Immer wieder machen sich Eltern Gedanken darüber, wie sie ihr Kind erziehen oder besser begleiten wollen: Attachment Parenting, bindungsorientierte Erziehung, Montessori und so weiter. Viel wichtiger im Familienalltag ist aber, dass Eltern neben den Bedürfnisse ihrer Kinder auch ihre eigenen im Blick behalten.
Bedürfnisorientierung oder Attachment Parenting bedeutet so viel mehr als Tragen, Stillen und Familienbett. Und mit Stoffwindeln hat das eigentlich auch wenig zu tun. Genauso wie die Pädagogik nach Emmi Pikler auch mehr ist, als dass die Babys mit geflochtenem Korbbällen spielen oder sich später an kleinen Sprossendreiecken hochziehen. Doch manchmal verlieren wir Eltern uns einfach auch ein bisschen in dem Drumherum, während wir noch auf der Suche nach dem Weg sind, der am besten zu unserer Familiensituation passt.
An erster Stelle das Gefühl, geliebt und willkommen zu sein
Wenn es Eltern an dieser Stelle nicht mehr gut geht, hat es also meist eher wenig mit einem bestimmten Erziehungskonzept zu tun, sondern oft mit einem überhöhten Perfektionsanspruch. Und der ereilt doch relativ viele Mütter. Egal ob Stillen, Tragen und Familienbett oder Fläschchen, Kinderwagen und frühe Rückkehr in den Beruf den Familienalltag begleiten. Die Tendenz, nicht gut genug auf sich zu achten oder vielleicht zu verbissen an etwas festzuhalten, gibt es über alle Familienmodelle und Erziehungskonzepte hinweg.
Als Hebamme dürfen wir so viele Familien kennenlernen. und einen kleinen Einblick in ihren Alltag bekommen. Sie sind alle verschieden und doch einig in dem Wunsch, das Beste für ihr Kind zu wollen. Doch was letztlich das Beste ist, kann ohnehin niemand genau sagen. Auch die vermeintlichen Fachleute nicht. Was Kinder brauchen, lässt sich indes leichter benennen. Neben den vielleicht eher körperlichen Bedürfnissen nach Nahrung, Wärme, Sauberkeit und Nähe steht wohl bei den emotionalen Bedürfnissen an erster Stelle das Gefühl, geliebt und willkommen zu sein.
Und auch große Menschen möchten sich geliebt und willkommen fühlen. Eltern wünschen sich zudem Anerkennung und positive Rückmeldungen für ihr Tun. Sie brauchen auch mal Pausen, Zeit für sich und andere nette Menschen, mit denen sie gerne zusammen sind. Das klingt nicht kompliziert, kann aber gerade in der Babyzeit zu einem Problem werden.
Konzepte, Experten, Produkte
Es ist so einfach und doch so schwierig. Und deshalb sind wohl alle auf der Suche nach etwas, an dem man sich in der aufregenden Zeit der Elternschaft festhalten kann. Es sind Konzepte, Experten, Produkte oder andere Dinge. Dabei kann die Feststellung, dass das Baby trotz Tragen, Stillen und ständiger Nähe trotzdem untröstlich weint, genauso frustrierend sein wie die Erkenntnis, dass das Kind in der als so hilfreich angepriesenen und teuren Federwiege überhaupt nicht schlafen mag.
Stillen kann wundervoll sein, aber auch eine einzige nicht endend wollende Odyssee aus Schmerzen und Pumperei. Dazu gesellt sich vielleicht noch die wirklich sehr belastende Sorge, ob das Baby gut genug gedeiht. Letztlich ist in Sachen Elternwerden und Elternsein nichts planbar. Manches ist vorab nicht mal ansatzweise vorstellbar.
Eltern verstricken sich in oft so sinnlose Diskussionen
Und manchmal ist es wirklich sowas von egal, ob und womit und warum oder warum nicht getragen, gestillt oder wie auch immer geschlafen wird. Nämlich immer dann, wenn das Leben manchen Eltern ganz besondere Herausforderungen schickt. Wenn Kinder krank oder zu früh geboren werden. Wenn Eltern ihr Kind noch in der Schwangerschaft verlieren. Oder wenn das Leben ihres Babys hier nur auf eine kurze Zeit beschränkt ist. Oder auch dann, wenn ein Vater plötzlich allein mit seinem Baby dasteht, weil er gerade seine Frau und das Kind seine Mama verloren hat. Es ist manchmal kaum aushaltbar, was das Leben für Herausforderungen an manche Familien stellt.
Dann spielt das, worüber sich Eltern gerne in oft so sinnlosen Diskussionen verstricken, überhaupt keine Rolle. Dann ist das wichtig, was doch die allermeisten Eltern eint: die Liebe zu ihrem Kind. Und der Wunsch die wertvolle Zeit mit der Familie zu verbringen.
Vielleicht ist es nur ein Ausdruck von Überforderung, dass wir uns als Eltern mit den vielen Möglichkeiten gerne auch mal ein bisschen überlastet fühlen. Wir können schließlich zwischen so vielen Wegen entscheiden. Und letztlich dürfen wir oft dankbar sein, dass es uns hier doch so gut geht, dass wir dies überhaupt können. Denn wir werden dann gerade nicht von Krieg, Krankheit, Hunger und anderen existenziellen Sorgen geplagt. Wir haben Zeit und Raum, und Gedanken zu machen und manchmal Diskussionen zu führen. Uns so kompliziert ist das doch alles vielleicht gar nicht. Ganz unabhängig von sämtlichen Erziehungskonzepten, gilt die Empfehlung: „Seid nett zu euch und euren Kindern. Habt sie lieb und sorgt gut für euch und eure Kinder.“
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