Sechs Monate stillen mit Brusthütchen und wie es weiter ging

Dies ist der erste Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“, in dem Daniela ihre Stillgeschichte erzählt. Sie ist 39 Jahre alt und arbeitet als Wissenschaftlerin an der Universität Lüneburg. Sie und ihr Mann sind Eltern eines drei Jahre alten Kindes.

Ihr Baby kam vier Wochen vor dem errechneten Termin zur Welt. Stillschwierigkeiten kommen bei den „späten Frühchen“ häufig vor. Wie sie diese Schwierigkeiten gemeistert hat, wie letztlich das Stillen ohne Brusthütchen (früher auch Stillhütchen genannt) gelang und die Abstillzeit verlief, berichtet Daniela hier. Brusthütchen können eine sinnvolle Stillhilfe sein, wenn sie bei entsprechender Indikation eingesetzt werden, wie zum Beispiel bei zu früh geborenen oder saugschwachen Kindern. Bei manchen Mamillenformen oder bei Anlegeschwierigkeiten von Seiten des Kindes kann auch der Einsatz eines Brusthütchens angezeigt sein.

Sie sollten aber nicht leichtfertig und immer unter fachlicher Begleitung zum Einsatz kommen. Zur Behandlung wunder Brustwarzen sind sie in der Regel nicht geeignet, da sie das Problem nicht beheben bzw. sogar noch verschlimmern könnten. Das Abgewöhnen der Brusthütchen verläuft sehr unterschiedlich, aber immer wieder auch so plötzlich, wie Daniela es hier beschreibt.

Holpriger Stillstart

Was hast du vor deiner Schwangerschaft über das Stillen gedacht bzw. welche Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
Ich bin selbst, wie so viele Westkinder der späten 1970er, ein ungestilltes Kind gewesen. Viele meiner Freundinnen, die allerdings ein paar Jahre vor mir Kinder bekommen haben, haben gar nicht oder nur sehr kurz gestillt, aus unterschiedlichen Gründen, die ich aber aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehen kann. Damals hatte ich wahrscheinlich gar keine Meinung zum Stillen.

Wie hast du dich vor der Geburt über das Thema informiert? Gab es Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf die vor euch liegende Stillzeit?
Ich wollte unbedingt stillen, vor allem weil ich sehr viele Allergien und Neurodermitis habe und mich schlau gemacht hatte über die gesundheitlichen, vor allem allergiepräventiven Vorteile des Stillens. Sieben Monate wollte ich mindestens durchhalten, komme was da wolle. Dass daraus mehr als drei Jahre werden würden, hätte ich niemals gedacht, habe mir aber gewünscht, ich könnte länger als ein Jahr stillen.

Wie verlief der Stillstart und wie ging es dir und Deinem Baby dabei? Welchen Einfluss hatte die Geburt auf eure ersten Stillmomente?
Der verlief leider sehr holprig. Mein Baby kam vier Wochen zu früh. Und weil es anfangs Probleme mit dem Atmen hatte, hat die U1 in einem anderen Raum stattgefunden und über eine Stunde gedauert. Als ich das Baby dann endlich hatte, klappte das Anlegen aber nicht. Es hat zwar nach der Brust gesucht, aber bekam die Brustwarze nicht richtig zu fassen und war dann wohl auch zu schwach. Wir haben es natürlich andauernd probiert, aber ich musste eben zunächst mal alle zwei Stunden abpumpen und wir haben ihm die Milch dann in den ersten Tagen mit einer Spritze eingeflößt. Zum Glück hatte ich mit dem Abpumpen und der Milchbildung gar keine Schwierigkeiten.

Ein halbes Jahr Baby-led-Sauerei

Wie lief das Stillen im Wochenbett? Hattest du in dieser Zeit Unterstützung?
Auf der Wochenbettstation des „stillfreundlichen“ Krankenhauses hatten die Schwestern leider keine grandiosen Ideen, wie das mit dem Stillen doch klappen könnte. Sehr unglücklich war ich darüber, dass meine Beleghebamme noch in Urlaub war, weil mein Baby ja vier Wochen vor dem Termin gekommen ist. Wir mussten allerdings noch eine Woche im Krankenhaus bleiben, weil das Baby eine sehr starke Gelbsucht hatte. Eine der Kinderkrankenschwestern hatte dann die Idee, es mal mit einem Stillhütchen zu probieren. Damit klappte es dann und ich habe die nächsten sechs Monate ausschließlich mit Hütchen gestillt.

