Den Feierabend bestimmt das Baby

Vier Monate ist das Babymädchen nun schon bei uns. Mittlerweile sind die einst blauen Augen braun geworden und die dunklen Haare viel heller. Sie lacht laut und herzlich, dreht sich hin und her und ist hier bei uns immer mittendrin. Statt selbst mit dem Baby zu kuscheln, koordiniere ich manchmal nur, wer von den Geschwistern es gerade auf dem Arm halten und knuddeln darf. Sie wird geherzt, besungen und es wird ihr immer irgendwas erzählt. Die Geschwister integrieren sie in ihre Spielwelten. Christian und ich tragen sie beide so gerne, dass wir da immer fast losen müssen, wer jetzt gerade darf.

Doch am Abend ist unsere kleinste Tochter meist „ganz allein mein Baby“ – dann ist unsere Zeit. Wir genießen beide die Ruhe und die Zeit miteinander, wenn sie dauerstillend neben mir auf dem Sofa liegt oder in meinem Arm schläft. Obwohl ich früher immer gerne und auch recht viel am Abend gearbeitet habe, ist das Bedürfnis danach momentan sehr gering. Das Baby bestimmt jetzt, wann Feierabend ist. Und irgendwie gefällt mir das.

Auch Besuch am Abend findet gerade seltener statt. Und wenn der da ist, kommt es trotzdem vor, dass ich auf dem Sofa mit Baby im Arm einschlafe, weil es gerade so entspannt und gemütlich war. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass in dieser besonderen Zeit nur Freunde am Abend bei uns sind, die das „verkraften“ können. Oder die das Phänomen von sich selbst kennen.

So intensiv und voller Nähe

Primär passiert aber gerade an den Abenden ohnehin nicht wirklich viel. Sie gehören einfach dem Baby und mir. Und ja, ich genieße diese Exklusivzeit. Vielleicht auch, weil ich weiß, wie schnell die Zeit vergeht, die so intensiv und voller Nähe ist. Gerade beim ersten Kind konnte ich das oft gar nicht so genießen. Es war zwar schön, mit dem Baby zu kuscheln, aber es fühlte sich bisweilen irgendwie so unproduktiv an. So abgeschnitten von dem Leben das draußen.

Oft hatte ich das Gefühl, etwas zu verpassen oder irgendetwas nicht zu schaffen, wenn ich dauerstillend mit dem Baby im Bett lag. Und natürlich gab es die Befürchtung, dass es für immer so sein würde. Und dass es nie wieder Abende für mich, für uns, für Zeiten mit Freunden geben würde. Aber drei weitere Kinder später weiß ich, dass all dies wiederkommt. Und vorübergehend wieder geht, bis das nächste Kind kommt. Und dann wiederkommt.

Rückblickend eigentlich das Sinnvollste

Irgendwann wird es das letzte Kind sein, mit dem man so „angebunden“ im Bett oder auf dem Sofa liegt. Die Freiheit, seine Abende selbst zu gestalten, wird auch dann irgendwann wiederkehren – und dann wird sie bleiben. Und dann liegen noch viele Feierabende vor einem, an denen man am Abend in Ruhe arbeiten, ausgehen, Freunde treffen oder in Ruhe und beidhändig essen oder was auch immer tun kann. Aber mit seinen Kindern so nah und verbunden die Zeit in Ruhe und aller damit verbundenen Langsamkeit zu verbringen – das wird so nicht wieder zurückkehren.

Auch die größeren Kinder brauchen uns am Abend immer wieder. Aber es ist anders als das was es ist, wenn das Baby bestimmt, wann Feierabend ist. Wenn es einfordert, dass jetzt exklusiv seine Zeit ist. Wenn es Nähe und ganz viel Mama braucht. Ich wünschte manchmal, ich hätte schon beim ersten Kind ein bisschen mehr gespürt, dass diese Zeit am Abend nicht „unproduktiv“ ist. Sie ist rückblickend eigentlich das Sinnvollste gewesen, was ich in dieser Zeit tun konnte. Nämlich einfach das Kind in meinem Arm beim Großwerden mit Liebe, Nähe und Muttermilch so intensiv zu begleiten.

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Kommentare

10 Antworten zu „Den Feierabend bestimmt das Baby“

  1. D
    daniela

    hallo anja,
    hab ein paar deiner artikel gelesen und es tut sooo gut endlich mal von leuten zu lesen die es genauso oder ähnlich machen wie man selbst. im realen leben kenn ich leider nur mamas die alles nach der „norm“ machen, zumindest nach außen hin. was ich dich aber nun gern fragen würde ist folgendes…wir einschlafstillen tags und abends. nun ist es so, dass meine kleine aber nicht ohne mich schläft bzw innerhalb kürzester zeit aufwacht nachdem ich mich davon geschlichen habe. auch bin ich nicht (immer) bereit dazu schon nach dem abendessen mit ihr ins bett zu gehen, wo sie dann aber auch schlafen würde. bis zu einem bestimmten zeitpunkt ist sie super bei uns auf dem sofa eingeschlafen und wir sind dann irgendwann zusammen ins bett. mittlerweile ist sie aber so neugierig und lässt sich von allem ablenken, dass es schon mal dauern kann bis sie auf dem sofa einpennt, kann schon mal 21uhr werden. ist auch gut drauf in der zeit und da sie morgens so lang schlafen kann wie sie will find ichs auch nicht schlimm. die abende sind halt anstrengend für mama und papa. mich würd nur interessieren ob ihr das so in irgend einer weise „schadet“, weil sie ja im bett ziemlich früh schlafen würde?
    würde mich freun von dir zu hören.
    falls es wichtig ist, sie ist 15 monate alt.

    viele grüße
    daniela

    1. A
      Anja Constance Gaca

      Liebe Daniela,

      wenn Du das so schreibst, erinnere ich mich gut daran, dass das bei unseren großen Kindern in dem Alter recht ähnlich war. Oft bin ich in der Zeit eh mit dem Baby ins Bett, weil ich selbst recht müde war oder sie waren dann mit uns einfach etwas länger auf. Gerade mit Geschwistern habe ich das auch immer als Exklusiv-Zeit mit dem Kleinsten gesehen. Schaden tut es sicherlich auf keinen Fall, vorausgesetzt Euch geht es gut damit. Mit dem Wissen, dass einem die Abende- schneller als man denkt- auch wieder selbst gehören, sind auch solche Zeiten gut machbar. Familie ist halt immer ein Zusammenspiel aus den Bedürfnissen von kleinen und großen Menschen. Da gibt es weniger ein „falsch oder „richtig“, sondern mehr ein „so passt das für uns“. Und das tut es ja scheinbar. Also braucht Ihr auch nicht groß was daran ändern. Das Leben mit den Kindern ändert sich ja ohnehin schnell genug wieder und so wie es gerade ist, bleibt es ja auch nicht:)

      Alles Gute für Euch und liebe Grüße,

      Anja

  2. J
    Johanna

    Liebe Anja, lieber Christian,
    unser erstes Kind ist genauso alt wie euer Babymädchen. Vor wenigen Minuten erst habe ich sentimental darüber nachgedacht, wann ich mal wieder Partnerin sein kann neben dem Mamasein. Es fehlt mir, wenngleich ich meiner Tochter keine Sekunde weniger Zeit und Liebe widmen möchte.
    Ein Blick in euren Blog und ich finde diesen Bericht, der nicht zum ersten Mal zu meiner Gefühlswelt passt, als hättet ihr in mich reingeschaut. Ich musste weinen, so gerührt und getroffen war ich. Wir haben ein Baby, welches sich genauso beschreiben lässt, wie Yazzi es getan hat. Und ich empfinde genauso wie sie: „Ihr tut mir gut und macht mich sicherer.“ Und zum Thema Partnerschaft, ich freue mich schon riesig auf euer Buch!

  3. B
    BETTINA

    Warum macht ihr Eure Kinder von euch abhängig?

    1. E
      Eveline

      Unsere Kinder SIND von uns abhängig…..

  4. A
    Angela

    Als ich diesen Text gelesen habe, musste ich daran denken, was ich im Tagebuch für unseren Sohn (damals 5 Monate, inzwischen gut 3 Jahre alt) notiert habe: „…und ich liebe es, wenn, vor allem am Abend, wenn du am Einschlafen bist, alle in der WG gedämpft reden und hantieren, da liegt dann irgendwie so ein friedlicher, sanfter Schleier über der Wohnung. Wenn mal ein Geschwisterchen kommt, und du schon ordentlich mobil bist, wird sich das vermutlich ändern, aber inzwischen genieße ich es einfach!“ Jetzt gibt es seit knapp einem Jahr ein Geschwisterchen und die Abende sind meistens etwas turbulenter (weil beide eher spät schlafen gehen), aber vielleicht finden wir dann ja bei Nr. 4 wieder mehr Ruhe 😉 Genießt es!

  5. Y
    Yazzy

    Liebe Anja, wir haben im April unser erstes Kind bekommen, seitdem weiß jeder besser was zu tun ist bei einem Kind, dass einfach nur ganz viel Nähe von uns braucht, nicht im Kinderwagen liegen möchte, nicht im Maxicosi, nicht im Bettchen, einfach nur in unserer Nähe, an unserem Körper dran. Manchmal lasse ich mich verunsichern und fahre nach Hause und bin ganz streng von der Gesellschaft erzogen worden. Dann schaue ich in ihre Augen, die einfach nur bei Mama sein wollen und Dauernuckeln wollen, keinen Schnulli annehmen möchte sie, einfach nur bei Mama sein. Dann wird mir bewusst, dass das einzige auf dass ich hören muss, die Bedürfnisse meines Kindes sind und nicht irgendwelcher Klugscheisser oder mitleidiger anderer Mütter, die ihre Kinder im Rückbildungskurs auf den Boden legen und nicht dauernd stillen müssen. Nach eurem Blog bin ich sicherer und freue mich, dass jemand so ehrlich schreibt. Ihr tut mir gut und macht mich sicherer.

  6. T
    Theresa

    Ganz genau so habe ich es auch empfunden. Dieses nervöse Aushalten der Abende beim ersten Kind bis hin zum Genießen genau dieser Abende (und beim Minibaby auch der Nachmittage) beim dritten und vierten Kind. Das ist das Geschenk, das uns die weiteren Kinder machen. So nah, so innig, wird man keinem Menschen mehr sein.

  7. J
    Julie

    Liebe Anja, ich lese und liebe euren Blog nun schon eine ganze Weile, genauer gesagt begleitet ihr uns ( unbekannter weise) seit meiner letzten Schwangerschaft vor einem Jahr….ich finde es ist jetzt mal Zeit Danke zu sagen. Für die vielen liebevollen, beruhigenden, ermutigenden Geschichten und Gedanken, in denen ich mich immer wieder wiederfinden darf.So auch hier. Ich sitzen nun schon seit fast neun Monaten mit meinem babysohn jeden Abend auf dem Sofa, wir stillen, er schläft auf mir, ich döse mit- bis wir gemeinsam ins Bett gehen. Das ist meistens wunderschön, manchmal aber auch anstrengend. Meistens genieße ich diese innige symbiose, manchmal fühle ich mich aber auch eingeschränkt und eingeengt. Meistens kann ich uns diese babyexclusivzeit mit ganzem herzen zugestehen, manchmal zerreißt es mich wenn ich die unerfüllten Bedürfnisse in den müden Augen vom großen Bruder sehe. Von dir hier erinnert zu werden wie wertvoll diese besondere Zeit ist, und wie schnell sie vergeht, macht die manchmals viel seltener.

  8. F
    Fritzi

    Soo schön geschrieben…. Vielen Dank! Und so wichtig, sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen…

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