Nicht selten hört man von Müttern mit Stillschwierigkeiten, dass sie zu wenig Milch für ihr Baby haben. Oder hatten – und deswegen sogar abgestillt haben. Aber ist Muttermilchmangel wirklich so weit verbreitet, dass Frauen keine ausreichenden Muttermilchmengen für ihre Babys produzieren können?
Nein, denn die allermeisten Probleme bezüglich der Milchmenge ergeben sich aus einem ungünstigen Stillmanagement. Das Baby wird entweder zu selten oder zu kurz angelegt. Oder seine Saugtechnik ist nicht effektiv genug. Eine oft mit auslösende Ursache für all diese Probleme ist, dass das Baby kurz nach der Geburt unbedacht zugefüttert wurde – ob mit Pre-Nahrung, einer Glukoselösung oder Wasser. Das Zufüttern kann je nach Methode Auswirkungen auf die Saugtechnik haben. Aber vor allem bringt es das „Stillen nach Bedarf“ durcheinander. Wird der Bedarf nicht an der Brust gestillt, fehlt eine ausreichende Stimulation. Sie produziert deshalb dann nicht genug Milch.
Auch der Einsatz eines Schnullers oder eines Stillhütchens kann diese Probleme verursachen. Deshalb in der „Lernphase“ des Stillens am besten auf den Gebrauch eines Schnullers verzichten. Stillhütchen sollten nur mit fachlicher Begleitung zum Einsatz kommen. Sie sollten auf keinen Fall dazu dienen, ein Problem wie wunde Brustwarzen zu „überdecken“. Hier muss unbedingt die Behebung der Ursache im Vordergrund stehen. Damit die Brustwarzen heilen und ein schmerzfreies Stillen möglich ist. Von kindlicher Seite aus gilt es zu schauen, ob zum Beispiel ein verkürztes Zungenbändchen eine mögliche Ursache für Probleme beim Anlegen ist.
Häufiges und effektives hilft bei Muttermilchmangel
Vor allem in den ersten Tagen ist es wichtig, durch häufiges Anlegen die Ausschüttung von Prolaktin gut anzuregen – also von jenem Hormon, das die Milch „macht“. In den allermeisten Fällen lässt sich also durch häufigeres Anlegen und dem Korrigieren einer vielleicht nicht so optimalen Sautechnik die Milchmenge effektiv steigern. Wenn das Baby es selbst nicht schafft, die Brust ausreichend zu stimulieren, weil es zum Beispiel zu früh geboren wurde oder durch eine verstärkte Neugeborenengelbsucht sehr schläfrig ist, sollte eine gute Pumpe zum Einsatz kommen. Eine elektrische Intervallpumpe mit einem Doppelpumpset ist in den meisten Kliniken vorhanden oder kann von der Apotheke für den häuslichen Gebrauch ausgeliehen werden. Bei Vorlage einer ärztlichen Verordnung übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Auch die Brustmassage und das Entleeren mit der Hand kann die Milchbildung stimulieren, ist aber zur Überbrückung von länger anhaltenden Stillproblemen für die meisten Frauen zu aufwendig.
Positiv auf das Stillen wirkt es sich immer aus, wenn Mutter und Kind viel Zeit miteinander verbringen – gerne im direkten Körperkontakt. Es sollte keine Einschränkung der Stillzeiten geben. Eher schläfrige Kinder sollten immer wieder an die Brust gebracht und zum Beispiel durch ein Ausziehen und viel Hautkontakt mit der Mutter zum Stillen animiert werden.
Über die geschilderten Schwierigkeiten hinaus gibt es noch ein paar Dinge, an die man bei Problemen mit der Milchbildung denken sollte. Frauen, die unter der Geburt einen hohen Blutverlust erlitten haben, können Probleme mit der Milchbildung haben. Das gilt ebenso, wenn möglicherweise ein Plazentarest in der Gebärmutter verblieben ist. Hormonell behindert dies die Milchproduktion. Erkrankungen der Schilddrüse oder der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) können ebenfalls Probleme verursachen. Gegebenenfalls gilt es deshalb, auffällige Schilddrüsenwerte nach der Geburt erneut zu kontrollieren.
Mittel zur Steigerung der Milchmenge
Sehr starkes Übergewicht kann auch Schwierigkeiten verursachen, weil das Fettgewebe vermehrt Östrogen produziert. Frauen, die am Polyzytischen Ovarial-Syndrom (PCO) leiden, haben manchmal eine unzureichende Brustdrüsenentwicklung und deshalb Probleme bezüglich der Milchmenge. Frauen nach Brustoperation können eventuell auch Stillprobleme haben, dies muss aber nicht zwingend so sein. Es gibt noch einige andere medizinische Ursachen, die sich auf die Milchbildung auswirken können. Diese kommen aber eher sehr selten vor. Bei Frauen, die einen Kaiserschnitt bekommen haben, kann der Milcheinschuss verspätet einsetzen. Hier ist eine aufmerksame Stillbegleitung besonders wichtig.
Entscheidend für ein gutes in Gang kommen der Milchbildung ist in den meisten Fällen das oben beschriebene gute Stillmanagement. Darüber hinaus kann der Einsatz von Mitteln, die die Milchbildung fördern, gegebenenfalls zusätzlich unterstützend hilfreich sein. Damit sind aber keine Stillkugeln, Malzbier, Stilltees, Kraftsuppen, Sahnekuren und ähnliches gemeint. Auch wenn diesen Dingen kulturell eine milchbildende Wirkung nachgesagt wirkt, gibt es keinen wirklichen Nachweis dafür. Wenn diese Dinge der Mutter gut tun, spricht nichts dagegen. Aber diese Dinge helfen nicht, wenn darüber hinaus das Stillen nicht verbessert wird. Der Kauf und Verzehr von „Produkten für die stillende Mutter“, wie sie derzeit in verschiedenen Varianten zum Beispiel als Müsliriegel in Drogeriemärkten und Apotheken angeboten werden, haben ebenfalls keinen Einfluss auf die Milchmengenproduktion.
Eine gewisse Steigerung der Milchmenge kann durch den Einsatz von Bockshornkleesamen erreicht werden, wenn dieser in ausreichender Menge eingenommen werden. Einsatz und Dosierung sollte mit der Hebamme oder Stillberaterin abgesprochen werden. Es gibt auch Medikamente, die in den Hormonhaushalt eingreifen, etwa Domperidon. Diese Arzneimittel gehören aber immer in die ärztliche Begleitung, am besten in die eines Arztes, der in Stillfragen versiert ist zum Beispiel durch eine Zusatzausbildung als Stillberaterin IBCLC.
Zufüttern bei Muttermilchmangel nur mit medizinischer Indikation
Eine gute Begleitung ist bei Milchbildungskrisen also wesentlich wichtiger als das voreilig zugefütterte Fläschchen. Die Stellungnahme des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation zu diesem Thema sagt dazu sehr treffend: „Jegliche Zufütterung sollte nur auf medizinische Indikation hin erfolgen und ist auf das notwendige Minimum zu beschränken. Das betreuende medizinische Personal sollte sich stets darüber bewusst sein, was bereits in etlichen Studien nachgewiesen wurde: jegliche Zufütterung hat immer auch Auswirkungen auf das Selbstvertrauen und die Zuversicht der Mutter, ihr Baby selbst ernähren zu können.“
Fachliche Unterstützung und Beratung können Mütter von Hebammen und Stillberaterinnen erhalten. Und dies sollte immer an erster Stelle stehen, wenn sich Probleme bezüglich der Milchmenge anbahnen.
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