Wenn Hebammen Kinder kriegen: Phillippa

Phillippa von Rotenhan ist 31 Jahre alt, arbeitete als Hebamme in der Klinik und ist aktuell im Mutterschutz. Vor einem knappen Jahr hat sie zudem gemeinsam mit ihrem Cousin das Babybody-Label Tom&Jenny gegründet, das gut durchdachte und schöne Baby Bodies auch in der Abo-Variante anbietet. Phillippa erwartet in wenigen Tagen ihr drittes Kind. Hier erzählt sie von den ersten beiden Geburten und der anschließenden nicht ganz einfachen Stillzeit.

Vor der Geburt meines ersten Sohnes dachte ich tatsächlich, dass ich als Hebamme eigentlich keine Hilfe benötige und ja eh alles irgendwie zumindest in der Theorie schon weiß. Und ein paar Dinge hatte ich ja auch schon praktisch erlebt. Aber, als ich zum ersten Mal selbst schwanger wurde, war dann doch alles ganz anders. Eines Morgens war mir so unendlich übel, dass ich nicht wusste, wie ich den Tag bewältigen sollte. Damals arbeitete ich im Klinikum. Und zu allem Übel hatte ich auch gerade erst angefangen, nachdem ich vorher ein Jahr in Palästina als Hebamme gearbeitet hatte. Ich wollte und konnte nicht sagen, dass ich schwanger bin. Meine Kollegen waren völlig überarbeitet…

Also habe ich mich mit Vomex (Anm.d.Red.: Arzneimittel gegen Übelkeit und Erbrechen) und anderen Hausmitteln über Wasser gehalten. In der gleichen Zeit erkrankte meine Schwester schwer an Leukämie und ich war, wenn ich nicht gerade arbeitete, bei ihr im Krankenhaus. In dieser Zeit habe ich das Schwangersein einfach verdrängt und jedes Zeichen von Überanstrengung ignoriert, weil ich dachte: „Du bist Hebamme und kannst das schon ab. Andere ertragen viel Schlimmeres. Stell dich nicht so an.“

Aber mein Körper belehrte mich eines Besseren: In der 15. SSW fing ich auf einmal an zu bluten. Ich hatte eine 14-Stunden-Schicht mit zehn Geburten hinter mir und nur zwei Stunden geschlafen. Ich bin dann direkt nach München zu meiner Schwester gefahren. Da stand ich also im Bad und hatte auf einmal fürchterliche Angst, mein Baby zu verlieren. Zum ersten Mal kam mein Mutterinstinkt zum Vorschein. Als ich dann beim Frauenarzt saß und zum ersten Mal das kleine Herzchen im Ultraschall sah, konnte ich vor Dankbarkeit nicht aufhören zu weinen. Ich meldete mich schwanger, was automatisch ein Arbeitsverbot nach sich zog.

In der Badewanne mit 1000 Nelken

Ab jetzt war ich ganz schwanger und hatte nebenher Zeit, mich um meine Schwester zu kümmern. Mein Sohn Antonius hat heute eine besonders innige und vertraute Beziehung zu meiner Schwester, weil er sie fast jeden Tag gehört hat. Irgendwie, denke ich, war er ein Mutmacher, obwohl er noch gar nicht auf der Welt war. Erst in dieser Zeit habe ich mich dann voller Vertrauen in die Hände meiner Hebamme begeben.

Ich glaube, ich als Hebamme kann ein Ziehen oder einen Befund beim Frauenarzt anders bewerten als jemand, der diese Ausbildung nicht hat. Trotzdem hatte auch ich Fragen, denn in der Schwangerenvorsorge hatte ich nie gearbeitet. Das war also neu für mich. In meinen Schwangerschaften habe ich sehr viel gelernt. Vor allem, dass jedes Kind tatsächlich einzigartig ist, jede Schwangerschaft absolut anders und jede Geburt ein neues Abenteuer.

Als mein Kleiner sich zum ET immer noch nicht blicken ließ, versuchte ich mich selber einzuleiten. Mein Mann liebt es, zu erzählen, wie ich in einer Badewanne mit 1000 Nelken lag oder stundenlang ekelhafte Tees trank, damit das Baby endlich kommt. Am Ende hat alles nichts genutzt. Eine meiner liebsten Kolleginnen im Klinikum setzte mich – ich war in Tränen, dass ich nicht mehr warten will und buhuuu nicht mehr schlafen kann und dass, ach ja, alles so schrecklich ist – auf den Schemel und sagte: „Du reißt dich jetzt mal zusammen und denkst einmal kurz als Hebamme! Du weißt doch, dass Kinder dann kommen, wenn sie kommen und nicht vorher. Lass deinem Kleinen die Zeit, die er braucht. Kommen tut er so oder so aber stress ihn nicht.“ 

Und dann ging alles relativ schnell

Von diesem Moment an war ich völlig entspannt und habe nicht mehr gewartet. Zwei Tage später ist mir mitten in der Nacht die Fruchtblase gesprungen. Nachdem ich geduscht und noch ein bisschen Geschirr abgespült hatte, war es mein Mann, der nervös wurde. Er würde sich jetzt doch wohler fühlen, wenn wir endlich mal losfahren könnten. Für ihn war es immerhin das erste Mal, dass er irgendetwas mit einer Geburt am Hut hatte. Im Auto hatte ich meine erste Wehe. Und dann ging alles relativ schnell.

