Stillen nach Frühgeburt

Dies ist der 38. Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“ (alle weiteren findet ihr gesammelt hier), in dem Rebecca ihre persönliche Stillgeschichte teilt. Sie ist 33 Jahre alt, hat eine zweijährige Tochter und lebt mit deren Papa gemeinsam in Frankfurt. Ihre Stillgeschichte ist geprägt von anfänglicher Angst um die Milchmenge und den besonderen Umständen einer Frühgeburt mit Klinikaufenthalt.

Was hast du vor deiner Schwangerschaft über das Stillen gedacht bzw. welche Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
Alle meine Freundinnen, die bereits vor mit Kinder bekommen haben, haben ihre Kinder gestillt. Die eine länger, die andere kürzer. Für mich ist Stillen schon immer das natürlichste der Welt und es war für mich klar, dass ich mein(e) Kind(er) auch stillen werde. 

Wie hast du dich vor der Geburt über das Thema informiert? Gab es Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf die vor euch liegende Stillzeit?
Gar nicht. Ich fand es unnötig, mir theoretisches Wissen darüber anzueignen, wie ich mein Baby richtig anlege. Ich dachte, dass mir das dann schon jemand im Krankenhaus zeigen wird. Beziehungsweise dachte ich, dass wir es intuitiv schon richtig machen werden. Dass es eventuell Schwierigkeiten geben könnte oder gar nicht klappen könnte, existierte in meiner Vorstellung gar nicht. 

Wie verlief der Stillstart und wie ging es dir und deinem Baby dabei? Welchen Einfluss hatte die Geburt auf eure ersten Stillmomente?
Meine Tochter kam acht Wochen zur früh auf die Welt. Wir wurden wenige Sekunden nach der Geburt getrennt und ich durfte sie erstmal gar nicht anlegen. Die ersten drei Tage durfte ich sie noch nicht mal im Arm halten. Es war furchtbar für mich.

Normalität im Klinikalltag

Am Morgen nach der Geburt begann ich mit Abpumpen. Achtmal am Tag mindestens, stellte mir nachts den Wecker. Wenn nichts kam, klingelte ich nach der Stillberaterin und ließ mir die Brust ausstreichen. Meine Tochter sollte jeden Tropfen Muttermilch bekommen, den ich hatte. Der Milcheinschuss kam am fünften Tag. Am elften Tag durfte sie das erste Mal an meiner Brust trinken. Wir bekamen direkt ein Stillhütchen verpasst. Sie kam gut damit zurecht und wir genossen beide die noch intensivere Nähe zueinander.

Für mich war jedes Stillen mein Highlight des Tages, das mir ein Stück weit Normalität im Klinikalltag gab. Auch wenn sie fast nichts rausbekam, war es wichtig für uns beide, dass wir stillten. Anfangs stillten wir einmal, später dann zweimal täglich. Das Wiegen vor und nach dem Stillen war allerdings eine große Belastung für mich. Zu sehen, wieviel sie geschafft hatte, um dann ein anderes Mal festzustellen, dass sie praktisch nichts rausbekam, war sehr deprimierend. 

Wie lief das Stillen im Wochenbett? Hattest du in dieser Zeit Unterstützung?
Als meine Tochter nach vier Wochen Klinikaufenthalt entlassen wurde, trank sie keine nennenswerten Mengen an der Brust. Zum Glück hatte ich jedoch genug Milch und konnte sie vollständig mit abgepumpter Milch ernähren. Nach zwei weiteren Wochen Abpumpen konnte ich nicht mehr. Ich wollte stillen. Meine Maus hatte zwar einen guten Appetit, schaffte es aber nicht die für sie ausreichende Menge an der Brust zu trinken. Sie war danach immer noch hungrig und bekam den Rest aus der Flasche.

Keine Fläschchen, kein Stillhütchen mehr

Meine Milchmenge stagnierte. Mit meiner Hebamme verabredete ich den D-Day. Ab da keine Fläschchen, kein Stillhütchen mehr. Es klappte erstaunlich gut. Wir stillten super viel in den nächsten Wochen. Trotzdem traute ich mir nicht zu, sie satt zu bekommen und beließ es bei einer Flasche Pre am Abend (nach Absprache mit meiner Hebamme), die ihr mein Mann gab. Das nahm spürbar den Druck für mich raus.

Wer war bei Fragen oder Problemen in der Stillzeit für dich da? Wer oder was hat dir besonders gut bei etwaigen Schwierigkeiten geholfen?
Ich bekam in der ersten stillintensiven Zeit wunde Brustwarzen. Meine Hebamme schob es auf das häufige bzw. zu lange Stillen. Sie riet mir zu Stillabständen von drei bis vier Stunden und die Zeit dazwischen ggf. mit einem Schnuller zu überbrücken. Das machten wir zwei Tage so. Es fühlte sich für mich jedoch nicht richtig an und wir kehrten zurück zum Stillen nach Bedarf. 

