Stillen mit und ohne Brusternährungsset

Dies ist der 17. Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“ (alle weiteren findet ihr gesammelt hier), in dem Bettina ihre Stillgeschichte erzählt. Sie ist 35 Jahre alt, verheiratet und wohnt in einem kleinen Dorf am oberbayerischen Alpenrand. Im April 2017 kam ihr Sohn auf die Welt. Die ersten Wochen waren von großen Stillschwierigkeiten geprägt. Auch die Durchtrennung des verkürzten Zungenbändchens brachte keine wirkliche Verbesserung der Situation. Bettina erzählt, wie sie mit viel Anstrengung doch noch zu einer entspannten Stillbeziehung gefunden hat.

In den ersten Lebenstagen rückblickend zu selten angelegt

Was hast du vor deiner Schwangerschaft über das Stillen gedacht bzw. welche Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
Erfahrungen hatte ich vor meiner Schwangerschaft quasi keine. Unsere Familie ist sehr überschaubar, und es gab bzw. gibt auch sonst keine kleinen Kinder im nächsten Umfeld. Was ich darüber gedacht habe, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Man weiß ja auch nicht mehr, wie es war, als man noch nicht lesen konnte. So ähnlich kommt es mir vor.

Wie hast du dich vor der Geburt über das Thema informiert? Gab es Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf die vor euch liegende Stillzeit?
Vor der Geburt habe ich mich umfassend informiert. Ich las viele Bücher zum Thema Stillen, Schlafen, Attachment Parenting etc. – und auch im Geburtsvorbereitungskurs, den eine ganz liebe Hebamme mit der Zusatzqualifikation Stillberaterin IBCLC leitete, nahm das Stillen einen hohen Stellenwert ein. Ich wollte auf jeden Fall stillen und fühlte mich gut vorbereitet. Wünsche und Vorstellungen gab es sicher, aber das ist gar nicht so einfach, das im Nachhinein noch zu beantworten… natürlich wollte ich, dass es klappt. Rückblickend kann ich sagen, dass ich es mir viel einfacher vorgestellt hatte.

Wie verlief der Stillstart und wie ging es dir und Deinem Baby dabei? Welchen Einfluss hatte die Geburt auf eure ersten Stillmomente?
Eigentlich verlief der Stillstart ganz gut, zumindest die ersten zwei, drei Tage. Wir hatten das Glück, dass wir eine komplikationslose, natürliche Geburt erleben durften. Kurz nach der Entbindung habe ich unseren kleinen Buben mit Hilfe der Hebamme zum ersten Mal angelegt. Es funktionierte auch ganz gut, der Kleine hat gut gesaugt. Aber er ist immer wieder eingeschlafen. Er hat so auch immer ziemlich fest geschlafen und war schwer zu wecken, so dass ich ihn in den ersten Lebenstagen rückblickend zu selten angelegt habe.

Er schrie dann immer öfter und länger. Wenn wir stillten, saugte er aber eigentlich gut. Das sagten auch die Hebammen und Schwestern im Krankenhaus. Bei der U2 wurde dann ein verkürztes Zungenband festgestellt. Die Ärztin fragte mich noch, ob er gut saugt. Ich bejahte, und das sahen auch die Hebammen und Schwestern im Krankenhaus so. Wir kamen dann nach Hause – und die Schwierigkeiten fingen an…

So glücklich und so voller Freude

Wie lief das Stillen im Wochenbett? Hattest du in dieser Zeit Unterstützung?
Die Wochenbettzeit war unendlich schwierig in Bezug auf das Stillen. Als wir daheim waren, wollte der Kleine nicht mehr an die Brust, am fünften Lebenstag verweigerte er völlig, hatte natürlich einen Riesenhunger und schrie viel. Meine Nachsorgehebamme wusste auch keinen Rat mehr – und schließlich gab es die Flasche, damit der Kleine satt wurde. Das Zungenband wurde durchtrennt, in der Hoffnung, dass das die Lösung des Problems war. War es aber nicht. Unser Kleiner machte einfach seinen Mund nicht mehr weit genug auf. Ich war völlig verzweifelt und es gab viele viele Tränen, ich wollte doch unbedingt stillen.

Um die Milchproduktion aufrechtzuerhalten, fing ich an zu pumpen. Es war eine furchtbar anstrengende Zeit. Pumpen, füttern, immer wieder versuchen ihn anzulegen, vergebens. Ich war mit den Nerven am Ende und hätte nur noch heulen können. Meine Nachsorgehebamme konnte mir keine Unterstützung sein. Aber immerhin hat sie mich auf die La Leche Liga aufmerksam gemacht. Ich hatte auch damals schon kurz Kontakt zur LLL-Stillberaterin hier in der Gegend, brauchte und wollte aber persönliche Unterstützung.

