Wenn Hebammen Kinder kriegen: Antonia (3. Geburt)

Antonia ist 33 Jahre und mittlerweile Mutter von drei Kindern. Aktuell ist sie in Elternzeit, betreut aber sonst in ihrer Hebammenpraxis in Süddeutschland Frauen vor und nach der Geburt. Sie hat in dieser Reihe schon von ihrer ersten, sehr langen und anstrengenden Geburt berichtet. Ihre zweite Tochter hat es dann so eilig gehabt, dass das Auto zum Geburtsort wurde. Hier erzählt sie von der Geburt ihres dritten Kindes zu Hause in der Badewanne.

Unser drittes Kind Christoph hat mir endlich eine Geburt geschenkt, wie ich sie mir schon beim ersten Mal gewünscht hätte. Amélies Geburt, die abgebrochene und total protrahierte Hausgeburt mit PDA, Wehentropf, liegend im Kreißsaal mit wechselnden Hebammen und Ärzten, drohendem Kaiserschnitt und so weiter war genau das Gegenteil. Maries Geburt hatte mich dann in jeder Hinsicht überrascht: schnell, sehr schnell, unkompliziert und allein mit Michael im Auto auf dem Weg ins Geburtshaus.

Als ich zum dritten Mal schwanger wurde, haben Michael und ich nur kurz überlegen müssen: War er nach Amélies Geburt und ihrem anschließendem Aufenthalt auf der Neugeborenen-Intensivstation beim zweiten Kind gegen die Hausgeburt gewesen, so war er diesmal wieder für eine Geburt bei uns zu Hause zu haben: Lieber daheim mit Hebamme, als alleine im Auto – im Notfall ohne Hilfe.
Ich habe mich sofort auf die Suche nach einer Hausgeburtshebamme gemacht, was gar nicht so einfach war. „Unsere“ Hausgeburtskollegin Marlene aus dem Nachbardorf, die bei Amélies Geburt bis zur Verlegung ins Krankenhaus dabei gewesen ist, hatte inzwischen die Hausgeburtshilfe an den Nagel gehängt. Die Haftpflichtsummen waren der Grund. In der näheren Umgebung gab es da nur noch eine Kollegin, mit der ich es mir wiederum nicht vorstellen konnte. Doch Marlene kannte noch eine Hausgeburtshebamme, die „nur“ 30 Kilometer entfernt wohnt und arbeitet.

Keine Wehen in Sicht

Glücklicherweise hatte Jane im November noch Kapazitäten und wir waren uns sofort sympathisch. Und auch Michael konnte sich gut vorstellen, mit Janes Begleitung das dritte Kind daheim zu begrüßen. Diese dritte Schwangerschaft verlief vollkommen unspektakulär, ohne größere Komplikationen. Lediglich „Zipperlein“ wie ab und an Rückenschmerzen oder Sodbrennen machten sich zeitweise bemerkbar. Die Schwangerenvorsorge übernahm von Anfang an Jane, so dass wir genug Gelegenheiten hatten, um ein sehr vertrautes Verhältnis aufzubauen – die beste Voraussetzung für eine schöne Geburt.

Eine Woche vor dem errechneten „Stichtag“, es war ein Donnerstag, kam Jane nochmal zur Vorsorge. Alles war gut, alles normal, keine Wehen oder Kontraktionen in Sicht. Wir verabredeten uns für den errechneten Termin, aber beim Verabschieden sagte ich noch zu ihr: „Wir sehen uns bestimmt am Sonntag!“ Jane hat gelacht, ich auch. Aber irgendwie hatte ich es im Gefühl, dass am Sonntag das Baby geboren werden würde. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag bekam ich dann sehr regelmäßige Kontraktionen, die mich pünktlich alle zehn Minuten weckten. Sie waren zwar nicht wirklich schmerzhaft, aber doch so unangenehm, dass sie störten. Leider waren es eindeutig keine Geburtswehen. Diese Kontraktionen gingen auch den kompletten Freitag nicht weg, sondern wurden abends sogar mehr. Sie taten nach wie vor nicht echt weh, aber sie ließen mich doch jedes Mal innehalten. Egal bei welcher Tätigkeit, ich musste alle zehn Minuten Pause machen und eine Minute warten, bis ich weitermachen konnte. Das fing an nervig zu werden. Zumal Amélie und Marie wenig Verständnis für meine Spielunterbrechungen hatten. Am späteren Abend ging ich in die Badewanne und dort wurden die Kontraktionen erstmal weniger. Kaum lag ich im Bett, kamen sie aber dann auf einmal noch öfter. Jedoch waren es weiter eindeutig keine Geburtswehen.

