Hebammen begleiten Schwangere von Anfang an. Gerade in den ersten Schwangerschaftswochen pendeln Frauen zwischen guter Hoffnung und vielen kleinen oder großen Zweifeln hin und her. Sehr passend heißt das erste Schwangerschaftsdrittel auch „Phase der Anpassung“. In den meisten Fällen ist aber trotz aller Sorgen die Freude von Anfang an da. Und auch die Hebamme freut sich mich immer mit, dass sich da ein neuer kleiner Mensch auf den Weg macht.
Allerdings kommt es in den ersten Wochen wesentlich häufiger vor, dass eine Schwangerschaft doch nicht wie erwartet läuft. Damit ist bei einem frühen Beginn der Begleitung das Thema Fehlgeburt häufiger präsent– und auch die ganz frühen Fehlgeburten in der 5. oder 6. Schwangerschaftswoche. Hätten die betroffenen Frauen keinen Schwangerschaftstest gemacht, einige hätten es vielleicht nur als verspätete Regelblutung wahrgenommen. Oft sind körperlich noch keine oder nur leichte Schwangerschaftssymptome spürbar. Auch die Abbruchblutung der Schwangerschaft wird vielleicht nur wie eine etwas stärkere Regelblutung verlaufen.
Manchmal wird an dieser Stelle auch von einer biochemischen Schwangerschaft gesprochen. Dies ist eine Schwangerschaft, die nur durch einen Schwangerschaftstest und noch nicht durch eine Ultraschalluntersuchung feststellbar ist. Der Embryo hat gerade erst begonnen, sich in der Gebärmutterschleimhaut einzunisten. Dieser Umstand ist nur durch das im Schwangerschaftstest nachweisbare HCG im Blut oder im Urin nachweisbar. Man könnte also sagen, dass es vielleicht rein körperlich keine allzu große Belastung ist. Wobei auch dies natürlich immer höchst individuell empfunden wird.
Der Anfang des Lebens mit diesem Kind
Diese Frauen melden sich dann meist bei der Hebammen, um die Betreuung abzusagen. Ich biete immer einen Gesprächstermin an, was viele Frauen überrascht. Mein Eindruck ist, dass vielen denken, dass ihnen das Trauern und Verarbeiten in diesen frühen Schwangerschaftswochen nicht zustehen würde. Schließlich „war da ja noch gar kein Kind“, sondern es waren „nur“ ein paar Zellen, die sich geteilt und differenziert haben.
Doch die Frauen, mit denen ich dann ins Gespräch komme, sind traurig – gerade dann, wenn die Schwangerschaft ersehnt und erwünscht wurde. Getrauert wird um das Kind, das es nun nicht geben wird. Es geht nicht um mehr oder weniger häufig geteilte Zellen. Es geht um eine erhoffte und gewünschte Zukunft, die nun so nicht passieren wird. Diese Zukunft, die durch den positiven Schwangerschaftstest so real wurde und nun plötzlich nicht mehr da ist.
Und ja, darüber darf jede Frau und jeder Mann traurig sein. Es ist wahrscheinlich auch recht gesund, die Trauer an dieser Stelle nicht auszulassen, damit danach wieder Raum für neue Zukunftspläne entstehen kann. Paare, die ihr Kind mit reproduktionsmedizinischer Unterstützung empfangen, bekommen oft in der Klinik nach dem Transfer der befruchteten Eizellen ein Bild davon. Wenn das Baby dann später geboren ist, wird dieses erste Bild oft sehr emotional als allererste Erinnerung betrachtet. Es ist der Anfang des Lebens mit diesem Kind. So hat alles begonnen.
Abschiedsschmerz hat seine Berechtigung
Der erste positive Test oder auch dieses erste Bild der eingesetzten befruchteten Eizellen sind der Beginn aller guten Hoffnung. Wenn diese dann endet, sind Paare zurecht traurig, auch wenn „da doch noch gar kein Kind war“. Im Kopf und im Herzen gab es jedoch oft schon ein ganz konkretes Bild von diesem Kind. Und von einer Zukunft mit diesem Kind.
Ja, wahrscheinlich ist es für die meisten Menschen belastender, je später in der Schwangerschaft sie ein Kind verlieren. Das liegt einfach daran, dass die Bindung zu diesem kleinen Menschen Tag für Tag wächst. Doch generell ist es Unsinn, sich seinen eigenen momentan real gefühlten Schmerz klein zu reden, weil es anderen vermeintlich gerade noch schlechter geht. Nur weil etwas noch ganz klein und zart ist ist, ist das kein Grund, dass da kein Abschiedsschmerz da sein darf, wenn es wieder geht. Dieser Schmerz hat ebenso seine Berechtigung wie die gefühlte Vorfreude und die gute Hoffnung, wenn der Schwangerschaftstest zum ersten Mal „positiv“ anzeigt.
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