Ich wandte mich an eine ambulante Stillberatung. Diese besuchte ich mehrmals die Woche – über Wochen. Sie laserte meine Brustwarzen, um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Und ich hatte eine kompetente Ansprechpartnerin. Sie riet uns die Flasche Pre und den Schnuller wegzulassen, parallel kontrollierte sie das Gewicht meiner Tochter.

Das Stillen lief weiter wie bisher

Ergebnis: Ich hatte genug Milch! Das gab mir so viel Selbstvertrauen zurück nach den wochenlangen Zweifeln. Diese Stillberaterin war ein Segen. Ich bin froh, dass ich auf mein Gefühl vertraut und mir kompetente Hilfe gesucht habe, sonst würden wir heute vielleicht nicht mehr stillen. Später hat mir auch der Austausch mit anderen Müttern in der Stillgruppe der La Leche Liga immer wieder geholfen.

Wie verlief der Beikostbeginn? Welche Erwartungen gab es? Und wie hat sich das Stillen in dieser Zeit verändert?
Ich hatte mich im Vorfeld viel über Beikost informiert. Als meine Tochter zunehmend Interesse zeigte, bekam sie ein Stück Brokkoli. Ich hatte gar keine Erwartungen und war erstaunt, als sie begann den Brokkoli abzuschlecken. Von da an, boten wir ihr hin und wieder etwas an, wenn es passte. Sie war jedoch schnell frustriert, wenn es nicht so klappte wie sie wollte.

Nach sechs bis acht Wochen beschäftigte sie sich das erste Mal ausgiebig mit.den angebotenen Lebensmitteln. Das Stillen lief weiter wie bisher. Als sie dann mit ca. zehn Monaten begann, hin und wieder sichtbare Mengen zu essen, dachte ich, das Stillen würde weniger werden. Doch auch wenn die Essensmenge über die Monate immer mehr wurde, stillten wir teilweise so häufig wie am Anfang, wenn auch deutlich kürzer. Allerdings hatte ich zunehmend das Gefühl, dass es beim Stillen nun immer weniger ums Essen ging, sondern mehr um die Nähe, Entspannung und Sicherheit. 

Sehr unruhige Nächte

Wie verlief der Abstillprozess bzw. welche Wünsche oder Vorstellungen hast du in Bezug auf diese Zeit?
Zwischen zwölf und 18 Monaten hatten wir sehr unruhige Nächte. Ich wollte nachts abstillen, weil ich nicht mehr konnte. Der erste Versuch scheiterte. Mit 18 Monaten hat es dann mit viel Hilfe meines Partners geklappt. Die Nächte wurden danach auch tatsächlich ruhiger.

Ich habe seither immer wieder auch tagsüber reduziert. Phasenweise klappt das ganz gut bzw. sie möchte auch nicht so häufig. In anderen Phasen ist es dann wieder mehr. Es hat gedauert, bis ich akzeptiert habe, dass das Stillen nicht linear abnimmt. Ich habe mich zunächst dagegen gewehrt, wieder mehr zu stillen, da ich es als Rückschritt empfand. Nun habe ich aber erkannt, dass es zum Prozess dazu gehört. Ich fühle mich meistens sehr wohl mit dem Stillen und kann mir vorstellen, dass das noch eine Weile so weiter geht mit dem mal mehr, mal weniger stillen. 

Was war oder ist das Schönste für dich am Stillen?
Diese Ruhe. Es ist wie ein kurzes Innehalten im turbulenten Alltag. Nicht jedes Stillen ist so, aber gerade diese Male, wo wir uns nur aufeinander konzentrieren, genieße ich so sehr.

Hört auf euren Mutterinstinkt

Was war am schwersten oder belastendsten für dich in der Stillzeit?
Die Ungewissheit, ob ich genug Milch habe. 

Was würdest du in einer weiteren Stillzeit anders machen? Was ist deine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf das Stillen, die du anderen Müttern weitergeben würdest?
Wenn es erforderlich ist, würde ich versuchen, stillfreundlich zu zufüttern, etwa mit einem Brusternährungsset.

Und an alle (werdenden) Mamas. Informiert euch. Holt euch Hilfe. Ihr müsst nicht alles alleine schaffen. Hört auf euren Mutterinstinkt. Ihr wisst, was das beste für eurer Baby ist. Achtet gut auf euch. Stillen ist das zwar beste für Babies, aber euch muss es auch gut damit gehen. Und wenn das heißt, der Papa gibt abends die Flasche, damit ihr zu einer Pause kommt, dann ist das okay.

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