Mit Vorfreude und ohne Vorwissen in die Stillzeit

Dies ist der 27. Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“ (alle weiteren findet ihr gesammelt hier), in dem Josephine aus Berlin ihre Stillgeschichte erzählt. Die 27-Jährige ist gebürtige Berlinerin und nach wie vor am östlichen Rand der Hauptstadt zu Hause.

„Verheiratet bin ich seit drei Jahren und seit eineinhalb Jahren auch Mama einer Tochter. Meine Interessen liegen ganz klar in der Photographie, dem Lesen sowie dem Nähen, wobei die Zeit für all diese schönen Dinge seit eineinhalb Jahren sehr begrenzt ist“, schreibt sie. Nach dem Studium der Kindheitspädagogik ist sie seit dem Ende ihrer Elternzeit seit Kurzem wieder in einer kleinen Kita eines privaten Trägers tätig und daher dabei, sich „als Familie derzeit erst einmal im neuen Alltag mit Arbeit und Kita zurechtfinden, zu lernen und einzufuchsen“.

In ihre Stillzeit ist sie vor allem mit viel Vorfreude und eher weniger Vorwissen gestartet. Hier erzählt sie von ihrem guten Stillstart im Geburtshaus, ihren Vorbereitungen auf die Beikostzeit und ihren Gedanken zum Abstillen.

Ein sehr guter Weg (für uns)

Was hast du vor deiner Schwangerschaft über das Stillen gedacht bzw. welche Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
Um ehrlich zu sein habe ich mir vor der Schwangerschaft keine sonderlich großen Gedanken über das Stillen gemacht, was ich weder positiv noch negativ werten würde. Habe ich Bilder, Worte und Gedanken bei Instagram oder anderswo gesehen, wurde mir warm ums Herz, weil ich mir das Gefühl schön vorstellte. Weiter damit befasst habe ich mich allerdings (vorerst) nicht. Familiär war mir bis dato auch nur von meiner Mutter selbst bekannt, dass sie weder mich noch meine Schwester lange gestillt hat. Vermehrt thematisiert habe ich das Stillen ansonsten nicht erlebt.

Wie hast du dich vor der Geburt über das Thema informiert? Gab es Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf die vor euch liegende Stillzeit?
Grundsätzlich war mir klar: Ich möchte stillen! Darüber hinaus auch: Wir lassen alles auf uns zukommen, uns „einfach so“ gleiten. Den Termin des Geburtsvorbereitungskurses, der das Stillen, den Stillstart und das gesamte Drumherum thematisierte, verpassten wir, sodass ich – was das Fachliche betrifft – wirklich annähernd komplett unwissend und unvoreingenommen an alles heranging.

Im Nachgang würde ich sagen, dass genau das ein sehr guter Weg (für uns) war. Einzig und allein ein Satz von unserer Hebamme in diesem Zusammenhang hallt mir aus einem Vorsorgetermin noch heute nach: „Flaschen, Pulver, Sauger – all sowas braucht ihr nicht! Besorgt sie euch gar nicht erst, dann lauft ihr nicht Gefahr, womöglich zu schnell darauf zurückzugreifen. Zur Not kann man immer noch kurzfristig etwas besorgen!“

Kuscheleinheiten ohne „vorzeitiges Entführen“ des Kindes

Wie verlief der Stillstart und wie ging es dir und Deinem Baby dabei? Welchen Einfluss hatte die Geburt auf eure ersten Stillmomente?
Unser Stillstart war – so würde ich es kurz und knapp sagen – hervorragend! Noch in der Geburtswanne, keine Minute nach der Geburt (so mein Gefühl) wurde alles daran gesetzt, dass ich meine Tochter anlegen könne: Das Wasser wurde ein wenig abgelassen, mir beim Ausziehen meines T-Shirts geholfen, ein warmer Lappen für ihren Kopf gereicht – und schon konnte es losgehen! Auch nach dem „Umzug“ von der Wanne ins Bett im Raum nebenan wurde ich direkt wieder beim Anlegen unterstützt. Die wohlig warme Atmosphäre des Geburtshauses, die wirklich intensiven Kuscheleinheiten ohne „vorzeitiges Entführen“ des Kindes zum Messen oder Wiegen trugen mit großer Sicherheit auch einen entscheidenen Teil dazu bei.

Und so zog es sich auch die kommenden Tage weiterhin durch: Der Milcheinschuss kam (so meine Erinnerung) etwa vier bis fünf Tage nach der Geburt, wobei mir unsere Hebamme auch hier erstklassig zur Seite stand und mir hilfreiche Tipps für die anfänglich ungewöhnliche Umstellung auf die Menge der Milch an die Hand gab. Somit würde ich sagen, dass es uns beiden, sowohl meiner Tochter als auch mir, in diesen Tagen sehr gut mit der Ankunft auf der Erde und dem Stillen ging.

