Wenn Mütter kurz nach der Geburt gefragt werden, wie es ihnen damit ergangen ist, kommt erstaunlich oft ein positives Feedback. Auch dann wenn die Geburt so ganz anders als gewünscht verlaufen ist. In der Annahme eines guten Geburtserlebnisses wird meist später nicht mehr nachgefragt.
Dabei würde sich einige Wochen oder manchmal auch erst Monate später die Antwort ganz anders anhören. Und es ist wichtig hier hinzuhören, weil die Geburt ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden der Mutter im ersten Jahr und darüber hinaus ist.
Viele häusliche Wochenbettbetreuungen beginnen für uns Hebammen ungefähr am dritten Tag nach der Klinikentlassung. Da liest man dann aus dem gar nicht mal so detaillierten Geburtsbericht der Klinik schon heraus, dass diese Geburt wahrscheinlich recht belastend für die Frau verlaufen ist. Wenn ich dann die Frauen erzählen lasse, wird das aber zunächst gar nicht so berichtet. Die Freude über das endlich und nach vielen Strapazen geborene Kind überwiegt. Zudem sind die Frauen mit der zunehmenden Müdigkeit, dem beginnendem Milcheinschuss und überhaupt mit der ganzen neuen Situation beschäftigt. Da bleibt wenig Raum für große Reflexionen bezüglich der Geburt. Bei vielen Frauen wird ein eventuelles Trauma auch erst mal in den Hintergrund gerückt, damit sie zunächst in ihrer neuen Rolle „funktionieren“.
Tränen fließen oft viel später
Die Tränen fließen also oft erst viel später. Aber wichtig ist, dass sie fließen. Darum ist es so wichtig, die Frauen auch nach ein paar Wochen oder Monaten zu fragen, wie es ihnen mit ihrem Geburtserlebnis geht. Meist kommt die Seele erst dann hinterher, wenn körperliche Narben allmählich verheilt und Schmerzen abgeklungen sind. Und genau dann gehen alle oft davon aus, dass es der Mutter gut geht und sie alles gut verarbeitet hat. Manche Frauen verdrängen ihre Geburtstraumata oft sogar bis zur nächsten Schwangerschaft. Und manche Frauen scheinbar ein Leben lang. Alle Hebammen kennen die ausführlichen Geburtsberichte, die ihnen plötzlich von der Mutter oder Schwiegermutter der Wöchnerin anvertraut werden. Frauen erinnern sich auch nach über 30 und mehr Jahren noch sehr genau an unschöne Details ihrer Geburt und fühlen den Schmerz darüber.
Denn die Geburt spielt eine Rolle. Dabei ist nicht der Geburtsmodus allein entscheidend, sondern vor allem Faktoren wie die Einbeziehung bei Entscheidungen, die Kommunikation sowie die Unterstützung bei der Geburt. Natürlich spielt der Geburtsmodus spielt auch eine Rolle für das Erleben. Denn der nicht geplante Notkaiserschnitt oder auch die Geburt, die operativ durch eine Saugglocke beendet wurde, wirkt sich auf das Befinden der Mütter aus. Auch eine Dammverletzung hinterlässt nicht immer nur eine Narbe an dieser empfindlichen Stelle. Aber wenn gerade „schwere Geburten“ gut begleitet und auch nachbesprochen wurden, können Eltern mit einem guten Erleben daraus hervorgehen. Das Alleinesein über lange Strecken einer „ganz normalen Geburt“ hingegen kann als traumatisch erlebt werden.
Enttäuschung und Schuldgefühle
Und es ist keine „Gefühlsduselei“ mancher Frauen, wenn sie ihr Geburtserlebnis nicht so einfach verarbeiten können. Natürlich sind wir alle dankbar, wenn wir unsere Kinder gesund im Arm halten – gerade nach einem dramatischen Geburtsverlauf. Aber so eine Geburt macht auch etwas mit der Mutter. Und es muss Raum dafür da sein, dass sie das Erlebte verarbeiten kann. Deshalb ist es sinnvoll, auch nach ein paar Wochen mal nachzufragen, wie es ihr geht. Und welche Unterstützung sie eventuell dabei braucht. Oft stehen nach schweren Geburtsverläufen erst mal Enttäuschung und Schuldgefühle im Vordergrund. Wenn diese Gefühle nach der Geburt überwiegen, ist es sinnvoll, zum Beispiel mit der Hebamme darüber zu reden und gegebenenfalls weiterführende Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Denn wenn Frauen nach einer guten Verarbeitung des Geburtserlebnisses trotz allem mit Stolz auf ihre Leistung zurück blicken können, wird sie das auch in allen anderen Herausforderungen stärken, die das Muttersein mit sich bringt. Eine Mutter, die sich zugewandt und liebevoll um ihr Kind kümmert, sollte sich ebenso gut auch immer um ihr eigenes Befinden kümmern können. Ihre negativen Gefühle oder ihre Trauer verdienen genauso viel Beachtung wie das „Gebärmutterheimweh“ des Kindes. Und da in den meisten Fällen ja heute auch Partner oder Partnerinnen bei den Geburten anwesend sind, sollte man auch diese mal befragen, wie es ihnen mit dem Erlebten geht. Das muss nicht drei Tage nach der Geburt sein, sondern dann, wann es für diese Familie passt.
Es ist wichtig, auch mit unseren Empfindungen als Eltern sehr achtsam umzugehen, denn das ist eine gute Grundlage für den emphathischen Umgang mit unseren Kleinsten.
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