Ziemlich pünktlich in der vierten oder fünften Lebenswoche bemerken viele Eltern einen Unterschied im Verhalten ihres Babys. Es ist plötzlich unruhiger, weint mehr. Und vielleicht läuft auch das Stillen nicht mehr ganz so rund wie in den ersten Tagen und Wochen. Nach den Mahlzeiten schläft es nicht mehr einfach ein, sondern äußert vielleicht weiterhin seinen Unmut. Oder ist es Hunger? Müdigkeit? Bauchweh?
Eltern fragen sich oft in dieser Zeit, ob sie wohl etwas falsch machen. Und sie fragen die Hebamme, was sie denn falsch machen. In der Regel aber machen sie gar nichts falsch.
Die Frage, ob das Kind womöglich gesundheitliche Probleme hat, wurde vom Kinderarzt längst verneint. Und auch die Hebamme bestätigt das gute Gedeihen. Trotzdem ist das Baby phasenweise unzufrieden, schimpft die Brust an und lässt sich nur schwer beruhigen. Während ich bei anderen Kindern selbst gut die Ruhe in solchen Situationen bewahren kann, weiß ich doch nur allzu gut, wie herausfordernd diese Momente als Mutter sein kommen. Meist treffen diese Unruhephasen auf das eigene Müdigkeitstief am frühen oder späten Abend.
Wie gut wäre es da, wenn jemand konkret sagen könnte, was das Kind denn hat. Und vor allem sagt, was man als Eltern dagegen tun kann. Meist kann ich den Eltern aber nur bestätigen, dass sie längst das Richtige tun: halten, stillen, füttern, tragen – und das dann wieder von vorne.
Anspannung loslassen durch Weinen
Niemand kennt dieses eine Baby so gut wie seine Eltern, die schließlich gerade Tag und Nacht mit ihm verbringen. Die jeden Tag ein wenig mehr herausfinden, was ihm gut tut und was es vielleicht nicht so mag.
Weinen ist ein wichtiges Signal des Kindes, auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Werden diese gesehen und erfüllt, beruhigt sich das Baby. Aber Weinen hat darüber hinaus auch die Funktion des Erzählens für ein Baby. So wie wir Erwachsenen uns bisweilen über den anstrengenden Arbeitstag oder über andere momentanen Sorgen bei einem uns ein nahestehenden Menschen ausheulen, möchte das Baby auch von seinem Gebärmutterheimweh und den vielen neuen Herausforderungen erzählen. Das Ankommen in der Welt ist nicht immer leicht. Alles was im Bauch der Mutter so selbstverständlich war, muss das Kind nun selbst übernehmen: atmen, essen und so vieles mehr…
Auch die Auseinandersetzung mit den vielen neuen Reizen ist manchmal überfordernd: Kälte, Wärme, Kleidung auf der Haut, der ungewohnte Bewegungsraum, visuelle und akkustische Eindrücke – alles ist neu. Manche Erfahrungen sind angenehm, manche unangenehm und andere wieder überfordern einfach. Weinen ist ein Ventil, die damit verbundene Anspannung loszuwerden. Aufgabe der Eltern ist es dann nicht, das Weinen „abzustellen“. Sie sollten das Baby zu halten und mit ihm zusammen aushalten, dass die Welt gerade aus Babysicht schwierig ist.
Wer und was den Eltern hilft
Dieses Halten, Zuhören und einfach Dasein ist eine große Herausforderung. Es berührt uns auf vielen Ebenen, wenn das eigene Kind so untröstlich weint. Deshalb ist der Wunsch nach einer schnellen Lösung, einem Stilltrick oder ein paar Zaubertropfen nur allzu verständlich. Die „Phrase mit der Phase“ wirkt an dieser Stelle nur wenig tröstend. Aber rückblickend ist es genau so: Es ist eine von vielen herausfordernden Elternphasen im Leben mit Kindern.
Statt guter Tipps für das Baby selbst bespreche ich an der Stelle oft lieber, was den Eltern hilft, gut durch anstrengende Zeiten zu gehen. Und auch, wer den Eltern hilft. Denn Halten und Aushalten kann gut auf mehrere Schultern verteilt werden. Meist nur fehlen genau die im Alltag vieler junger Eltern.
Ganz konkret besprechen wir auch, was helfen kann als Mutter oder Vater in der eigenen Mitte zu bleiben, wenn das Kind gerade so außer sich ist. Ob die Atmung, der Fokus auf eine Bewegung oder auch Kopfhörer mit Musik helfen, ist ganz individuell. Aber die Stressreaktionen auf das Weinen – zum Bespiel der Anstieg der Herzfrequenz und eine flachere Atmung – ist bei allen Eltern gleich. Wie gut man sein untröstlich weinendes Baby gerade begleiten kann, ist sicherlich auch von der Tagesform abhängig. Darum ist es eben so wichtig zu wissen, wen man im Notfall („Ich kann nicht mehr!“) um Hilfe bitten kann und welche Unterstützungsangebote es gibt.
Bei vielen Babys nimmt diese erste Unruhephase mit ungefähr sechs Wochen wieder ab. Aber statistische Angaben helfen natürlich nur bedingt weiter. Und so ist es richtig und wichtig, wenn Eltern immer wieder nachfragen, was das Baby denn haben könnte? Denn auch wenn ich nur selten weder die ganz konkrete Antwort darauf weiß noch ein Zaubermittelchen im Hebammenkoffer habe: Meist kann ich doch am Ende des Hausbesuches immer ein bisschen Unsicherheit mitnehmen und etwas Gelassenheit dalassen.
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