Nicht immer liegt die Familienplanung in unserer Hand. Der Wunsch nach einem weiteren Kind aber schon. Nicht selten stellt sich dieser ganz langsam ein, wenn die Nächte wieder ruhiger sind. Wenn die Klamotten sauberer und die ersten Auszeiten vom Elterndasein ganz gut funktionieren.
Die Natur sorgt scheinbar dafür, dass Eltern selektiv den anstrengenden Teil der Babyzeit doch etwas vergessen. Genauso kann kaum eine Frau noch konkret nachvollziehen, wie sich die heftigen Wehen in der Übergangsphase eben gerade anfühlten, wenn das Baby kurze Zeit später geboren ist. Die Hormone spielen dabei natürlich auch eine große Rolle.
Den Thron teilen
Trotzdem ist gerade das zweite Kind noch mal eine elterliche Herausforderung. Denn statt sich darüber zu sorgen, wie man das winzig kleine Baby anfasst oder ob es genug trinkt, muss man nun die Familienkonstellation ganz neu sortieren. Das „heilige Erstgeborene“, dass doch gerade selbst noch ein Baby war, muss den Thron nun teilen. Bei den eher kurzen Geburtenabständen kollidiert das meist noch mit dem Höhepunkt der kindlichen Autonomie-Entwicklung. Und so finden sich Eltern sich plötzlich zwischen zwei Kindern mit großen, aber ganz verschiedenen Bedürfnissen wieder. Dazu kommt der erneute Schlafmangel und noch weniger Auszeiten für die Eltern.
Viele Eltern spüren auch das „schlechte Gewissen“ nun öfter. Gegenüber dem Baby, das niemals soviel Exklusivzeit wie Nummer Eins haben wird. Gegenüber dem großen (und doch noch kleinen) Kind, das gerade an an manchen Stellen zurückstehen muss oder nicht mehr ganz so gelassen begleitet werden kann. Denn mit Schlafmangel und Co. gelingt es selbst den entspanntesten Eltern nicht immer, entsprechend einfühlsam zu reagieren. Und dann liest man auch noch in einem Elternratgeber, dass sich die Ankunft des neuen Babys für das Erstgeborene in etwa so anfühlt, wie wenn der Partner eines Tages nach Hause kommt und sagt: „Schatz, das ist meine neue Freundin. Die wird jetzt auch bei uns wohnen. Ich hab‘ dich aber trotzdem ganz lieb.“
Geburt und Wochenbett vorbereiten
Aufgrund der nun doppelten Belastung vergessen Eltern vergessen allzu oft sich selbst dabei. Vorher hatte ein Elternteil auch mal „frei“. Nach der Geburt des zweiten Kindes, sind beide gleichzeitig mehr gefordert. Denn während die Wöchnerin stillt, wird das große Kind das andere Elternteil vermehrt fordern mit seinen Bedürfnissen. Dazu kommen die üblichen Wochenbettaufgaben wie Essensversorgung, Behördengänge und Haushalt, während die Mutter sich idealerweise von der Geburt erholt.
- Deshalb ist die beste Empfehlung, sein Helfernetzwerk schon in der Schwangerschaft entsprechend zu erweitern. Das können die Großeltern, befreundete Kitaeltern oder auch ein bezahlter Babysitter sein. Es geht nicht darum, das große Kind „abzuschieben“. Aber es tut den Großen gut, wenn ab und zu mal jemand da ist, der sich entspannt kümmert, während zu Hause doch primär das Baby den Ton angibt. Außerdem gibt es den Eltern auch mal etwas Zeit, die sie nur mit dem neuen Familienmitglied verbringen können. Selbst wenn das in Form eines gemeinsamen Mittagsschlafes passiert. Aber auch Entlastung im Bereich Haushalt, Einkaufen und Kochen ist Gold wert.
- Auch sollte schon vor der Ankunft des Babys organisiert sein, was die Rolle des anderen Elternteils während der Geburt ist. Denn gleichzeitig die großen Kinder hüten und aufmerksamer Geburtsbegleitung sein, das funktioniert nicht. Plant also verlässlich, wie das Geschwisterkind unter der Geburt betreut ist. Das heißt nicht, dass es dafür ausquartiert werden muss. Aber es sollte unter der Geburt einen verlässlichen, ihm gut bekannten Ansprechpartner haben. Auch ist die Geburt des Geschwisterchens nicht die ideale Situation, in der das große Kind das allererste Mal irgendwo ohne seine Eltern übernachtet. Es ist manchmal nicht so leicht, eine verlässliche Bezugsperson zu finden, die im Geburtszeitraum auf Abruf bereit steht- organisiert das rechtzeitig. Am besten mit einem Plan B, falls eure Betreuung kurzfristig ausfällt.
- Auch sollte man sicherheitshalber einkalkulieren, dass die Geburt vielleicht länger dauert. Oder dass sie sich aufgrund von Komplikationen anders gestaltet als geplant bzw. eine Verlegung erfordert. Vielleicht ist auch manchmal der Vater die beste Betreuung für das große Kind und eine liebe Freundin übernimmt die Geburtsbegleitung. Das Idealszenario ist immer individuell und muss jede Familie für sich finden. Aber vor allem die Gebärende selbst muss sich wohl damit fühlen, um sich entspannt auf die Geburt des „neuen“ Kindes einzulassen. Wenn sich Frauen unter der Geburt um die Großen sorgen, kann das wie eine „Wehenbremse“ wirken.
- Das Geschwisterkind kann eventuell auch bei der Geburt anwesend sein, wenn es für die jeweilige Familie passt. Gerade im Geburtshaus oder zu Hause ist das meist gar kein Problem. Ich habe als Hebamme auch schon Geburten im Kreißsaal mit anwesenden Geschwistern erlebt. Da es aber dort oft keinen zweiten Rückzugsraum für das Kind und dessen Begleiter gibt, ist es sicher schwieriger zu organisieren. Die Kinder dürfen und sollen selbst entscheiden, inwieweit sie bei der Geburt dabei sein möchten, entsprechend vorbereitet und in Absprache mit den Wünschen der Mutter.
- Die Umstellung von zwei auf drei Kindern ist meist nicht mehr so groß, wie wenn sich die Familie von einem auf zwei Kinder erweitert. Geschwister spielen vielleicht sogar mehr miteinander, wenn die Eltern mit der ganzen Organisation rund um den kleinsten Familienzuwachs beschäftigt sind. Trotzdem ist der Spruch „Die dritten, vierten… Kinder laufen einfach so mit“ unpassend, denn kein Kind läuft einfach nur so mit. Immer ist da erst mal ein kleiner Mensch mit ganz vielen Bedürfnissen. Die wollen genauso prompt wahrgenommen werden wie beim ersten und zweiten Kind.
- Ein zweites, drittes oder viertes Kind wartet auch nicht mit dem Hunger. Oder schläft länger am Stück. Es ist genauso Baby wie alle anderen Babys.
Natürlich wächst der Erfahrungsschatz der Eltern mit jedem Kind. Die anfänglichen Sorgen, die einen als Ersteltern so verunsichern, sind sicher wesentlich weniger. So lassen sich die tollen Aspekte der Babyzeit bestimmt etwas mehr genießen. Allerdings muss man sich parallel den Herausforderungen mit den größer werdenden Geschwistern stellt. Aber letztendlich ist jedes Kind auch wieder anders und die Babyzeit wird entsprechend mehr oder weniger anstrengend sein.
Schreibe einen Kommentar