Vor kurzem schrieb eine Schwangere zurück, nachdem auch ich ihr für den Sommer keine Betreuung mehr zusagen konnte: „Und jetzt?“ Sie bekam „nur“ eine von über 90 Absagen, die ich im letzten Monat vergeben musste. Die Frage „Und jetzt?“ stelle ich mir übrigens seit Jahren, wenn ich auf die Versorgungssituation mit Hebammenhilfe schaue. Ich schreibe nun seit über drei Jahren hier immer wieder über dieses Thema, aber nichts wird besser. Stattdessen schließt wieder irgendwo eine Klinik und ich frage mich: „Und jetzt?“. Wieder gibt eine Kollegin ihren Beruf auf. Zuletzt eine Freundin, mit der ich seit vielen Jahren in Vertretung zusammengearbeitet habe.

Ausschlaggebend für ihren Entschluss, ab Herbst ein Studium zu beginnen und sich damit beruflich neu zu orientieren, war ein zermürbender Streit mit der Krankenkasse bezüglich der Fahrtkosten, die diese nicht erstatten wollte. Meine Kollegin ist laut Sachbearbeiterin nicht die kürzeste Strecke gefahren. Dass diese kürzeste Strecke mitunter einen zeitlichen Mehraufwand von 30 bis 40 Minuten bedeutet, interessierte sie nicht. Ich kenne diese zermürbenden Diskussionen um drei Euro mehr oder weniger nur zu gut. Meist lasse ich diese Rechnungskürzungen auf sich beruhen, weil es so viel Energie und Zeit kostet. Meine Freundin sagt, sie hat keine Kraft und keine Lust mehr auf diese ganzen Rahmenbedingungen und das ewige Kämpfen. Mit Anfang 40 hat sie noch rund 30 Berufsjahre vor sich und die Hebammenarbeit ist einfach keine Perspektive mehr. Und obwohl es mir leid tut, sie als Kollegin zu verlieren, muss ich ihr in jedem der genannten Punkte recht geben.

Die Kolleginnen in der Klinik sind am Limit. In der Freiberuflichkeit sieht es nicht besser aus. Die Frauen sind unterversorgt. Ich bekomme mehrmals die Woche Anfragen wegen Stillproblemen von Frauen, die ohne Hebammenbetreuung aus der Klinik entlassen worden sind. Natürlich gibt es auch genug Frauen, die das Wochenbett ohne Hebamme gut hinbekommen. Aber für die Frauen, die Bedarf haben, ist es wirklich eine Katastrophe, wenn sie ohne Hilfe dastehen. Denn was sind die Alternativen? Sich mit dem Neugeborenen zum Gynäkologen oder in die Kinderarztpraxis zu setzen? Und bekommen sie da überhaupt die Beratung, die sie benötigen?

Ich weiß es nicht und so gebe ich neben dem Kontrakt zu einer Kollegin mit hoffentlich noch freien Kapazitäten immer weiter, bitte auch mal bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen. Denn schließlich ist die Frau dort Kundin und hat Anspruch auf Hebammenleistungen. Also dürfen die Krankenkassen auch gerne bei der Suche behilflich sein. Mittlerweile tun sie das dann und wann sogar. Einige meiner Kolleginnen wurden bereits von Krankenkassenmitarbeitern auf Hebammensuche kontaktiert. Genauso wie Leiharbeitsfirmen sich melden, um zu fragen, ob man kurzfristig in unterbesetzten Kreißsäälen einspringen kann. Natürlich sind das auch nur hilflose Aktionen, denn die wenigsten Hebammen sitzen gelangweilt zu Hause, sondern sind bereits bis einschließlich Oktober ausgebucht. Oder hören eben ganz auf, wie meine Freundin und Vertretungskollegin…

Bereits im Juli letzten Jahres fragte ich „Herr Gröhe, haben Sie eine Antwort für diese Familien?“ – und auf die Antwort warten viele Familien und Hebammen allerdings noch immer.