Die dritten Kinder machen es anders

In den frühen Morgenstunden nahmen sie wieder ab und kamen nur noch alle zehn Minuten. Mir kam in den Sinn, was ich selbst gelernt und öfters beobachtet hatte – und was mir auch von mehreren Hebammen prophezeit worden war: Die dritten Kinder machen es anders, die „plagen“ die Mütter gern ein bisschen. Den Samstag verbrachten wir noch mit einem Wochenendeinkauf und einem Spaziergang im Wald hinter unserem Haus, aber weit weg haben wir uns nicht mehr getraut. Ich war total erledigt von den doofen Kontraktionen, die den ganzen Tag über nicht aufhören wollten. Wir kochten noch Suppe zum Einfrieren als Vorrat fürs Wochenbett. Am Abend war ich dann so fertig, dass ich heulen musste. Ich wollte einfach nur noch schlafen, ohne ständig unterbrochen zu werden. Wenn diese lästigen „Wehchen“ wenigstens den Muttermund eröffnen würden, aber der war nach wie vor – wie schon seit einiger Zeit – nur fingerdurchgängig geöffnet bei stehender Zervix (Anm. der Red.: Gebärmutterhals). Er kam mir nicht mal weicher vor als vorher. Aber es war in Gedanken mein Trost zu wissen, dass jede noch so unnütz erscheinende Kontraktion irgendetwas bewirkt. Und siehe da, gegen 22 Uhr hörten die Kontraktionen auf. Endlich!!!

Ich fiel ins Bett und konnte sofort tief und fest schlafen. Immerhin sechs Stunden lang! Was für eine Erholung – und auch die Mädchen sind nachts nicht aufgewacht, wie sonst eigentlich immer. Um vier Uhr in der Früh war ich dann einfach wach. Und wusste: Jetzt geht’s los!
Ich habe noch die Küche aufgeräumt und Wäsche zusammengelegt, um fünf Uhr hatte ich zwar immer noch keine Wehen, aber mein Gefühl sagte mir, dass es jetzt definitiv Zeit sei, Jane zu rufen. Sonntagsmorgens um fünf weckte ich sie also ganz ohne Wehen und bat sie zu kommen. Fast hätte ich deshalb ein schlechtes Gewissen gehabt, aber ich hatte tatsächlich nicht den geringsten Zweifel, dass es richtig so war.

„Jetzt will das Baby geboren werden!“

Marie war inzwischen auch wach und wir haben zusammen gefrühstückt, während ich auf Jane wartete – immer noch ohne Wehen. Ich wusste, wenn sie da ist und wenn die Kinder weg sind, geht es los. Nach dem Müsli hat Michael dann die wache Marie und die schlafende Amélie zu meiner Schwiegermutter gebracht, die direkt nebenan wohnt. Beim Rübertragen ist Amélie kurz wach geworden und sagte zu Michael: „Jetzt will das Baby geboren werden!“ – und schlief sofort wieder ein. Um kurz vor sechs war Jane da und sie war keine zwei Minuten bei mir, da hatte ich die erste Wehe, die ich auch sofort veratmen musste. Sie traf seelenruhig ihre Vorbereitungen, davon bekam ich aber nix mit. Ich war von der ersten Wehe an total konzentriert auf die Geburt, alles andere war mir egal. Im Bad lief das Wasser in die Wanne. Es war eine vollkommen entspannte Stimmung, draußen war es dunkel, im Schlafzimmer und im Bad hatte Michael überall Kerzen angemacht, so dass wir gar kein anders Licht brauchten. Im Hintergrund lief leise klassische Musik, die ich mir schon vorher zurecht gelegt hatte.

Irgendwann bin ich dann in die Wanne gestiegen, das warme Wasser hat alle meine Vorstellungen übertroffen: Es war so angenehm und wohltuend! Ein Traum – so konnte ich gut weiterarbeiten. Jane und Michael saßen neben der Wanne und in den Wehenpausen haben wir etwas geplaudert, ich konnte trinken oder die Position wechseln. Alle waren wir ganz ruhig. Um sieben Uhr habe ich zufällig nochmal auf die Uhr geschaut und kurz danach veränderten sich die Wehen. Bis dahin waren sie sehr gut auszuhalten, ein starkes Ziehen im Rücken und Unterleib, das ich gut wegatmen konnte. Doch jetzt wurde der Druck nach unten plötzlich sehr stark, Jane untersuchte das erste und einzige Mal: Der Muttermund war zwar sehr weich, aber erst sechs Zentimeter geöffnet (was für ein Frust!), aber der Kopf schob schon stark nach unten. Ich musste innerlich ein bisschen schimpfen, dass das ja nun doch doof sei. In der nächsten Wehe bekam ich dann schon Preßdrang, dem ich einfach nachgegeben habe, ich hätte es kaum anders gekonnt. Und Jane hat mich machen lassen.

Die Wehenpausen hab ich mal wieder – wie bei den anderen Geburten auch – mit fluchen und meckern verbracht. Auf einmal war ich mir gar nicht mehr so sicher, wie ich auf die Idee kommen konnte, dass man so eine Geburt gut aushalten kann. Eigentlich wollte ich jetzt doch gern ein Schmerzmittel, am besten eine Vollnarkose. Und auf keinen Fall noch mehr Kinder. Michael und Jane schauten sich vielsagend an und schmunzelten nur.