Wie lief das Stillen im Wochenbett? Hattest du in dieser Zeit Unterstützung?
Auch im Wochenbett kam es – meiner Meinung nach – zu keinen nennenswerten Hindernissen, Problemen oder Zwischenfällen. Unsere Hebamme stand uns mit Rat und Tat zur Seite und so kamen wir mehr und mehr mit dem Stillen an. Unnötige „Hilfsmittelchen“ wie etwa ein Protokoll zur zeitlichen Dokumentation der Stillmahlzeiten, welches mir eine Freundin vorab gegeben hatte, ließ sie mich gleich vergessen und ausblenden und uns so wirklich konzentriert auf UNSEREN ganz individuellen Weg einlassen.

Unglaublich beruhigend!

Wer war bei Fragen oder Problemen in der Stillzeit für Dich da? Wer oder was hat Dir besonders gut bei etwaigen Schwierigkeiten geholfen?
Das Wochenbett verging, die regelmäßigen Besuche unserer Hebamme endeten und doch war auch über diese Zeit hinaus ganz klar, dass wir uns weiterhin an sie wenden könnten. Sie versicherte uns noch einmal, dass wir sie über die komplette Stillzeit hinweg kontaktieren und um Rat fragen könnten. Dieses Wissen – eine professionelle Meinung ganz unkompliziert einholen zu können – im Hinterkopf zu haben, war unglaublich beruhigend!

Wie verlief der Beikostbeginn? Welche Erwartungen gab es? Und wie hat sich das Stillen in dieser Zeit verändert?
Die Auseinandersetzung mit dem Beikostbeginn habe ich – für mich – bereits sehr frühzeitig und eher langfristig eingeläutet, nämlich indem ich mich über Wochen und Monate hinweg mit Baby-led weaning beschäftigte. Gerade in Anbetracht der bevorstehenden U4 hörte ich aus allen Richtungen – bei der Babymassage, dem Rückbildungskurs und dem Babyschwimmkurs – dass die Ärzte zum Start mit Brei rieten.

Aus diesem Grund wollte ich also schon einen Schritt voraus sein und mir noch VOR dem bevorstehenden Termin ein solides und vielschichtiges Fundament zur Thematik aneignen. Alle „überstürzten Maßnahmen“ meinerseits waren letztendlich jedoch vollkommen unbegründet – unser Kinderarzt zog die Thematisierung der Beikosteinführung zu diesem frühen Zeitpunkt nicht einmal in Erwägung und zeigte viel, viel später, zur U6, kurz vor dem ersten Geburtstag, eher seine große Anerkennung dem Fakt gegenüber, dass ich nach wie vor hauptsächlich stillte, im ganz positiven Sinn!

Schließlich muss sie doch etwas essen!

Von daher gingen wir das Ganze äußerst entspannt und mit einem weiteren Treffen mit unserer Hebamme an, waren letztendlich mit etwa sieben Monaten dabei immer mal etwas zum Lutschen, Quetschen, Beißen und Kauen zu geben. Ab und zu wurde etwas gegessen, doch richtig interessant wurde es wirklich erst nach dem ersten Geburtstag. Seitdem ist es aber auch nach wie vor von Wechselhaftigkeit geprägt. Was vollkommen in Ordnung ist! Diese „Erwartungen“ habe ich ohnehin schnell über Bord werfen wollen – leicht war es nicht, hat vermutlich in meinem tiefsten Inneren auch länger gedauert als mir lieb war, schließlich muss sie doch etwas essen!

Dass auch wir Tage haben, an denen wir weniger Hunger, weniger Appetit, weniger Lust zum Essen haben, an anderen wiederum umso mehr, sollten wir dabei nicht vergessen. Dieser Gedanke gemeinsam mit dem Fakt der Größe des Magens des Kindes, lässt da eine Portion mehr Gelassenheit mit ins Spiel kommen. Von daher hat sich also auch in Bezug auf das Stillen vorerst keine großartige Veränderung eingestellt. Auch nach wie vor liebt sie das Stillen – eine Regelmäßigkeit, so wie es mir manch einer auch im Babyalter mit hilfreichen Tipps an die Hand geben wollte, gab es da (für meine Begriffe) noch nie.

Ob ich sie nun an beiden Seiten angelegt hatte, lange getrunken wurde, später dann viel gegessen wurde – für meine Begriffe spielte es keine Rolle in Bezug auf die Abstände und ihrem Wunsch nach Stillen. Und so handhaben wir es auch heute noch. Nach Bedarf, ohne Zeit, ohne mögliche Einschränkung durch das Wissen „Aber du hast doch gerade erst…“ – ganz nach ihren Bedürfnissen.

Stillen ist für mich eine kleine Ruheoase

Wie verlief der Abstillprozess bzw. welche Wünsche oder Vorstellungen hast du in Bezug auf diese Zeit?
Bezogen auf das Abstillen machte bzw. mache ich mir natürlich so meine Gedanken – und das auch schon seit geraumer Zeit! Ich lese viel, so auch schon etliche Berichte über Mütter, deren Stillbeziehungen zu ihren Kindern plötzlich und abrupt endeten. Insgeheim hoffte ich, dass es bei uns nie auf diese Weise ablaufen würde, womöglich angestoßen durch den Beginn des Angebots von Beikost oder auch von anderen Faktoren. Doch letztendlich wäre es vermutlich vollkommen in Ordnung gewesen, wenn es das für sie ist.

Und so sehe ich es auch heute noch. Wir stillen nach wie vor, relativ häufig, wenn man das mit anderen ins Verhältnis setzen möchte, denke ich, aber das ist ja auch irrelevant. Wir werden so lange stillen, wie es uns beiden gut tut, wie wir uns beide wohl damit fühlen. So erträume ich mir einen ganz stressfreien und harmonischen Abstillweg, ganz ohne Druck und in unserem Tempo, wenn es eben soweit ist.

Was war oder ist das Schönste für dich am Stillen?
Stillen ist für mich eine kleine Ruheoase, ein ganz wunderbarer, schon ziemlich intimer und uns beiden vorbehaltener Moment, in dem die Welt für kurze Zeit stillsteht. Es ist für mich nach wie vor ein Wunder, genau wie die Schwangerschaft als solches, die Geburt dieses Wunderwesens, das das Licht der Welt erblickt – alles getragen und ermöglicht durch meinen Körper. Stillen ist neben Nähren, Beruhigen, Trösten, Erden so viel mehr – es ist der sichere Hafen meiner Tochter!

Unersetzlichkeit der Brust

Was war am schwersten oder belastendsten für dich in der Stillzeit?
Demgegenüber stehen natürlich auch Zeiten, in denen nicht alles rosig war. Zeiten, in denen auch die Stimme der Zweifel im Kopf lauter wurde. Zeiten, die schier endlos erschienen, wenn die Einschlafbegleitung in Form des Einschlafstillens mal wieder nur aus An- und Abdocken, kurzes Anziehen, Dauernuckeln geprägt war. Und das Kräftedepot am Ende eines ohnehin schon nervenaufreibenden Tages aufgebraucht war.

Vermutlich war es die Unersetzlichkeit der Brust, die da die Gedanken teilweise sehr absolut werden ließ, da die Situation ausweglos erschien, was sie ja aber eigentlich nicht war. Einzig und allein die Geduld schwand und somit die Bereitschaft des „Aushaltens“.

Darüber hinaus waren es wohl die Blicke und teilweise auch Worte von Außenstehenden, ihr Unwissen, aber auch Unverständnis, ihre meist gut gemeinten Ratschläge, die jedoch für uns nicht infrage kamen. All das war mitunter einfach nur nervig, leider aber auch kräftezehrend, da es neuen Druck und neue Zweifel mit sich brachte…

Jede Stillgeschichte ist einmalig

Was würdest du in einer weiteren Stillzeit anders machen? Was ist deine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf das Stillen, die du anderen Müttern weitergeben würdest?
Alles in allem fand und finde ich unsere gesamte Stillbeziehung ganz wunderbar, nehme aus den bisherigen Erfahrungen aber eine große Portion Gelassenheit mit. Jede Stillgeschichte ist einmalig, so möchte ich (so gut es geht und wenn es mal soweit sein wird) frei von Vergleichen in eine neue, ganz eigenständige Stillgeschichte starten.

Womöglich wird bei uns sogar noch das Thema Tandemstillen einen Platz einnehmen, doch wie auch immer es kommen mag – ich blicke den damit verbundenen neuen Erlebnissen, Erfahrungen und auch bislang noch unbekannten Erkenntnissen über mich selbst unglaublich gespannt entgegen! Denn letztendlich lässt es uns auch so sehr (über uns hinaus) wachsen, dazu lernen, erkennen – all das ist ein Geschenk! Darauf freue ich mich schon jetzt, auf eine weitere, einzigartige Stillbeziehung!

Anderen Müttern möchte ich – so abgedroschen und vielgesagt es mittlerweile klingen mag – mit auf den Weg geben, dass sie gewiss auf ihr Herz hören können und dass alles richtig und in Ordnung ist, wenn das Gefühl es ihnen sagt. Vertrauen, in den eigenen Körper, in sich selbst und das Baby, das ist in dieser Zeit so unglaublich wichtig! Mit einer wunderbaren Hebamme an der Seite steht jeder Frau und werdenden Mutter eine ganz besondere Zeit bevor!

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