Hebamme ist Hebamme

Hebamme, ich mag das Wort. Und auch viele andere Menschen assoziieren etwas Positives damit. Es ist ja auch unmittelbar mit der besonderen Phase einer Familie rund um die Geburt verknüpft. Doch auch heute ist nicht jedem klar, dass dahinter ein tatsächlicher Beruf mit einer geschützten Berufsbezeichnung steht. Fast alle Kolleginnen kennen die Frage, ob man als Hebamme denn eine Ausbildung braucht oder studieren muss. Tatsächlich wird von manchen Menschen angenommen, dass man Hebamme in einem Wochenend-Weiterbildungskurs werden kann.

Dabei sind die Lerninhalte längst so umfangreich, dass die bisherigen drei Ausbildungsjahre nicht ausreichen. Seit 2020 ist endlich die längst überfällige Akademisierung des Hebammenberufs in Deutschland konkret. In fast allen anderen EU-Mitgliedsstaaten außer in Deutschland findet die Hebammenausbildung nämlich längst an Hochschulen statt. Endlich steht auch in Deutschland eine Reform der Berufsausbildung zur Hebamme an. Vor allem zwei Gründe machen diese Entwicklung unumgänglich.

„Hebammen arbeiten sehr selbständig und unabhängig“

Das ist zum einen die EU-Richtlinie für alle Mitgliedstaaten, die die Überführung der Hebammenausbildung an die Hochschulen bis zum 18. Januar 2020 erfordert. Zum anderen liegt es auch an den beruflichen Inhalten, die in der Ausbildung zur Hebamme vermittelt werden müssen. So schreibt der Deutsche Hebammenverband dazu:

„Ein zweiter wichtiger Grund liegt in der Berufsausübung selbst. Denn der Hebammenberuf hat sich weiterentwickelt und wird dies auch in der Zukunft weiter tun. Dies muss sich inhaltlich auch in der Ausbildung widerspiegeln. Hebammen arbeiten sehr selbständig und unabhängig – ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Gesundheitssystem. Sie müssen über umfassende Kenntnisse und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse verfügen, komplexe physiologische und psychische Prozesse begleiten und einer großen Verantwortung gerecht werden. Hebammen arbeiten bereits heute auf einem akademisierten Niveau.“

Das erlernte Wissen muss durch eine umfangreiche theoretische und praktische Prüfung nachgewiesen werden. So darf sich nur „Hebamme“ bzw. „Entbindungspfleger“ nennen, wer die erforderlichen Ausbildungsstunden bzw. das entpechende Studium und die dazugehörige staatliche Prüfung erfolgreich absolviert hat. Da ich als Hebamme vorbehaltene Tätigkeiten wie die Geburtshilfe und die Überwachung des Wochenbettes ausübe, ist die Berufsbezeichnung geschützt.

Geschützte Berufsbezeichnungen sind sinnvoll

Wie viele andere wichtige Berufe völlig zurecht auch. Wenn sich jemand Arzt oder Apotheker nennt, möchte ich als Patient sicher gehen können, dass diese Person entsprechend qualifiziert ist. Dass sie sich stetig fortbildet und dies sowie die Qualität der Arbeit nachweisbar ist. Mir ist natürlich klar, dass trotz dieser gesetzlichen Vorgaben auch in Tätigkeiten mit einer geschützten Berufsbezeichnung nicht immer alle „einen guten Job“ machen. Das gibt es in jedem Bereich. Davor schützen auch Fortbildungspflicht und Qualitätsmanagement nicht immer.

Dennoch hat man als „Verbraucher“ eine Orientierung, was von dieser Fachperson zu erwarten ist. Und genau deshalb sind geschützte Berufsbezeichnungen sinnvoll: Niemand darf sie verwässert verwenden. Zumal das auch gar nicht erlaubt ist. So steht ganz deutlich im § 25 des Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers: „Ordnungswidrig handelt, wer ohne Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 die Berufsbezeichnung ,Hebamme‘ oder ,Entbindungspfleger‘ führt“

Die Grundlagen sind klar, trotzdem stolpere ich immer wieder darüber, dass sich Menschen ohne entsprechende Ausbildung „Hebamme“ nennen. Meist ist das Wort mit einer Assoziation ergänzt so dass es dann „spirituelle, geistige oder mentale“ Hebammen sind. Auch Formulierungen wie „Hebamme im Herzen“ nutzen vermeintliche Expertinnen ohne Hebammenausbildung, die auch mit Menschen in dieser Lebensphase arbeiten. Ich finde das sehr schwierig. Zum einen können Eltern so nicht nachvollziehen, was sich dahinter verbirgt, auch weil der Lebenslauf der sich so bezeichnenden Personen nicht immer nachzulesen ist. Aber eigentlich sollten sich Eltern einfach darauf verlassen können, dass da wo Hebamme drauf steht auch Hebamme „drin“ ist.

Geburtsvorbereiterin, Elternbegleiterin, Geburtscoach, Doula, Stillberaterin…

Ich erinnere mich, dass vor etlichen Jahren Babykursleiterinnen, die keine Hebammen waren, eine Hebammenpraxis eröffnet hatten. Berechtigterweise gab es von Hebammenkolleginnen viel Kritik. Ob sie sich letztlich umbenannt haben, erinnere ich nicht. Aber Fakt ist: Aus Werbegründen scheint das Wort Hebamme sehr attraktiv zu sein. Fakt ist auch: Ich kann als Hebamme keine gynäkologische Arztpraxis eröffnen, wenn ich keine Ärztin bin. Mein Gefühl sagt mir zwar, dass der Schutz der ärztlichen Berufsbezeichnung etwas ernster genommen und nur von „richtigen Betrügern“ unerlaubt benutzt wird. Aber vielleicht wird auch dieser Begriff häufiger unangemessen genutzt als gedacht.

Bei den „unausgebildeten Hebammen“ stehen nicht selten Menschen mit wirklich guten Absichten dahinter. Auch sie wollen Eltern am Lebensanfang begleiten und haben oft durchaus passende Angebote. Allerdings leisten sie keine Hebammenarbeit. Und ihnen fehlt schlicht die spezielle fachliche Expertise und die praktische Erfahrung im Hebammenberuf. Zudem implizieren Ergänzungen der Berufsbezeichnung wie „emotional“ oder „mental“, dass wir uns als Hebamme gar nicht um diese Bereiche kümmern würden bzw. dafür gar nicht zuständig wären. Dabei nimmt gerade die psychosoziale Begleitung rund um die Schwangerschaft, die Geburt, das Wochenbett und das erste Elternjahr einen großen Raum in unserer Arbeit ein. Körper und Seele lassen sich nicht trennen. Dieser wichtige Aspekt zieht sich durch die gesamte Hebammenausbildung und die spätere Arbeit.

Es gibt zudem etliche Berufsbezeichnungen rund um die Geburt, die nicht nach Strafgesetzbuch (StGB) § 132a (Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen) geschützt sind: Geburtsvorbereiterin, Elternbegleiterin, Geburtscoach, Doula, Stillberaterin… – das macht die Sache eigentlich schon kompliziert genug.

Was Hebammen von Hexen und anderen Fabelwesen unterscheidet

Eltern müssen bei solchen Angeboten immer selbst herausfinden, welche Qualifikation und Erfahrung bei diesen Menschen dahinter stehen. Beim Begriff Hebamme hingegen ist ohne das Lesen des jeweiligen beruflichen Werdegangs klar, dass dieser Mensch eine für die Lebensphasen Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit ausgebildete medizinische Fachfrau ist bzw. ein als Entbindungspfleger bezeichneter Fachmann.

Doch das Wort für die männliche Berufsbezeichnung ist bei weitem nicht so schön und vor allem auch nicht ganz passend. So kann ich gut nachvollziehen, dass sich mein Berliner Kollege Peter Wolf, der seine Hebammenausbildung in England gemacht hat, selbst auch Hebamme nennt. In England muss man übrigens schon lange studieren, um Hebamme werden zu können.
Vielleicht wurde hier in den letzten Jahren in Sachen Professionalisierung beim Hebammenberuf an manchen Stellen etwas geschlafen. Denn anders kann ich mir manche immer noch vorherrschende Vorurteile über diesen Beruf nicht erklären.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Begriff „Hebamme“ und alles das, was dahinter steht, auch gut geschützt ist und bleibt. Gesellschaftlich muss es – und das bereits vor Beginn der eigenen Familienplanung – klar sein, dass es eine eigens für diese Lebensphase zuständige Berufsgruppe gibt. Und dass wir keine „nette Ergänzung“ sind, die man noch zusätzlich in Anspruch nimmt. In anderen Ländern ist es viel selbstverständlicher, dass komplikationslos verlaufenden Schwangerschaften primär von Hebammen begleitet werden. Hier in Deutschland führt der erste Weg nach dem positiven Test sehr häufig zunächst in die Frauenarztpraxis.

Aber irgendwie ist das auch nachvollziehbar, wenn sich am Ende „jeder“ Hebamme nennt und niemand so richtig weiß, was die da eigentlich machen. Und ob die überhaupt dafür ausgebildet sind. Es gibt noch viel zu tun, damit die geburtshilfliche und darüber hinaus gehende Versorgung von Familien angemessen und auf hohem Niveau gewährleistet ist. Sei es durch die längst überfällige Umstrukturierung der Hebammenausbildung oder das stetige Aufklären darüber, was Hebammen von Hexen und anderen Fabelwesen unterscheidet.

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