Schwanger zwischen Übelkeit und Hyperemesis

In allen Schwangerschaften hatte ich in den ersten Monaten mit Übelkeit und Erbrechen zu tun. Das ist unangenehm, verkompliziert bisweilen den Alltag und sorgt nicht gerade für Wohlbefinden. Und doch ist es vergleichsweise ein Klacks gegen das, was Schwangere erleben, die an Hyperemesis gravidarum leiden. Oft wird diese Erkrankung mit der als normales Schwangerschaftssymptom bekannten Morgenübelkeit (die durchaus den ganzen Tag auftreten kann) gleichgesetzt. Und das ist wirklich tragisch für die Betroffenen. Sie werden dadurch oft erst spät ernst genommen. Und erhalten ebenso spät die passende Hilfe.

Die „normale“ Schwangerschaftsübelkeit trifft 50 bis 75 Prozent aller Schwangeren mehr oder weniger intensiv. Die Ursachen sind immer noch nicht ganz klar. Aber an erster Stelle wird der Einfluss des Schwangerschaftshormons HCG (Human Chorionic Gonadotropin) diskutiert. Auch scheint es eine familiäre Disposition zu geben. Besonders frühmorgens nach dem Aufstehen macht sich die Übelkeit bei vielen Schwangeren bemerkbar. Bei den meisten betroffenen Frauen sind die Symptome nach den ersten zwölf Wochen bzw. nach der 16. bis 20. Schwangerschaftswoche wieder verschwunden.

Häufige kleine Mahlzeiten und schluckweises Trinken

Auch wenn man sich zwischendurch fragt, ob das Kind überhaupt noch gut versorgt wird, ist das normale Schwangerschaftserbrechen, auch Emesis genannt, in der Regel kein Problem. Es scheint sich im Gegenteil sogar das Risiko für eine Fehlgeburt zu verringern, wenn Frauen unter Schwangerschaftsübelkeit leiden. Bei der Emesis kann man mit den gängigen Empfehlungen versuchen, die Beschwerden etwas zu lindern:

  • Trotz der Übelkeit sind regelmäßige und häufige kleine Mahlzeiten sinnvoll. Denn die Beschwerden verschlimmern sich meist mit dem Abfall des Blutzuckerspiegels. Daran sollte man auch morgens direkt nach dem Aufwachen denken und eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Auch schluckweises Trinken kann helfen.
  • In Bezug auf geeignete Lebensmittel gibt es 1001 Tipps, was gegen Übelkeit hilft. Aus eigener und beruflicher Erfahrung kann ich aber eher empfehlen, das zu essen, worauf man zumindest ein bisschen Appetit hat. Als sonst großer Ingwer-Fan konnte man mich zum Beispiel in der Schwangerschaft damit jagen. Und das, obwohl ihm eine lindernde Wirkung zugesprochen wird.
  • Typischerweise haben Schwangere auf Lebensmittel, die die Situation verschlimmern, meist ohnehin keine Lust: Kaffee, Fettes, Süßes oder stark gewürzte Speisen meiden sie meist instinktiv.
  • Bewegung und frische Luft helfen nicht nur etwas gegen die Übelkeit. Sie wirken sich auch positiv auf die bleierne Müdigkeit in den frühen Schwangerschaftswochen aus.
  • Akupunktur kann möglicherweise ebenso wie Akupressur eine positive Wirkung zu haben. Druck auf den Akupunkturpunkt „Perikard 6“ am Handgelenk üben auch Sea-Bands aus, die man über einen längeren Zeitraum einfach wie ein Armband trägt.
  • Auch die Einnahme von Vitamin B6 oder B12 kann lindernd wirken. Diese aber bitte nach Absprache mit Gynäkolog:in oder Hebamme anwenden.
  • Ein Riechfläschchen mit einem Aromaöl wie Minze, Limette oder Grapefruit kann gerade unterwegs hilfreich sein – auch hier muss die eigene Nase entscheiden, was passt.
  • Es gibt natürlich auch noch andere zum Beispiel naturheilkundliche Ansätze, die Therapeut:innen mit entsprechenden Fachkenntnissen verordnen.

„Unstillbares“ Erbrechen betrifft bis zu 3,6 Prozent aller Schwangeren

Soweit zur zwar auch teils wirklich recht unangenehmen, aber vergleichsweise eher harmlosen Emesis gravidarum. Deutlich davon ab hebt sich die Hyperemesis gravidarum, also das starke und sogenannte „unstillbare“ Erbrechen, das nur 0,3 bis 3,6 Prozent aller Schwangeren betrifft. Die Übergänge zwischen Emesis gravidarum und der Hyperemesis können fließend sein. Den Betroffenen geht es wirklich schlecht. Von Hyperemesis, also dem übermäßigen Erbrechen in der Schwangerschaft spricht man, wenn sich die Schwangere mehr als fünf Mal täglich übergibt. Zum Teil erbrechen die Betroffenen sogar bis zu 50 Mal am Tag.