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Kommentare

10 Antworten zu „Keine Hebamme – und jetzt?“

  1. O
    Olga

    Das ist ein toller Beitrag! Die Frage „Und jetzt?“ habe ich auf der Suche nach einer Wochenbettbetreuung vielen Hebammen auch gestellt. Mein ET ist Ende Juli 2016, Beginn der Ferienzeit in BaWü, und dann haben mein Mann und ich die „törichte“ Idee, noch vor der Geburt in die Nähe meiner Eltern zu ziehen. Durch den geplanten Umzug in einen anderen Landkreis bzw. die damit verbundene Wohnungssuche konnte ich mich erst ab SSW 20 auf Hebammensuche machen als unser künftiger Wohnort endgültig feststand. Das war wohl auch keine so gute Idee. Mittlerweile habe ich alle 30 Hebammen aus dem näheren und weiteren Umkreis unseres künftigen Wohnortes angerufen und eine Absage nach der anderen bekommen und mich mittlerweile damit abgefunden, mein erstes Kind alleine ohne Wochenbettbetreuung zu versorgen. Die Hebammen können gar nichts dafür und waren alle sehr zuvorkommend und freundlich, jedoch stehe ich ab August mit meinen Fragen dennoch alleine da. Auch die einzige Hebammenpraxis, die in der Gegend noch Hebammensprechstunden anbietet, schließt ab Juli für immer.
    Wie mit dem für alle sehr wichtigen Berufsstand der Hebammen umgegangen wird und dadurch die Unterversorgung der Frauen in Kauf genommen wird, ist echt skandalös.

    Meine Krankenkasse habe ich auch bereits um Hilfe gebeten. Außer einer Hebammenliste, die ich sowieso schon aus dem Internet hatte, wollten sie mich mit einer Schwangerschafts-App und der Übernahme der Kosten für vom Arzt verschriebenes Magnesium und Eisen in der Schwangerschaft trösten. Da wusste ich dann nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll.

    Liebe Grüße
    Olga

  2. A
    Anja

    Hallo zusammen,

    Auch ich, Mitte 30, bin ab September WeHe. Ich habe auf Grund der Rahmenbedingungen wirklich lange mit mir gerungen, ob ich aus meinem festen Studierten-Job heraus den Sprung wagen “darf“.

    Aber auch in anderen Berufen arbeiten sich Menschen heutzutage zum Burnout, der Umgang ist rauher geworden.

    Hebammen müssen guter Hoffnung bleiben, ohne sich ausnutzen zu lassen. Eine gute Selbstfürsorge und gesammelter Druck auf die Politik, immer weiter! Und diese Spaltung Hausgeburt/Klinikgeburt muss aufhören, immer sollten Menschlichkeit (für alle Beteiligten, auch die Hebamme) und Sicherheit für Mutter und Kind die Kriterien sein. Durch dieses Gespalte wird die eigentliche Problematik der menschenwürdigen Geburtshilfe doch aus den Debatten verbannt.

    Geburt ist Natur, da kann man sich noch so vorbereiten…ein bisschen Demut tut da ganz gut.

    Was mich latent ansäuert sind die Frauen/Familien, die meinen, nach mir die Sintflut, und sich trotz guter Betreuung nicht mehr bzw. überhaupt nicht engagieren. Ein bisschen Solidarität für die kommenden Mütter, bitte!

    Liebe Grüße, Anja

  3. J
    Jessica Buecks

    Hallo ihr lieben,

    Ich möchte in diesem Jahr um einen Ausbildungsplatz zur Hebamme bewerben. Wenn ich an die momentane Entwicklung denke,dann kommen mir die Tränen u. ich frage mich,ob es Sinn macht,eine Ausbildung zu in dem Bereich zu beginnen… Und dann aber schiesst mir die Antwort der Hebamme aus der Hebammenpraxis in Kopf,wo ich mein Praktikum gemacht habe,was soll ich sonst machen ???

    Anja wenn Du magst,würde ich mich freuen,wenn Du mir zurück schreiben würdest,wenn Du Zeit hast !!!
    Mach dir bitte,bitte keinen Stress !!!!

    Ganz,ganz liebe Grüße an euch alle !!!!

