus dem Weg gehen. Zumindest nicht, wenn man eine fachliche Begleitung unter der Geburt möchte und keine Alleingeburt in Erwägung zieht. In Deutschland gibt es die Hinzuziehungspflicht zur Geburt. Das heißt, dass auch ein Arzt immer eine Hebamme zur Geburt hinzurufen muss. Frauen, die sich also zur Geburt in eine Klinik begeben (was derzeit 98 Prozent aller Frauen tun), werden dort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Hebamme stoßen.
Auch in der Schwangerenambulanz und auf der Wochenbettstation arbeiten meist Hebammen. Ob man die Dienste einer freiberuflichen Hebamme in der Schwangerschaft und im Wochenbett in Anspruch nimmt, kann man sich hingegen aussuchen. Wobei das so auch nicht stimmt, weil mittlerweile die Frauen, die eine Hebamme für diese Zeit haben möchten, allzu häufig keine mehr finden. Und das gilt selbst dann, wenn sie sich frühzeitig kümmern.
Solche Sätze machen eigentlich nur Angst
Den Hebammen ganz aus dem Weg zu gehen, ist also hierzulande nicht so einfach. Deshalb finde oben beschriebene Verallgemeinerungen immer etwas problematisch. Und zwar sowohl für die Frauen, die sich entscheiden, zur Geburt in ein Krankenhaus zu gehen oder sich von einer freiberuflichen Hebamme begleiten zu lassen. Denn solche Sätze machen eigentlich nur Angst. Und sie bieten keine Alternative an.
Ganz klar bin ich auch der Meinung, dass schlechte Arbeit nicht schön geredet werden darf. Am besten kommt die berechtigte Kritik auch bei demjenigen an, den sie betrifft. Aber oft ist das nicht der Fall. Den Satz mit den blöden Hebammen irgendwo im Netz geschrieben wird diese Kollegin wahrscheinlich niemals lesen. Und wenn doch, wird sie sich wahrscheinlich nicht angesprochen fühlen.
Es ist richtig und wichtig zu sagen, wenn mit mir oder meinem Kind nicht achtsam und gut umgegangen wurde. Am besten direkt, in dem Moment, in dem es passiert. Aber genau das ist oft in der Ausnahmesituation Geburt nicht machbar. Und auch hinterher sind manchmal die Kraft oder der Mut dafür nicht da. Aber wenn es möglich ist, etwas zu sagen – dann am besten direkt jenen Menschen, die es unmittelbar betrifft. Denn ich glaube, dass sich letztlich nur so etwas ändern kann. Damit möchte ich eigene, vielleicht auch mehrfach gemachte schlechte Erfahrungen nicht kleinreden. Doch es sind nie „alle…“, weil in jedem Beruf ganz viele unterschiedliche Menschen arbeiten. Und Hebamme eben nicht gleich Hebamme ist, genausowenig wie Mutter gleich Mutter ist.
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