Überwältigt von meiner Liebe…

Ich fand den Druck inzwischen wirklich sehr arg, eigentlich wollte ich gern meine Haltung ändern, aber in der Wanne war keine für mich passende Position zu finden. Ich wog ab zwischen Schmerzlinderung durch das warme Wasser oder Erleichterung durch eine bessere Gebärposition. Die Entscheidung fiel auf die Wanne. So klammerte ich mich halb sitzend und halb liegend an Michael fest, irgendwie auch auf die Seite gedreht und stellte das obere Bein auf etwas ab, das Halt gab. Ich weiß nicht mehr, ob Jane es gehalten hat oder ob es auf der Armatur stand. Wirklich gemütlich war es nicht, aber das Wasser tat einfach unheimlich gut und darauf wollte ich nicht verzichten. Inzwischen war mir klar, dass die Geburt nun in der allerletzten Phase angelangt war und dass es nicht mehr lang dauern würde, bis unser Baby das Kerzenlicht unseres Badezimmers erblicken würde. Während der Wehen gab ich dem Preßdrang nach, die Augen hatte ich geschlossen, in den Wehenpausen öffnete ich die Augen und versuchte ruhig zu atmen, was mir nicht so ganz gut gelang. Ich musste ja fluchen! Das Atmen ging einfacher, wenn ich dabei einen Punkt im Muster unseres Duschvorhanges fixierte.

Meine eine Hand umklammerte Michaels Arm, mit der anderen presste ich fest gegen den gespannten Damm. Der feste Druck und das warme Wasser haben mir sehr geholfen und gut getan. Genau als der Moment kam, an dem ich dachte, jetzt kann ich es nicht länger aushalten, wurde ganz langsam der Kopf geboren und der Druck ließ sofort spürbar nach. Da ich die Hände nicht frei hatte, um mein Baby selbst in Empfang zu nehmen (ich wäre ins Wasser gerutscht, wenn ich Michaels Arm losgelassen hätte), hob Jane das Baby aus dem Wasser und legte es mir auf den Bauch. Es war 7.20 Uhr am Sonntag, den 9. November 2014.

Ich war völlig überwältigt von meiner Liebe, die mich sofort bis in die Zehenspitzen durchströmte. Dieses käseverschmierte schrumpelige Baby war nun schon zum dritten Mal eindeutig das süßeste Geschöpf, das es auf Erden jemals geben könnte. Der kleine Bub kuschelte sich an mich und ich an ihn und Michael an uns und wir waren nur noch wir drei.

Wir erwarten im September unser viertes Kind

Wie lang dieser Moment gedauert hat, weiß ich nicht, in meiner Erinnerung ist er aber unendlich und prägend. Doch irgendwann wollte auch die Plazenta geboren werden, ich merkte den erneuten Druck und wir nahmen ihn zum Anlass, dass Michael mit dem Bub schon zum Kuscheln ins Bett ging. Jane hat mir nach der Plazentageburt sogar noch schnell Haare gewaschen und ich bin dann mit ihrer Hilfe aus der Wanne in den Bademantel und dann zu meinen beiden Männern ins Bett gekrochen.

Der nächste Moment, der sich in meiner Erinnerung fest eingegraben hat, ist jener, als Amélie und Marie mit ihrer Oma rübergekommen sind, um das Baby zu begrüßen. Wir haben ihnen nicht gesagt, was es ist, sie durften das Baby aus dem wärmenden Handtuchberg und meinem darüber geschlossenen Bademantel auspacken, um selber nachzuschauen, wer da zu uns gekommen war. Die völlige Begeisterung über das Brüderchen, die sofort sichtbare und spürbare Geschwisterliebe, die Zärtlichkeit, mit denen beide das Baby begrüßten und berührten, haben mich zutiefst bewegt. Bis heute ist dieses Band zwischen den drei Geschwistern immer stärker geworden und trotz der häufigen Alltagsstreitereien zwischen ihnen überwiegen jeden Tag die Freude und die Liebe zwischen den dreien. Wir erwarten im September unser viertes Kind und ich wünsche mir und hoffe von Herzen, dass auch dieses Baby nach einer ebenso schönen Geburt so herzlich in den Kreis der Geschwister aufgenommen wird. Einen festen Platz in meinem Herzen hat es bereits, seit ich von ihm weiß.

Autor.in dieses Beitrags

Beitrag veröffentlicht am

in

,

Von

Buchempfehlungen unserer Redaktion

Kommentare

3 Antworten zu „Wenn Hebammen Kinder kriegen: Antonia (3. Geburt)“

  1. S

    Sehr schöne Bericht, danke für’s Aufschreiben!

    Liebe Antonia, liebe Anja,
    Wie kommt es eigentlich, dass die dritten oft anders zur Welt kommen? Gibt es da Belege oder ist das ein Gefühl?).
    Das hörte ich schon mehrmals.

    Liebe Grüße
    Sarah

  2. M

    Was für ein wunderschöner Geburtsbericht <3

  3. A
    Anna

    Herrlich! Traumschöne Geburt. Und ich musste so lachen, als sie von der 4. Schwangerschaft berichtete. Solche Geburten machen einfach Lust auf mehr:-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert