Die Frage „Was wird es denn?“ bekommt eine Schwangere fast immer zuerst gestellt. Sie kommt noch weit vor der Frage, ob es ihr überhaupt gut geht. Das Geschlecht des ungeborenen Kindes scheint für viele Menschen von großer Bedeutung zu sein. Für viele Eltern ganz bestimmt, denn viele wollen gerne schon vorab wissen, was sie bekommen. Andere lassen sich überraschen. Den Überraschenlassern, wird bisweilen sogar unterstellt, dass man es ja eigentlich doch wüsste und es nur nicht verraten will.
Außerdem fangen die Menschen um einen herum, egal wie rational sie sonst unterwegs sind, plötzlich vielfach mit dem Orakeln darüber an, wer da denn nun im Bauch wartet. Da träumen andere von einem Baby mit Penis als sicherem Hinweis auf einen Jungen. Oder es wird auf Basis der Bauchform gemutmaßt, dass es sich auf jeden Fall um ein Mädchen handelt. Die Geschwisterkinder sehen sich mit Spekulationen konfrontiert. Und manche fragen die Hebamme , ob man tatsächlich mit einem Pendel bestimmen kann, ob es nun ein Bruder oder eine Schwester wird.
Gerne werden auch „Ängste“ in Hinblick auf die nun viel kompliziertere Namenssuche und farbtechnisch schwierigere Beschaffung der Erstausstattung geschürt. Warum eigentlich? Eltern überlegen sich „einfach“ (nicht ohne Grund in Anführungszeichen) einen Namen für jedes Geschlecht und kaufen dann Babysachen in ihren Lieblingsfarben.
Überraschungen statt Ultraschall
Gerade im Babyalter ist es Kindern egal, welche Farbe ihre Kleidung, das Tragetuch oder der Kinderwagen hat. Scheinbar ist es für die werdenden Eltern selbst manchmal leichter, neun Monate einfach „nur“ auf ein Baby statt konkret auf einen (weiteren oder ersten) Sohn oder eine (weitere oder erste) Tochter zur warten, als für die Menschen im Umfeld.
Auch die Geschlechtsbestimmung vor der Geburt kann so ihre Tücken haben. Wenn man es sich vorher verraten lässt, geschieht das meist per Ultraschall. Im Rahmen der pränataldiagnostischen Genuntersuchungen gibt es auch die Option, das Geschlecht dabei bestimmen zu lassen. Diese Aussage ist recht zuverlässig.
Auch der Ultraschall zeigt, zumindest wenn die Schwangerschaft weit genug fortgeschritten, meist recht sicher das Geschlecht an. Wobei man sagen muss, dass sich Jungs damit eindeutig leichter feststellen lassen. Letztlich sind aber sämtliche Ultraschallbefunde auch immer ein bisschen von der Erfahrung der schallenden Ärztin oder des schallenden Arztes sowie der Qualität des Gerätes abhängig. Dazu kommt, dass das Kind nicht immer in einer Lage im Bauch liegt, die den Blick auf alles zulässt.
Präferenz oder Wunsch bezüglich des Geschlechts
Und so kommt es immer wieder vor, dass die „sehr sicheren“ Geschlechtsprognosen per Ultraschall dann doch nicht stimmen. Auch nach der Geburt gibt es immer wieder Überraschungen in diese Richtung. Oft können die Eltern es mit Humor nehmen und freuen sich einfach über ihr Kind, was da gerade geboren wurde – ganz unabhängig vom Geschlecht.
Bisweilen kann es aber auch schwierig sein. Wenn Eltern sich sehr auf ein Geschlecht und ihre damit verbundenen Vorstellungen einstellen, kann es dann schon recht schwer sein, die neue Situation gut anzunehmen. Manchmal sogar auch das Kind. Dies braucht eine gute Begleitung. Oft schämen sich die Mütter sehr für ihre Gefühle, die aber dennoch da sind.
Anpassungsprozess kann Familien belasten
Manchmal ist es bereits in der Schwangerschaft schwer zu verarbeiten, wenn das Kind im Bauch ein anderes Geschlecht hat als vielleicht erwartet. Natürlich stellt sich da die Frage, ob wir als Eltern überhaupt das Recht haben, etwas Bestimmtes zu erwarten. Dennoch haben viele werdende Eltern eine Präferenz oder einen Wunsch bezüglich des Geschlechts. Wenn die Realität dann anders aussieht, müssen vielleicht Erwartungen oder Ideen an die Zukunft mit Kind verabschiedet werden.
Dieser Anpassungsprozess kann mehr oder weniger belastend sein und zeitlich unterschiedlich lange dauern. Oft haben die Wünsche und Erwartungen wenig mit dem tatsächlichen Kind zu tun, was gerade im Bauch heran wächst. Es geht eher um bisher gemachte Erfahrungen.
Wer vielleicht mit vier Brüdern aufgewachsen ist, hat eine recht konkrete Vorstellung davon, wie es sein könnte, Mutter von mehreren Söhnen zu sein. Wer selbst ein gute und liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung mit vielen schönen Kindheitserinnerungen erlebt hat, wünscht sich vielleicht eine Wiederholung davon mit einer eigenen Tochter.
Einstige Wünsche und Erwartungen loslassen
Vieles kann den Wunsch nach einem bestimmten Geschlecht beeinflussen. Für Außenstehende sind die jeweiligen Argumente oft nicht nachvollziehbar. Gerade für diejenigen Menschen übrigens, denen es wirklich ganz egal sein müsste, ob da nun ein Junge oder ein Mädchen zu ihnen kommt. Oder für Eltern, die um das Leben ihres Kindes bangen müssen und derartige „Luxusprobleme“ überhaupt nicht nachvollziehen können.
Als Hebamme geht es nicht darum , die Enttäuschung (Gender disappointment) zu bewerten, sondern die Familie dabei begleiten, eine gute Eltern-Kind-Bindung aufzubauen. Zum Glück ist das in den allermeisten Fällen auch möglich.
Wenn Eltern ihre einstigen Wünsche und Erwartungen loslassen, wird der Blick wieder frei auf all das Wunderbare, was dieser kleine Mensch jetzt und hier mitbringt. Ganz egal, ob es nun ein Mädchen oder ein Junge ist.
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