Es war so aufregend, endlich am eigenen Körper zu erfahren, was es bedeutet, eine Wehe zu haben, wie es ist, überrollt zu werden und doch mit der richtigen Atemtechnik eine Wehe nach der anderen zu überstehen. Ich bin in die Badewanne gegangen und war völlig entspannt, hab getönt und geschrien, bin wieder raus und wie eine Löwin durch das Zimmer. Mein Mann musste sich die ein oder andere Beißzange gefallen lassen. Mal war er zu weit weg, mal viel zu nah. Aber er war die ganze Zeit da und das hat mir ein unglaubliches Gefühl der Sicherheit gegeben. Meine Hebamme hat mich machen lassen und ist im richtigen Moment eingesprungen, hat mit mir geatmet, hat den richtigen Punkt massiert und war einfach da.

Es war alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte – und auf einmal fallen die Herztöne ab. Also komme ich aufs Bett. Plötzlich sind überall Ärzte im Zimmer. Eine Hebamme wirft sich auf meinen Bauch und ich verliere die Kontrolle, bekomme einen Dammschnitt und der Arzt zieht mit einer Saugglocke am zarten Kopf meines Kindes. Ich schaue meinen Mann an und teile ihm mit, dass ich jetzt leider sterbe. Dann kommt der Kopf, die Gesichter aller Beteiligten entspannen sich ein wenig und mein Sohn liegt Momente später nackt und wunderschön auf meiner Brust und schaut mich an: Antonius!

Das ist Mutterliebe

In einer solchen Situation, dachte ich im Nachhinein, wäre es vielleicht gut gewesen, keine Hebamme zu sein. Denn dann hätten sich die Menschen um mich herum vielleicht mehr Zeit genommen, mir zu sagen, was da passiert. Vielleicht haben sie es auch. Ich erinnere mich nicht mehr daran. Ich war glücklich, unser Baby in den Armen zu halten, dankbar, dass es gesund und das schönste Baby der Welt war. Fotos zeigen: Dem war nicht so. Aber das ist Mutterliebe.

Mein armer Mann war von der Situation völlig überfordert. Ihn als Hebammenmann beachtete natürlich niemand. Und die Kunde von meinem nahenden Tod beunruhigte ihn dann doch ein bisschen. Ich starb natürlich nicht. Nach zwei Stunden fuhren wir dann nach Hause, ich ging in mein Bett, meine Mutter kochte was köstliches und wir kamen zum ersten Mal als Familie zu Ruhe. Das Wochenbett war die schönste Zeit. So nah, so vertraut und so intensiv mit den wichtigsten Männern in meinem Leben. Wir kosteten es voll aus und nahmen uns alle Zeit der Welt. Ich liebte es zu stillen und genoss es, so viel zu essen, wie ich wollte und konnte dabei nicht zuzunehmen.

Die zweite Schwangerschaft war natürlich ganz anders, denn ich hatte einen einjährigen Wildfang zuhause.
Dafür entschädigte mich die Geburt für alles. Ich hatte, ohne es zu merken, doch ein ziemliches Trauma und große Angst nochmal eine Saugglockengeburt zu bekommen. Aber die Geburt war ein Traum. Ich ging wieder etwas über den Termin und hatte mich diesmal für die Beleghebamme entschieden, die mich bei Antonius auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hatte.

In meine Arme geboren

Als es losging, war ich im Wohnzimmer bei einer Freundin, ging aufs Klo und dachte kurzzeitig, dass ich da nie wieder wegkomme. Aber mein Mann schaffte es, mich ins Auto zu schieben. Im Krankenhaus, wo ich alle kannte, wurde mir sofort die Wanne eingelassen und nach 40 Minuten habe ich mir unsere Tochter selber in meine Arme geboren. Es war so schön, dass ich es direkt nochmal gemacht hätte. Jede Angst – auch die von meinem Mann – war wie weggeblasen. Wir haben entspannt unsere Tochter geboren. Natürlich geht es bei der Geburt hauptsächlich um die Frau, aber ich finde auch die Männer haben ein Recht auf Zuspruch und Verständnis.

Wieder zuhause angekommen war es anders, denn unser Sohn war wenig begeistert von seiner kleinen Schwester. Das Wochenbett war durchzogen von Brustentzündungen und Verzweiflung, dem großen Kleinen nicht gerecht zu werden. Ich behandelte mich nach bestem Wissen und Gewissen selber, wollte auf keinen Fall Antibiotikum nehmen und eben alles selber machen. Nach vier Tagen mit 40 Grad Fieber und keinem Anlegen ohne Tränen packte mein Mann mich ein und fuhr mich ins Krankenhaus. Das Ende vom Lied war ein mandarinengroßer Abszess, eine Brust-OP und zwei Wochen stationärer Aufenthalt mit Antibiotika. 

Meine Hebamme wich mir nicht von der Seite, bestärkte mich im Weiterstillen und unterstützte mich, wo sie nur konnte. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Das positive an dieser Zeit war: Ich habe meine Tochter richtig kennen gelernt und wenn es auch schwierig war, nicht zuhause zu sein, so war es doch schön, so nah mit ihr zu sein und ihr auch den Raum zu geben, den sie verdient. Am Ende habe ich sie 13 Monate gestillt und ich bin wahnsinnig stolz, dass wir das zusammen geschafft haben. Jetzt bin ich in der 34. SSW und so gespannt auf die dritte Geburt, denn sie wird sicher wieder ein Abenteuer, auf das ich mich jetzt schon freue.

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