Elternsein ist besonders nach der ersten Geburt neu und aufregend. Eltern haben viele Fragen, aber auch ihr Umfeld rundherum. Besonders Eltern, die die Geburt und die erste Babyzeit noch vor sich haben, sind interessiert.
Und irgendwann kommt sie, DIE Frage: „Und wie sind die Nächte?“. Statt einem ehrlichen „Babys sind häufig wach, weil sie stillen müssen und Nähe brauchen und deshalb legen wir uns auch am Tag so oft wie möglich mit dem Kind hin“ kommt üblicherweise oft das schwammige „Wir haben noch nicht ganz einen Rhythmus, aber es wird schon besser“. Klingt doch alles ganz entspannt, oder? Die Augenringe der Neueltern sagen oft etwas anderes.
Wenn dann das andere Pärchen aus dem Geburtsvorbereitungskurs nach den ersten sechs Babywochen gerädert abends um acht auf dem Sofa einschläft, wird es sich (oder hoffentlich die Hebamme) fragen, was es wohl falsch macht. Denn alle anderen Kinder haben oder bekommen ja scheinbar kurz nach der Geburt einen Schlafrhythmus mit regelmäßigen langen Schlafphasen.
„Guter Schlaf“ als elterliches Verdienst
So ist das auch oft im Rückbildungskurs, wenn wir Hebammen in der Eingangsrunde die Mütter fragen, wie es ihnen gerade geht. Wenn die erste von zehn Frauen erzählt, dass ihr nun zehn Wochen altes Baby fünf oder sechs Stunden am Stück schläft, äußern sich die restlichen neun gar nicht mehr zu dem Thema. Aber in ihrem Kopf bleibt hängen: „In meinem Rückbildungskurs sind nur Mütter mit durchschlafenden Kindern. Was mache ich bloß falsch?“.
Und genauso verunsichert über ihre mütterlichen Fähigkeiten in puncto „Schlafhygiene“ wenden sich sehr viele Mütter um den sechsten Monat herum an uns Hebammen. Ihr Anliegen: Sie glauben, die einzige zu sein, deren Kind nachts irgendwas zwischen drei und fünf mal oder sogar noch häufiger wach wird. Die Nachbarin hat ja schließlich mehrfach erzählt, wie „gut“ ihr Baby schlafen würde. Und ja, es gibt tatsächlich manchmal Babys, die schon früh mehrere Stunden am Stück schlafen. Und das auch ohne, dass ihre Eltern nicht zu empfehlende Schlafprogramme wie „Jedes Kind kann schlafen lernen“ mit ihnen durchgezogen haben. Aber es gibt auch in seltenen Fällen Babys, die mit vier Monaten krabbeln oder mit vier Wochen den ersten Zahn bekommen.
Trotzdem nehmen Eltern solche Ausnahmen zur Kenntnis, ohne bei der Entwicklung des eigenen Sprösslings in Stress zu geraten. Beim Thema Schlafen werden dann aber gerne andere Maßstäbe gesetzt. Natürlich wären die Babyjahre für uns Eltern einfacher, wenn man mehr und verlässlicher schlafen könnte, aber es hat seine Gründe warum Babys das noch nicht können. Während die Zahnung und auch die motorische Entwicklung einfach so geschehen darf, scheint das „gute Schlafen“ ein elterliches Verdienst zu sein. Alle Eltern möchten gute Eltern sein und deshalb trauen sich die schlaflosen Eltern dann manchmal gar nichts mehr zu sagen, wenn sie glauben, in einer Welt voller durchschlafender Babys zu leben. Dabei wäre es gerade in anstrengenden Zeiten so entlastend zu hören, dass es anderen genauso geht.
Babyschlaf ist kein Erziehungsfeld
Also: Die Statistik sagt, dass Babys im Alter von drei Monaten durchschnittlich zwei bis drei mal nachts aufwachen. Mit neun Monaten tun sie das fünf mal, mit zwölf Monaten wieder zwei bis drei mal. Babys haben also kein zu therapierendes Problem, wenn sie nicht mit sechs Monaten durchschlafen. Gerade gestillte Kinder wachen etwas häufiger auf und schlafen erst in späterem Alter durch. Wobei man von Durchschlafen bereits spricht, wenn das Kind fünf oder mehr Stunden am Stück schläft. Wenn Kinder nah bei ihren Eltern schlafen, wird die Schlafunterbrechung aber gar nicht so massiv sein. Der Schlafrhythmus von Mutter und Kind synchronisiert sich und ein Kind im Nahbereich muss nicht laut kommunizieren, um gehört zu werden. Das Baby bewegt sich oder „grunzt“ etwas und die Mutter kann es durch Stillen oder Hand auflegen und streicheln – Körperkontakt gibt einfach Sicherheit – schnell wieder zum Weiterschlafen animieren.
