Es ist eine von vielen Mails, die hier Woche für Woche ankommen. Es sind Mails von Eltern, die gerade ein bisschen ratlos sind oder mit der einen oder anderen Situation im Babyalltag überfordert. Vieles haben sie schon probiert, damit ihr Kind besser schläft, isst oder auch mal jenseits des elterlichen Armes „zufrieden“ ist. In diesen Anfragen stehen dann oft auch Sätze wie „Beim Babyschlafcoach waren wir auch schon.“
Der „Babyschlafcoach“ lässt sich hier durch diverse andere Babyoptimierungsangebote austauschen. Denn genau das ist oft der Gedanke dahinter, wenn Eltern aus Sorge oder Verzweiflung solche Beratungsangebote in Anspruch nehmen: Es soll besser laufen. Das Baby soll besser „funktionieren“, auch wenn das so deutlich niemand ausspricht. Es wäre so „schön“ einfach, wenn sich das Kind in eine bestehende Situation einfügt. Viel einfacher, als dass die Situation so verändert wird, dass sie entsprechend für dieses Kind und seine Eltern passt.
Denn die Erwartungshaltung an das Elternsein und die Realität kollidieren oft ganz schön gewaltig. Und darauf sind viele Eltern so gar nicht vorbereitet. Ich sage immer in Geburtsvorbereitungskursen, dass so ein Baby phasenweise auch ein bis zwei erwachsene Menschen die gesamten 24 Stunden eines Tages beschäftigen kann. Und dennoch ist es dann überraschend, wenn genau diese Situation eintritt. Das ging uns übrigens nicht anders – trotz besseren (theoretischen) Wissens.
Hohe Erwartung ans Babycoaching
Wenn das bisherige so gut strukturierte und organisierte Leben ins Wanken gerät, kann das Eltern an ihre Grenzen bringen. Dass plötzlich selbst die Erfüllung einfacher Grundbedürfnisse wie Essen, Schlafen oder einfach nur mal duschen zur Herausforderung wird – damit hat dann doch niemand gerechnet. Und ja, das trifft nicht auf alle Eltern und auf alle Babys zu.
Es gibt sie natürlich auch, diese recht entspannten Babyzeiten mit nur ein wenig Müdigkeit, aber keinem lähmenden Schlafmangel. Mit vielleicht ein wenig Chaos in der Wohnung, aber dennoch genug Zeit zum Kochen, Essen und auch für die Körperpflege. Selbst die sozialen Kontakte können entspannt gepflegt werden. Doch wie die eigene Babyzeit werden wird, weiß niemand vorher und letztlich immer erst hinterher. Das gilt selbst dann, wenn man schon Kinder hat.
Doch diese entspannten Eltern sind auch nicht jene, die die hohen Erwartungen an das Babycoaching, die Stillberatung oder die Krisenbegleitung haben. Diese Eltern haben wahrscheinlich nicht mal Beratungsbedarf. Und wahrscheinlich fühlen sie sich auch nicht von den „DIE Lösung für alle Babyschlafprobleme“-Verheißungen in Form von Produkten oder auch Beratungsangeboten angesprochen. Diese Angebote sind einfach verlockender, je müder oder erschöpfter ich als Mutter oder Vater bin.
Das Baby braucht kein Update
Doch diese vermeintliche universelle Lösung für alle Probleme gibt es sowieso nicht – zumindest nicht, wenn dabei die Bedürfnisse des Babys gleichermaßen im Blick behalten werden. Das wenig schlafende oder viel und untröstliche weinende Baby macht das ja nicht aus der Absicht heraus, seine Eltern mal „ein bisschen zu fordern“. Es braucht tatsächlich akut so viel Unterstützung in dieser Entwicklungsphase. Es ist nicht „defekt“ oder braucht einfach nur mal ein Update, damit es wieder „funktioniert“. Das Baby braucht seine Eltern. Und die brauchen genug Unterstützung, damit sie ihr Kind angemessen und feinfühlig begleiten können. So einfach ist das – und doch so schwer.
Und heute wahrscheinlich schwerer denn je. Unser Lebensstil ist mittlerweile davon geprägt, dass es für fast jedes Problem eine (käufliche) Lösung gibt. Doch viele Eltern wissen, dass meist weder die Elektrowippe noch der Babycoach „zaubern“ können. Und das ist wichtig zu sagen, denn Beratung aka Coaching ist ja generell ein sinnvolles Angebot, wenn es individuell auf die jeweilige Familie und ihre Situation abgestimmt ist. Wenn Eltern erst mal einen Raum bekommen, ihre Sorgen zu schildern. Wenn Gedeihstörungen bzw. medizinische Ursachen erkannt oder ausgeschlossen werden können. Und wenn gemeinsam die aktuelle Situation analysiert wird und sich dabei die kleinen feinen Ressourcen finden, die es immer gibt.
Dazu gehört auch, bei Bedarf weitere Unterstützung zu organisieren. Und die Eltern zu bestärken und bestätigen in ihrem Tun. Wenn man dann schaut, ob sich beim Stillen, der Einschlafbegleitung oder den Beruhigungsstrategien noch konkret etwas verändern lässt oder etwas Neues probiert werden könnte. Manchmal bringen auch diese ganz konkreten Maßnahmen eine Verbesserung. Meist sind es aber der veränderte Blick auf die Situation und die Organisation von Hilfe sowie eine sinnvolle Prioritätensetzung in anstrengenden Babyzeiten, die alles etwas leichter machen können.
Feinfühlige Hilfe für Eltern und Baby
Am Baby „schrauben“ lässt sich meist nur wenig. Jedes Kind bringt sein eigenes Temperament und sein eigenes Entwicklungtempo mit. Allein diese beiden Faktoren sorgen dafür, dass Baby eben nicht gleich Baby ist. Elf Stunden Babyschlaf in den ersten Monaten sind genauso normal wie 19 Stunden. Der Durchschnittswert von 14 bis 17 Stunden ist ein Durchschnitt. Er sagt nichts über das eigene Baby aus. Mit der nächtlichen Aufwachfrequenz verhält es sich kaum anders. Auch hier ist die Bandbreite groß. Und es gibt kein Schlaf-Update, mit dessen Hilfe man alle Kinder auf einen elternfreundlichen Mittelwert verbessern kann.
Und so verhält es sich mit allen Situationen. Daher hat zum Beispiel das Festlegen von Still- oder Beikostmahlzeiten nach Plan in der Regel nur wenig mit der Essenswirklichkeit der meisten Babys zu tun hat.
Am Baby können und müssen wir auch in anstrengenden Zeiten meist nichts verändern. Aber zu schauen, wie wir die Situation für die Eltern verändern können, ist hilfreich. Genau wie das Kind Verständnis und feinfühlige Unterstützung braucht, hilft genau das auch den Eltern in solchen Phasen. Eltern konkret zu sagen, dass sie etwas richtig gut machen und konkret Aufgaben (Kochen, Einkaufen, Geschwisterkinder betreuen) abnehmen hilft nämlich meist so viel mehr, als der hundertste Tipp zur Babyoptimierung.
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