Wir entfernen uns schon seit vielen Jahren langsam aber sicher vom großflächigen Konsum. Anfangs war das noch ein unmerklicher Prozess. Er war eher durch eine innere Verweigerung zu spüren, nicht mehr noch unbedingt dieses oder jenes Teil kaufen zu müssen. Mittlerweile hat die Sache Fahrt aufgenommen und wir haben in den letzten Jahren immer wieder aussortiert und uns von Dingen getrennt. Zweimal im Jahr machen wir schon lange Kinderflohmarkt, um nicht mehr benötigte Klamotten und Spielzeug loszuwerden. Minimalismus bezieht sich aber nicht nur auf Gegenstände. Auch der Terminkalender wird immer mehr reduziert und fokussiert. Denn gerade Zeit ist das wertvollste, was wir haben.
Einerseits hat das natürlich den Grund, dass wir in den letzten Jahren immer mehr Menschen geworden sind, die auf der gleichen verfügbaren Fläche leben wollen. Das ist nicht immer leicht, aber es geht für uns gut. Ich habe das Gefühl, dass wir aktuell mehr Platz zur Verfügung haben als vor drei Jahren. Und das, obwohl wir ja mittlerweile zu sechst sind.
Über die Jahre wurden hier Zimmer optimiert. Es wurde umgestellt, umgebaut, umarrangiert, wegrationalisiert. Statt mehr Stauraum anzuschaffen, wenn es eng wurde, haben wir dann angefangen, noch mal gründlich auszusortieren. Es war ein langer Prozess – und er ist es noch. Wir haben uns gestritten dabei, über vermeintliche und echte Lieblingsstücke. Übers Sammeln und Horten. Ich besaß mal zwei Regalmeter Schallplatten, von denen ich mich lange nicht trennen konnte. Allerdings war der tolle britische Riemen-Plattenspieler die letzten drei Jahre seiner Existenz bei mir nicht einmal angeschlossen. Ich haben die Sammlung langsam aufgelöst. Es fühlt sich bis heute erstaunlich okay an.
„Brauche ich das wirklich? Verbessert oder bereichert es mein Leben?“
In schöner Regelmäßigkeit räumen wir also immer wieder aus. Anja experimentiert gerne mit Möbeln und deren Plätzen. In den letzten Monaten haben wir ein komplettes, ziemlich großes Bücherregal ausgemustert. Beide haben wir uns von vielen Büchern getrennt. Viele davon hatte keiner von uns seit Jahren überhaupt einmal in der Hand. Wir haben sie verschenkt, verkauft und dem Bücherbaum vor Ort zukommen lassen. Es fühlt sich bis heute toll an, sachlich und emotional Platz geschaffen zu haben. Jedes Mal, wenn ich auf die nun frei gewordenen Fläche schaue, fühle ich mich innerlich ein Stück befreiter.
Außerdem ist das Aufräumen in den gesamten Wohnung wesentlich leichter geworden. Das ist auch dadurch bedingt, dass wir versuchen, für jede Sache einen festen Ort bzw. Platz zu haben. Denn was hier immer gerne für Chaos gesorgt hat und noch sorgt, sind letztlich jene Dinge, die nirgendwo so richtig hingehören und deshalb Ablagen, Schubladen oder den Fußboden zumüllen.
Die Kinder haben natürlich trotzdem noch reichlich Spielzeug, was wir ihnen auch nicht wegnehmen. Und so manches kommt auch dazu, weil sich zum Beispiel Interessen verändern. Aber schon seit geraumer Zeit versuchen wir den Kids zu erklären, wie das mit dem Kaufen ist. Sie sollen sich „einfach nur“ ein paar Fragen stellen vor der Anschaffung von irgendwelchen Dingen. „Brauche ich das wirklich? Verbessert oder bereichert es mein Leben?“ Und natürlich dürfen sich diese Frage auch die Eltern stellen. Außerdem ist es sinnvoll, im Zuge von Neuanschaffungen zu überlegen, was dafür nun wieder gehen darf.
Keine Konsumverweigerer, aber bewusster kaufen
Wir sind beileibe keine Konsumverweigerer, weder als Familie noch als Individuen. Ich freue mich dennoch darüber, dass die Familie mittlerweile nicht mehr hemmungslos Dinge schenkt und schickt, sondern vorher fragt, was benötigt wird. Oder gleich in Erlebnisse investiert mit den Kids. Auch das war streckenweise ein schwieriger Prozess für alle Beteiligten. Wir wollen an dieser Stelle übrigens niemandem aufdrücken, das weniger zwingend mehr ist. Aber wer sich vielleicht schon länger erdrückt fühlt von den vielen Sachen um ihn herum, dem hilft dieser Text vielleicht etwas weiter. Womöglich wird es ein Anfang, sich auf Wesentliches zu konzentrieren und anders zu konsumieren. Wie gesagt: Ohne Konsum leben wir nicht. Aber wir kaufen mittlerweile sehr viel bewusster.
Wir versuchen, gute und qualitativ hochwertige Sachen zu kaufen. Es mag im ersten Moment schmerzen, viel Geld für eine Pfanne oder einen Handmixer ausgeben zu müssen. Aber es zahlt sich fast immer aus. Die Sachen halten länger, funktionieren besser oder man erfreut sich einfach mehr an ihnen. Entscheidend ist aber letztlich immer die Frage, ob wir etwas wirklich brauchen. Gerade im Küchenbereich neigt man schnell dazu, Dinge doppelt und dreifach anzuhäufen. Die doppelten Dinge durften alle nach und nach gehen. Und die Design-Küchenmaschine ist letztlich ebensowenig hier eingezogen wie der teure Kaffeeautomat. Einfach weil wir ganz persönlich wohl mehr die Mokkakännchen- und Handrührgeräte-Menschen sind.
Bei Kleidung schauen wir mittlerweile darauf, Lieblingsstücke erneut zu kaufen und in einem Farbspektrum zu bleiben. Und auch hier lieber ein wertiges Stück statt vieler günstiger zu kaufen. Ein teurer Pulli hält oft länger als das schnell gekaufte Shirt im Fastfashion-Laden. Bei den Kindern gelten hier etwas andere Regeln, einfach weil durch Wachstum und Belastung der Verschleiß viel höher ist. Dennoch haben die Kinder mittlerweile selbst erkannt, dass ihre billigen T-Shirts schnell breit mal hoch sind, während die teureren (meist im Sale gekauften) Teile auch nach Monaten noch gut in Form sind. Die können dann problemlos noch eine Generation vererbt oder auch auf dem Flohmarkt verkauft werden.
Und ja, es ist wirklich gruselig, dass wir uns in unserer Überflussgesellschaft Gedanken machen, wie wir gegen das „Zuviel“ arbeiten, während andere nicht mal das Nötigste haben. Man kann diese ganze Minimalismus-Idee sicherlich mit einer „Denen geht es wohl zu gut“-Phrase abtun. Aber sich keine Gedanken zu machen, verändert am Ende auch nichts.
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