Die Ursachen sind zunächst einmal ähnlich wie bei der Schwangerschaftsübelkeit, so dass es zum Beispiel auch bei Zwillingsschwangerschaften aufgrund der erhöhten HCG-Konzentration im Blut häufiger zur Hyperemesis kommt. Auch sind Mädchenschwangerschaften etwas stärker betroffen. Und auch hier spielt eine genetische Dispostion offenbar eine Rolle. Von der Hyperemsis betroffene Frauen bekommen einen ähnlichen Verlauf schon von ihrer Mutter erzählt. Das häufigere Vorhandensein des Bakterium Helicobacter pylori bei betroffenen Schwangeren ist auch eine, allerdings noch nicht abschließend erforschte Ursache, die neue Behandlungsoptionen aufzeigen kann.

Durch das ständige Erbrechen verschiebt sich der Flüssigkeits- und Elektrolytehaushalt. Zudem kommt es zu einem Nährstoffmangel. Die betroffenen Mütter sind also nicht nur von etwas Übelkeit geplagt, sondern sie fühlen sich und sind wirklich richtig krank. Deshalb erfordert die Hyperemesis auch eine ärztliche Behandlung und oft ist ein Krankenhausaufenthalt unumgänglich. Ein wirklich belastendes Szenario in einer Zeit, in der man eigentlich einfach guter Hoffnung sein möchte. Die Frauen sind durch die Hyperemesis stark erschöpft, nehmen oft viel ab und leiden unter starken Kreislaufproblemen. Ein normaler Alltag ist faktisch nicht mehr möglich. Besonders belastend ist das, wenn bereits Kinder im Haushalt leben, die ja auch versorgt werden müssen. Und natürlich kommt die Sorge um das Baby im Bauch dazu.

Hyperemesis ist keine psychische Erkrankung

Die Verläufe der Hyperemesis sind ganz individuell. Manche Frauen erbrechen „nur“ einige Monate, bei anderen hält das Ganze sogar bis zur Geburt an. Wichtig ist, Schwangere sowie oft auch die nächsten Angehörigen in dieser besonderen Lebenssituation gut zu unterstützen. Die oben genannten Tipps können natürlich auch ausprobiert werden, aber meist braucht es doch eine intensivere Behandlung:

  • Oft muss der Flüssigkeits- und Nährstoffmangel durch eine Infusionstherapie ausgeglichen werden. Manche Frauen gehen dafür auch in ihre gynäkologische Praxis, aber oft ist auch das zu anstrengend, so dass ein temporärer Klinikaufenthalt die bessere Alternative ist.
  • Die Ärztin oder der Arzt in Praxis oder Klinik erstellt einen Behandlungsplan, bei dem sie oft ausprobieren müssen, welches Medikament entsprechend Linderung schafft – natürlich immer auch im Sinne des Babys im Bauch. Informationen zu den Medikamentenwirkstoffen finden sich bei Embryotox.
  • Auch die Gabe von Vitamin B6, B12 und B1 kann eine Therapieoption sein.
  • Naturheilkundliche Verfahren aus der Kräuterheilkunde oder Akupunktur können ebenfalls ergänzend verordnet und unterstützend ausprobiert werden. Auch Taping und Osteopathie kann eventuell lindernd wirken.
  • Wichtig sind viel Ruhe und Entlastung. Die Hyperemesis ist eine klare Indikation für die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe, insbesondere wenn bereits weitere Kinder im Haushalt leben.
  • Eine mögliche Nahrungsaufnahme sollte sich rein nach dem Appetit und etwaigen Gelüsten der Schwangeren richten, weil damit die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass Speisen und Getränke nicht sofort erbrochen werden.
  • Die Hyperemesis ist keine psychische Erkrankung, aber belastet natürlich durch ihre Heftigkeit stark die Psyche der Schwangeren. Die mit der Hyperemesis verbundene Isolation kann zusätzlich auch depressive Verstimmungen verursachen. Darum kann auch eine psychotherapeutische Begleitung hilfreich sein.
  • Alles, was der Schwangeren hilft in einen Entspannungszustand zu kommen, ist ebenfalls sinnvoll. Das kann eine Massage sein oder das Erlernen einer Entspannungstechnik. Dies ist aber meist nur möglich, wenn es der Frau wieder ein wenig besser geht. Denn in der Akutphase verstärken oft alle möglichen, auch positiven Reize die Symptome.
  • Zur Regeneration, wenn die Hypernemesis sich deutlich gebessert hat, könnte auch eine Schwangerschaftskur gut tun.

Neben der medizinischen Behandlung ist es wohl am wichtigsten, Verständnis für die von Hyperemesis betroffenen Frauen zu haben. Und ganz klar zu sehen, dass dies nicht einfach „nur ein bisschen Morgenübelkeit“ ist. Die betroffenen Frauen kommen wirklich an ihre Grenzen und mit ihnen auch oft ihre Partner:innen. Denn statt guter Hoffnung bestimmt die Hyperemesis oftmals komplett den schwangeren Alltag.

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