Da mein Sohn Anfang der Osterferien auf die Welt kam, war die Stillberaterin IBCLC hier in der Gegend leider gerade im Urlaub. Deshalb dauerte es etwa zwei Wochen, bis wir dort einen ersten Termin hatten. Wochen, in denen unser Kleiner ausschließlich aus dem Fläschchen trank und ich abpumpte, und er die kleine Menge Muttermilch zusätzlich zur Pre-Nahrung bekam. Ab dem ersten IBCLC-Termin ging es dann aufwärts. Bei der Stillberaterin versuchten wir das Brusternährungsset (BES) – und mit ihrer Hilfe trank unser Sohn sofort! Ich war so glücklich und so voller Freude, dass wir nun wahrscheinlich doch noch werden stillen könnten.

Kombination aus Flasche und Stillen mit BES

Wer war bei Fragen oder Problemen in der Stillzeit für Dich da? Wer oder was hat Dir besonders gut bei etwaigen Schwierigkeiten geholfen?
Es folgten schwere Monate, aber es ging bergauf. Wir waren weiter bei der Stillberaterin IBCLC in Beratung, meist telefonisch. Anfangs gab es eine Kombination aus Flasche und Stillen mit BES. Irgendwann habe ich dann beschlossen, die Flasche wegzulassen und ausschließlich mit BES zu stillen. Das hatte auch den Vorteil, dass ich kaum mehr pumpen brauchte. Mit der Zeit sank die Menge der Zufütterung, und es wurde möglich, bei einigen Stillmahlzeiten komplett auf das BES zu verzichten. Anfangs nur nachts, dann auch vormittags, dann sogar bis nachmittags.

Wir haben immer erst normal gestillt, und wenn ich merkte, er hat noch Hunger, gab es noch das BES dazu. Zum Vollstillen haben wir es leider nie geschafft, aber zum Schluss war die Zufüttermenge bei ca. 100 Milliliter am Tag, also fast nichts. Zusätzlich war ich dann auch in Kontakt mit der LLL-Stillberaterin und besuchte auch die Stilltreffs, die sie regelmäßig veranstaltet. Ohne die beiden Stillberaterinnen und meinen Mann, der uns immer unterstützt hat, hätten wir es nie geschafft.

Wie verlief der Beikostbeginn? Welche Erwartungen gab es? Und wie hat sich das Stillen in dieser Zeit verändert?
Mit der Beikost haben wir mit etwa fünfeinhalb Monaten begonnen. Meine Erwartung war, dass ich dann auch den letzten Rest Zufütterung weglassen konnte. Und so war es dann nach kurzer Zeit auch. Es gab relativ schnell den Abendbrei statt des BES. Ansonsten haben wir gestillt. Die Stillmahlzeiten wurden zuerst nicht weniger, aber das ist ja ganz normal. Trotzdem habe ich kurz nach Einführung der Beikost eine leichte Brustentzündung bekommen, bis dahin hatte ich zum Glück keinerlei Probleme dieser Art. Ich war kurz zuvor erkältet, das hat wahrscheinlich auch mitgespielt.

Seit Beikostbeginn wurde das Stillen schöner

Seit Beikostbeginn wurde das Stillen schöner und entspannter und hat plötzlich einfach irgendwie besser funktioniert. Es war nicht mehr so verkrampft. Im Nachhinein denke ich, das war deswegen, weil ich dann lockerer war. Ich wusste, ich bin jetzt nicht mehr die alleinige Nahrungsquelle für mein Kind. Das hat mir irgendwie den Druck genommen.

Wie verlief der Abstillprozess bzw. welche Wünsche oder Vorstellungen hast du in Bezug auf diese Zeit?
Wir sind mittendrin. Nach ein paar Monaten hat unser Sohn schon recht gut gegessen, so dass die Stillmahlzeiten langsam weniger wurden. Inzwischen ist er 17 Monate alt und isst quasi schon alles. Wir stillen nun nur noch zum Einschlafen tagsüber und nachts. Es ist auch kein Problem mehr, wenn er tagsüber nicht stillt. Ich arbeite inzwischen wieder an zwei Tagen in der Woche, und der Kleine ist bei den Omas. Dort ist Einschlafen kein Problem, im Kinderwagen mit ein bisschen Singen, da ist er in ein paar Minuten eingeschlafen. Schnuller hat er übrigens keinen.

Wie es weitergeht mit dem Stillen, weiß ich noch nicht. Ich habe das Langzeitstillen nicht geplant, es hat sich so ergeben. Ein Ende ist momentan nicht in Sicht. Manchmal stört es mich zwar, wenn er nachts ewig nuckelt und nicht schnell wieder richtig einschläft, aber Abstillen in dem Alter ist auch nicht mehr einfach. Jetzt noch an die Flasche oder an den Schnuller gewöhnen kommt für mich nicht in Frage. Aber das Saugbedürfnis bleibt ja noch. Deshalb wird es aufs natürliche Abstillen rauslaufen. Für uns ist das in Ordnung. Und wenn ich sehe, wie wichtig es ihm ist, kann ich eigentlich nicht dagegen sein. Und wenn ich ehrlich bin, ich brächte es sowieso nicht übers Herz, ihn abzuweisen. Und ich wüsste gar nicht, wie ich ihn sonst zum Einschlafen bringen sollte.