Wer war bei Fragen oder Problemen in der Stillzeit für Dich da? Wer oder was hat Dir besonders gut bei etwaigen Schwierigkeiten geholfen?
Als meine Hebamme dann da war, hat sie mich schon beruhigt und auch mal mitgenommen zu einer Stillberaterin. Ich habe dann nach ein paar Monaten noch mal Hilfe gesucht bei einer anderen Stillberaterin, weil ich so gerne die Hütchen losgeworden wäre. Das hat zwar nicht geklappt, aber sie sagte mir, dass mein Kind die Dinger von einem auf den anderen Tag plötzlich nicht mehr brauchen wird – und genauso war es auch. Ziemlich genau nach sechs Monaten flogen sie in hohem Bogen über den Rand des Sofas. Aber am Tollsten war die „Fabel“-Gruppe, in der ich war. Die Leiterin und auch die erfahrenen Zweitmamis waren unfassbar wertvoll für alles, was so auf der Seele brannte tagtäglich.

Wie verlief der Beikostbeginn? Welche Erwartungen gab es? Und wie hat sich das Stillen in dieser Zeit verändert?
Ich habe den Beikostbeginn richtig lange hinausgezögert, weil ich total Angst hatte, mein Kind könnte Allergien haben. Jedes Lebensmittel habe ich einzeln ausgetestet und ein Tagebuch geführt, wie das Kind auf die Nahrung reagiert. Das Kind war ja mittlerweile mit acht Monaten ein Stillprofi und hat auch munter weiter gestillt, nur mal hier an einem Stück Gurke rumgelutscht oder da in einer Pastinake rumgematscht. Wir haben Baby-led weaning gemacht und das war mindestens noch ein weiteres halbes Jahr ausschließlich Baby-led-Sauerei. Gegessen wurde eher nicht. Gestillt umso mehr. Verändert hat es sich erst, als ich wieder angefangen habe zu arbeiten und das Kind in die Kita kam. Ich arbeite an der Uni und muss während des Semesters drei Tage und zwei Nächte in eine andere Stadt. Dort habe ich übrigens zweimal am Tag abgepumpt und die Milch dann in einer Kühltasche nach Hause transportiert und eingefroren für die Abende, die das Kind ohne mich einschlafen musste.

Kühltruhe voll mit Muttermilch

Wie verlief der Abstillprozess bzw. welche Wünsche oder Vorstellungen hast du in Bezug auf diese Zeit?
Als das Kind zweieinhalb Jahre alt war, habe ich mal versucht, nachts abzustillen, weil es nach wie vor mehrmals in der Nacht die Brust verlangt hat und ich mir einfach nicht mehr die Nächte um die Ohren hauen wollte. Das hat aber gar nicht geklappt. Stundenlange Proteste, deshalb habe ich das Vorhaben sofort wieder aufgegeben. Vor ca. vier Monaten habe ich dann aber nach und nach aufgehört, auf der Arbeit abzupumpen und weil das Stillen zuhause ja auch immer weniger wurde, ist vor kurzem wirklich die Milch weggeblieben. Mit meinem Kind habe ich dann vereinbart, dass es zum Einschlafen noch trocken nuckeln darf, aber wir ansonsten „Ona“ jetzt bye bye sagen. Das wird auch akzeptiert. Stattdessen wird die Brust jetzt befummelt, aber das geht für mich in Ordnung.

Was war oder ist das Schönste für dich am Stillen?
Das Schönste für mich ist, dass es so ein einfacher und archaischer Weg war und ist, mein Kind sofort zu beruhigen, Nähe und Geborgenheit zu schenken und natürlich beim Einschlafen zu helfen. Und kuschelig ist es auch. Es gibt doch fast nichts Süßeres, als ein Baby dabei zu beobachten, wie es durch das Stillen ins Koma fällt.

Was war am schwersten oder belastendsten für Dich in der Stillzeit?
Das war schon der schwierige Stillstart und die Angst, das während der Monate mit Stillhütchen die Milch zurückgehen könnte. Deshalb habe ich während des Vollstillens immer noch abgepumpt und eingefroren. Irgendwann war fast nichts anderes mehr in der Kühltruhe als Muttermilch. Und natürlich war es anstrengend, voll zu stillen und zusätzlich abzupumpen. Am Anfang fand ich es auch nicht so einfach, in der Öffentlichkeit zu stillen, weil man sich mit den Hütchen schon mehr entblößen muss und mehr Fummelei hat, als wenn man einfach nur anlegt. Dazu läuft ja immer am Ende irgendwo Milch an einem runter. Aber ich hab es eben trotzdem gemacht und auch die ganze Stillzeit hindurch immer in der Öffentlichkeit gestillt. Als das Stillen nach einem halben Jahr dann so einfach wurde und ich mir in den Kopf gesetzt habe, noch viel länger zu stillen, vor allem weil das Kind auch kein guter Esser war, habe ich mir auch furchtbar viele Gedanken darüber gemacht, ob ich das Kind doch abstillen muss oder nicht, bevor ich wieder arbeiten gehe, weil ich ja drei ganze Tage nicht da bin. Völlig unbegründet, wie sich ja dann herausgestellt hat.