Wenn Eltern nachts aufstehen zum Stillen oder Flaschennahrung zubereiten, fühlen sich die Schlafunterbrechungen wesentlich massiver an, als wenn man dabei liegen bleiben kann. Ich empfehle darum allen Müttern, sich in den ersten Tagen das entspannte Stillen in Seitenlage zeigen zu lassen. Sie werden so zu wesentlich mehr Schlaf und Ruhe kommen, ob am Tag oder in der Nacht. Aber auch wenn nicht gestillt werden kann oder möchte, sorgt das nahe Beinanderschlafen und die gute Vorbereitung des Fütterequipments für mehr nächtliche Erholung. Die Häufigkeit des Aufwachens gibt das Baby vor. Es tut das niemals mit dem Hintergedanken, seine Eltern damit ärgern zu wollen. Ein Baby kann zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht anders. Kinder bringen ihre individuellen Schlafgewohnheiten mit und deshalb ist Schlafen gerade im Baby- und Kleinkindalter wahrlich kein Erziehungsfeld.
Nachtschlaf, Mittagsschlaf, Schlafbedürfnis
Natürlich gibt es ein paar babyfreundliche Tricks, die „schlaffördernd“ sind. Frische Luft und Sonnenlicht am Tage wirkt sich positiv auf den Schlaf aus. Auch sorgt der „gute Schlaf“ am Tag meist auch für einen besseren Nachtschlaf. Also am besten den Mittagsschlaf mit dem Baby zusammen machen. Ein übermüdetes Kind schläft derweil meist wesentlich schlechter. Manche Kinder schlafen immer und überall, andere brauchen ähnliche Bedingungen und Rhythmen im Tages- und Nachtverlauf, denen man dann auch nachgehen sollte. Aber all das ist individuell, ebenso wie das generelle Schlafbedürfnis von Kindern. Wohltuende Rituale wie ein Bad oder eine Massage können den Übergang in den Nachtschlaf einleiten. Aber auch hier ist es höchst unterschiedlich, was Kindern Entspannung bringt oder sie eher sogar noch anregt.
Der Vergleich mit dem Nachbarskind bringt also wenig. Eher ist eine individuelle Beratung empfehlenswert, wenn das Schlafthema für die Eltern zum wirklichen Problem wird.
Jedenfalls hat die Natur sich etwas dabei gedacht, dass Babys nun mal so schlafen, wie sie schlafen. Anfangs ist der Magen winzig und kann nur kleine Nahrungsmengen aufnehmen. Die häufige Nahrungsaufnahme auch nachts stabilisiert den Blutzucker, ist gut für die Hirnentwicklung, fördert den Bilirubinabbau und wirkt damit einer verstärkten Neugeborenengelbsucht entgegen. Das sind einige der harten Fakten. Aber selbst, wenn das Baby ab einem gewissen Alter nicht mehr nachts in eine gefährliche Unterzuckerung kommen würde, kann es Durst oder auch Hunger haben, weil viele Kinder zum Bespiel gerade um den sechsten Lebensmonat herum tagsüber viel „zu beschäftigt“ sind und nur selten und kurz stillen. Die fehlenden Kalorien holen sie sich dann gerne nachts, wenn sie etwas mehr zur Ruhe kommen. Und ja, das ist eine echt anstrengende Zeit.
Was heutige Babys und Steinzeitbabys verbindet
Aber nachts aufwachen und sich rückversichern, dass Mama noch da ist, heißt für Babys auch: nicht vom Säbelzahntiger gefressen zu werden oder zu erfrieren. Denn auch die Babys heutzutage verhalten sich nun mal wie Steinzeitbabys, die alleine in der Höhle ziemlich verloren gewesen wären. Also lieber mal aufwachen und schauen bzw. spüren, ob noch alles in Ordnung ist und die wichtigsten Bezugspersonen auch noch da sind. Wie lange kleine Kinder das tun, ist sehr unterschiedlich, aber sicher ist – sie machen es nur so lange, wie sie es brauchen. Trotzdem ist es auch wichtig, auf die elterliche Kraft acht zu geben und ein Schlafarrangement zu finden, das für die jeweilige Familie gut passt und im Einklang mit den frühkindlichen Bedürfnissen steht.
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