Intervalle zwischen Stillmahlzeiten waren sehr kurz

Was war oder ist das Schönste für dich am Stillen?
Wie glücklich das Baby bzw. das Kind dabei ist, es ist fürs Kind wirklich der Himmel auf Erden. Und dass das Stillen ein Allheilmittel ist. Gegen Hunger, um das Nähebedürfnis zu stillen, zum Einschlafen, zur Beruhigung, zum Trösten… das ist schön mitzuerleben.

Was war am schwersten oder belastendsten für dich in der Stillzeit?
Insgesamt war ungefähr das erste halbe Jahr sehr schwer für mich. Es war schwer zu akzeptieren, dass ich alleine mein Kind nicht satt bekomme. Ich hatte viele Tiefpunkte und fragte mich oft, ob ich überhaupt weitermachen soll. Aber ich habe mich immer dafür entschieden, weil mich allein der Gedanke ans Abstillen außerordentlich traurig gemacht hat.

Außerdem war ich in der ersten Zeit täglich viele Stunden ans Sofa gefesselt. Und ich bin ganz selten mit meinem Sohn unterwegs gewesen, außer kurz zum einkaufen oder so, weil ich mich nicht mobil gefühlt habe. Ich hatte Angst, ihn nicht satt zu kriegen. Und mit BES unterwegs war mir zu umständlich. Die Intervalle zwischen den Stillmahlzeiten waren überhaupt sehr kurz. Und es drehte sich alles erstmal um meine Milchmenge. Das war schon belastend.

Keine Erwartungen haben

Was würdest du in einer weiteren Stillzeit anders machen? Was ist deine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf das Stillen, die du anderen Müttern weitergeben würdest?
Wenn ich was aus meiner bisherigen Mutterschaft gelernt habe, dann dass man keine Erwartungen haben sollte, weil sowieso immer alles anders kommt, als man denkt. Man muss lernen, die Dinge zu nehmen, wie sie kommen. Das gilt auch für das Stillen. Ansonsten würde ich jetzt einen Stillvorbereitungskurs besuchen, den viele Stillberaterinnen anbieten.

Eine Erkenntnis in dem Sinne habe ich nicht zum Weitergeben, schließlich ist jede Stillbeziehung einzigartig. Aber ein paar Tipps habe ich schon: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alle Hebammen, mit denen ich nach der Geburt zu tun hatte (also im Krankenhaus, in der Nachsorge und im Rückbildungskurs), sich nicht wirklich gut mit dem Stillen auskannten. Ich finde das sehr traurig. Das soll keinesfalls ein Angriff auf die Hebammen sein, nein! Ihr macht einen wundervollen Job, ihr seid so wichtig, und es ist gut, dass es euch gibt und tragisch, dass es so wenig Hebammennachwuchs gibt! Aber es ist leider die Erfahrung, die ich gemacht habe.

Anfangs hatte ich ja noch nicht so die Ahnung und habe auch geglaubt, was meine Nachsorgehebamme mir erzählt hat. Aber es waren im Prinzip die ganzen Ammenmärchen ums Stillen, die leider immer noch kursieren. Deshalb ein Tipp: Wenn ihr irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Stillen habt, wendet euch an eine Stillberaterin, die kann euch ganz sicher weiterhelfen. Entweder an eine Stillberaterin IBCLC (auch Hebammen haben häufiger diese Zusatzqualifikation) oder an eine ehrenamtliche Beraterin der La Leche Liga. Die kennen sich auch sehr gut aus und veranstalten normalerweise auch Stilltreffs, wo man sich austauschen kann. Dort kann man übrigens auch schon vor der Geburt hingehen! Und wenn ihr im Krankenhaus entbindet und ein babyfreundliches zur Verfügung steht, geht dorthin. Bei uns in der Gegend gibt es so eines leider nicht.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Stillen mit und ohne Brusternährungsset“

  1. J
    Julia

    Liebe Bettina, danke, dass Du Deine Erfahrung hier teilst! In Deiner Geschichte finde ich meine wieder – auch hier missglückte der Stillstart, gute Beratung war schwer zu bekommen, die Verzweiflung und der Stress machten es nicht leichter, und erst mit der zweiten Beikostmshlzeit konnten wir auf das ungeliebte Fläschchen verzichten. Was für eine Leistung, trotzdem durchzuhalten! Du kannst sehr, sehr stolz auf Dich sein!!!

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