Immer wieder stellen sich Eltern die Frage ob eine bedürfnisorientierte Erziehung auch mit mehreren Kindern funktioniert. Denn mit einem Kind hat man ja vielleicht genug Zeit, auf dessen Bedürfnisse adäquat einzugehen – aber wenn zwei oder drei Kinder gleichzeitig etwas von mir möchten, wird es doch schon komplizierter, oder?
Haben Eltern gute Erfahrungen beim ersten Kind mit diesem Weg gemacht, stellt sich wahrscheinlich nicht die Frage, es bei weiteren Kindern anders zu machen.
Ob Stillen, Tragen, nah beieinander schlafen und andere elterliche Möglichkeiten auf die Bedürfnisse einzugehen: Was sich bewährt hat, kommt auch beim nächsten Kind zumindest probeweise zur Anwendung.
Das erste Kind ist ja immer so ein bisschen der Testballon für Eltern. Man wurschtelt sich so durch, um den Weg zu finden, sein Kind beim Aufwachsen zu begleiten, mit dem man sich wohl fühlt. Und wird diesen Weg so oder so ähnlich wieder gehen.
Trotzdem wird vieles anders sein
Trotzdem wird vieles anders sein, schon allein, weil man nicht mehr die Mutter oder der Vater ist, die oder der man noch beim ersten Kind war. Meist ist das aber ein Vorteil, denn die gewonnene Sicherheit spüren natürlich auch die Kinder. Das Gefühl, dass ein neues kleines Baby ebenso viel Nähe und Geborgenheit braucht, ändert sich auch bei Kind zwei oder drei nicht.
Und gerade die Bedürfnisse eines noch sehr kleinen Babys und die seiner größeren Geschwister lassen sich mit viel Tragen und Stillen doch ganz gut vereinbaren. So ist das Baby einfach zeitlich ungebunden mit dabei, während der Alltag für die restliche Familie mehr oder weniger normal weiter geht.
Eltern dürfen Fehler machen
Was definitiv schwieriger wird, ist die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und mit dem Familienleben unter einen Hut zu bekommen. Oder zu akzeptieren, dass es eine Zeit lang schwierig ist und sich das aber absehbar wieder ändern wird. Denn Zeit, ob zum Ausruhen oder für Aktivitäten außerhalb des Familienlebens wird definitiv mit jedem weiteren Kind ein knapperes Gut.
Aber ob Tragen oder Kinderwagen, Familienbett oder Kinderbettchen, Windelfrei oder Wegwerfwindel – ein bedürfnisorientierter Weg ist so viel mehr als all das. Der Kernpunkt ist und bleibt, die Kinder wahrzunehmen und anzunehmen, wo und wie sie gerade sind. Und auch sich selbst.
Eltern werden immer wieder an Punkte kommen , an denen das nicht so gut gelingt. Meist passiert das immer dann, wenn persönlicher Stress und Druck besonders groß sind. Doch Eltern dürfen auch Fehler machen. Fehler, für die sie geradestehen und sich gegebenenfalls entschuldigen. Und dann muss geschaut werden, wo und wie die Akkus wieder aufgefüllt werden, damit es allen in der Familie gut geht.
So viel mehr als Stillen und Tragen
Dieses Hinterfragen von dem, was ich tue und von dem, was mein Kind mir durch sein Tun sagen will – das ist noch mal viel mehr bedürfnisorientiert als nur Stillen und Tragen. Mit älteren Kindern kommen ganz neue und viel komplexere Bedürfnisse und Fragen auf Eltern zu. Und die lassen sich nun mal nicht mehr mit dem Tragetuch oder dem Familienbett beantworten. Aber auch wenn es schwierig ist, hat diese geborgene und nahe Babyzeit sicherlich eine gute Grundlage geschaffen, um mit Schwierigkeiten gemeinsam umzugehen.
Was definitiv mit jedem Kind wichtiger wird, ist die Hilfe von außen. Ob das Partner_innen, Großeltern, eine gute Kita, der Essenslieferdienst oder die Reinigungskraft ist. Ohne Hilfe geht es nicht. Denn die elterlichen Energiereserven sind zwar groß, aber nicht unerschöpflich. Deshalb ist es auch legitim, in Stresssituationen das Geschwisterkind mal vor dem iPad zu parken, anstatt gemeinsam etwas pädagogisch Wertvolles zu basteln. Wenn man dadurch etwas Zeit zum Ausruhen und Runterkommen kriegt, weil das Baby vielleicht gerade ohnehin schläft, ist das am Ende für alle mehr wert als ein neues Kastanienmännchen.
Ein lebenslanger Lernprozess
Elternsein ist ein lebenslanger Lernprozess, bei dem es wahrscheinlich am allerwichtigsten ist, immer wieder sein Tun zu hinterfragen. Besonders dann, wenn man sich gerade fragt, warum das eigene Kind momentan so extrem anstrengend ist. Auch ohne Bücher und ohne Fachleute findet man so meist schnell heraus, was das Kind wirklich braucht. Oder man selbst.
Ein bedürfnisorientierter und liebevoller Umgang in der Familie wird also sicher nicht von der Anzahl der Kinder bestimmt. In größeren Familien wird es vielleicht lauter, chaotischer und unordentlicher sein. Wahrscheinlich gibt es auch weniger Zeit und Geld für jeden Einzelnen. Aber sicherlich nicht weniger Nähe, Liebe und Geborgenheit für kleine und große Familienmitglieder.
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