    1. L
      lilli

      Hallo Jessica! Ich fange im Sommer die Ausbildung an. Auch und vor allem, weil ich mir nichts andres vorstellen kann! Es gibt bei Facebook eine Gruppe “Bewerberinnen Hebammen Ausbildung“, wo sich angehende wehen austauschen. Dort kannst du auch gut deine frage los werden und gleich gesinnte finden. Sorry für die Werbung Anja, aber ich finde den Zusammenhalt so wichtig und wie können uns so schon früh unterstützen. Liebe grüße lilli

      1. A
        Anja

        Danke für den Hinweis, liebe Lilli. Ich finde des Austausch auch sehr wichtig, gerade auch weil die Ausbildung ja kein Spaziergang ist.
        Alles Gute für Dich, zukünftige Kollegin:)

        Liebe Grüße,
        Anja

    2. A
      Anja

      Liebe Jessica,

      das ist echt eine gute Frage, die ich mir auch öfter stelle. Bisher will keine meiner Töchter Hebamme werden 😉
      Von dem, was der Beruf für mich persönlich ausmacht: ein großes JA! Es gibt auch für mich keine andere vergleichbare Tätigkeit.
      Von den Rahmenbedingungen her: eher nicht. Ich finanziere mir meine Hebammenarbeit mit anderen Tätigkeiten (Vorträge, Weiterbildung, Schreiben…) quer. Und das machen sehr viele Kolleginnen so. In den Kliniken arbeiten viele Hebammen bis zum Burnout oder hören irgendwann ganz auf. Mit Familie wird alles eher noch komplizierter…
      ABER wenn einfach gar keiner mehr Hebamme werden will, schaffen wir uns letztlich selbst komplett ab und es wird auch nichts besser werden für zukünftige Generationen.
      Also irgendwie: doch JA;)

      Liebe Grüße, Anja

  4. I
    Ina

    Hallo Anja,
    diese Frage „Und was machen wir denn, wenn wir keine Hebamme finden?“ habe ich in den letzten Wochen seit Januar täglich mehrmals gehört. Denn seitdem ist unsere Praxis mit (wohlgemerkt) derzeit 7 arbeitenden Hebammen bis September ausgebucht. Und wir nehmen nicht wenig Frauen pro Monat an. Und ich habe keine Antwort auf diese Frage. Ich rate Ihnen sich bei Ihrer KK zu beschweren und bei der Sammelklage „mitzumachen“. Aber was nützt es Ihnen fürs Wochenbett??
    Ratlose Grüße

  5. L
    lilli

    “gut dass wir keine weiteren Kinder mehr wollen“. Diesen Satz kann ich zwar nachvollziehen, aber schlimm finde ich ihn trotzdem. Was ist denn, wenn diese Kinder auch mal Kinder wollen. mir egal, weil nach mir die Sintflut? Das kann ich nicht und will ich nicht. Ich protestierte gegen die aktuelle Entwicklung und versuche möglichst viele Menschen an Bord zu holen. Als erstes natürlich über aktuelle Petitionen dann über Beschwerden an die Krankenkasse, dann über die Landkarte der Unterversorgung im Internet und dann über aktive Mitarbeit bei mother hood. Nur im Zusammenschluss mir anderen Eltern können wir was bewegen und wir sollten uns dass nicht gefallen lassen! Aber ich kann die Resignation schon verstehen und bin selbst oft am (ver) zweifeln.toll Anja, dass du noch nicht aufgegeben hast!

  6. N
    Nina

    Hausgeburt, Geburtshaus- und Klinikgeburten haben alle ihre Berechtigung, denke ich. Es hilft in der Sache nicht weiter, das ein oder andere zu diskreditieren oder gegeneinander herabzusetzen. Ich persönlich habe in einer Klinik entbunden. Ich war dort super betreut. In ein paar Tagen werde ich dort wieder entbinden.
    Viel wichtiger ist doch, das endlich vernünftige Lösungen gefunden werden, die Hebammen in ihrem Beruf halten und Mütter versorgen!

  7. N

    Meine Kinder sind alle im Geburtshaus und zu Hause beoren worden. Meine jüngste Tochter 2009. Unsere Hausgeburtshebamme hat kurz danach ihren Beruf an den Nagel gehängt. Uns bliebe im dörflichen Umfeld für ein weiteres Kind ausschließlich eine Alleingeburt. Wie gut, muss ich da schon fast sagen, dass wir keine Kinder mehr bekommen möchten.
    Im letzten Januar wurde meine Nichte in einer Klinik auf die Welt gejagt. Alles was ich da als Beobachterin wahrgenommen habe, fand ich entsetzlich. Ich kann schwer verstehen wieviele Frauen sich in diese Hamsterradentbindung begeben. Auch kann ich Hebammen und Ärzte verstehen. Nur ich würde das so für mich und mein Kind nicht wollen. Auf die Frage und jetzt habe ich leider auch keine Antwort.

    Liebe Grüße
    Nina

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