Was würdest du in einer weiteren Stillzeit anders machen? Was ist deine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf das Stillen, die du anderen Müttern weitergeben würdest?
Davon mal abgesehen, dass ich natürlich jetzt viel entspannter wäre, würde ich gar nichts anders machen. Ich bin stolz auf mich, dass ich es trotz der Schwierigkeiten hinbekommen und durchgehalten habe und vor allem auch so stolz auf mein Kind, das ganz alleine immer kompetenter wurde, was das Stillen und jetzt auch das Abstillen angeht. Wir hatten und haben trotz allem eine wunderbare Stillzeit und das Kind hat, ob nun wegen des Stillens oder nicht, (bis jetzt) nicht die allerkleinste Allergie und war auch so gut wie nie krank. Deshalb ist meine wichtigste Erkenntnis, dass Stillen nicht das Einfachste ist, aber auch keine Wissenschaft. Man muss auf sich und das Kind vertrauen und darf nicht den Mut verlieren. Und lieber Hilfe suchen, als vorschnell abzustillen. Denn am Ende lohnt es sich.

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Kommentare

3 Antworten zu „Sechs Monate stillen mit Brusthütchen und wie es weiter ging“

  1. K
    Kristin

    Das freut mich unglaublich, dass das so gut geklappt hat. Ich stille auch mit Hütchen und mein Dohn zieht das Hütchen häufig ab. Vielleicht möchte er auch einfach ohne Hütchen trinken. Du bist eine Inspiration für mich, da ich auch nach einem Jahr wieder arbeiten gehen muss und ehrlich gesagt vorhet nicht abstillen möchte. Ich liebe das innige Stillen und kann nicht genug von den kleinen suchenden Händchen bekommen. Danke, dass ihr hier eine so schöne Reihe aufgesetzt habt.

  2. I
    Inge

    Wie geduldig ihr mit den Hütchen wart! Wir hatten auch Probleme beim Anlegen (irgendwie war mein Busen sich selbst im Weg ) aber das Personal war überlastet und so landete ich bei den Hütchen und bin sie zwei Monate lang nicht losgeworden. Hätte ich das mal vorher gewusst. Gerade das gefriemel, wenn man eh unsicher in der Öffentlichkeit ist oder die Panik, wenn man sie mitten in der Nacht nicht findet oder zuhause vergessen hat.. Naja, immerhin hatte ich keine zurückgehende Milch und irgendwann wurden wir sie dann – von einem Tag auf den anderen – los. Man muss manchmal wohl einfach Geduld haben. Und danach wurde es erst richtig schön

  3. S

    Oh ja Stillen mit Stillhütchen. Davon kann ich auch ein Lied singen. Ich persönlich fand es, ehrlich gesagt, total nervig. Also nicht das Stillen, sondern das Hütchen. Man war echt Sklave von dem Ding. Wenn ich es nicht dabei hatte, war mein Sohn völlig aufgeschmissen. Wir haben das Ganze 16 Monate durchgezogen. Leider war ich nicht konsequent genug, ihm das Hütchen abzugewöhnen und ich habe auch Angst gehabt, vielleicht etwas falsch zu machen beim Anlegen. Wobei ich im Nachhinein denke, dass diese Hütchen bei den meisten gar nicht notwendig sind. Meine Kinder sind auch Frühchen (10 und 12 Wochen zu früh), aber auch die können sehr wohl stark genug saugen. Ich denke, vor allem die Technik ist wichtig und dass man durchhält. Leider kann sich das Krankenhauspersonal nicht genügend Zeit nehmen zum Helfen oder es fehlt ihm auch teilweise das Wissen, um es richtig zu zeigen. Da ist so ein Hütchen sehr schnell und praktisch. Bei meinem Zweiten, der sogar noch früher kam, stille ich auch voll und zwar ohne Stillhütchen. Aber dieses Mal war meine Motivation größer ohne „Sklaventreiber“ zu stillen, ich habe mir selbst mehr vertraut und ich habe auch später einen Tipp bekommen, wie das Anlegen richtig funktioniert.

    Deine Geschichte ist wirklich ein super Beispiel dafür, nicht sofort aufzugeben. Und besonders toll finde ich, dass du trotz deiner tageweisen Abwesenheiten noch weiter stillen konntest. Deine Geschichte ist doch echt ein super Beispiel, dass es auch nach einem holprigen Start am Ende alles sehr gut funktionieren kann!

    Ich bin schon sehr gespannt auf die nächsten Stillgeschichten 🙂

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