Wenn in der Stillgruppe eine Mutter berichtet, dass ihre Milchbildung nicht ausreichend ist, ist ihr das Mitgefühl der anderen Teilnehmerinnen sicher. Denn die Sorge, dass das Kind nicht satt wird, ist eine tief in Müttern verwurzelte Urangst. Eine Mutter, die den Wunsch hat, ausschließlich zu stillen, fühlt sich oft enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass die Stillsituation gerade so stressig ist. Und davon, dass der eigene Körper scheinbar nicht das tut oder zumindest nicht ausreichend, was er nach der Geburt eines Kindes eigentlich tun sollte. Das ist vermutlich allgemein nachvollziehbar.
Berichtet allerdings eine Mutter darüber, dass sie gerade unter einer zu reichlichen Milchbildung leidet, wird oft gesagt: „Sei doch froh, dass du so viel Milch hast!“ Doch auch diese Frauen sind nicht froh. Denn eine übermäßige Muttermilchproduktion (Hyperlaktation) kann das Stillen ebenso sehr schwierig gestalten. Bisweilen sogar so schwierig, dass die Kinder nicht gut gedeihen. Sie kommen mit der großen Milchmenge und dem starken Milchspendereflex so schlecht zurecht, dass sie nur noch ganz kurz an der Brust trinken.
Unruhige Stillzeit
Typisch ist in diesen Fällen eine recht unruhige Stillzeit. Zum einen haben die Frauen ständig gespannte Brüste. Es läuft oder spritzt sogar zwischen den Mahlzeiten viel Milch aus der Brust heraus. Zum anderen docken sich die Kinder immer wieder ab, weil sie durch den starken Milchspendereflex nahezu von Milch „geduscht“ werden. Sie haben Hunger, können aber nicht entspannt trinken und weinen deshalb. Diese Unruhe macht das Stillen extrem stressig. An ein entspanntes Einschlafen beim Stillen ist gar nicht erst zu denken. Oft schlucken die Kinder viel Luft an der Brust. Das führt dazu, dass sie häufiger mit Blähungen und Koliken zu tun haben. Weil das Baby die entsprechende Menge gar nicht abtrinken kann, haben die betroffenen Mütter vermehrt schmerzhafte Milchstaus.
Wenn die betroffenen Babys immer nur extrem kurz an der Brust trinken können, nehmen sie vermehrt Laktose durch zu viel „Vordermilch“ auf. Das kann zu grünem und schaumigem Stuhlgang führen. Da sie parallel weniger „Hintermilch“ erhalten, kann die Fettaufnahme vermindert sein. Es ist möglich, dass das Baby trotz reichlicher Milchmenge nicht satt wird oder sogar nicht mehr gut gedeiht. Normalerweise ändert sich die Fettzusammensetzung im Laufe einer Stillmahlzeit, so dass „Vorder- und Hintermilch“ sich vermischen und das Ganze in der Regel überhaupt gar keine Rolle spielt.
Abhilfe durch „Bergauf-Stillen“
Doch selbst wenn die Kinder gut gedeihen, ist die geschilderte Stillsituation für viele Mütter sehr stressig. Sie wird hoffentlich ein Anlass, sich geeignete Unterstützung in Form einer Stillberatung zu holen. Denn es gibt durchaus ein paar Möglichkeiten, um die Situation zu verbessern. In „leichteren Fällen“ kann es vielleicht schon ausreichen, dass die Mutter eine Stillposition einnimmt, bei der die Schwerkraft nicht zusätzlich den reichlichen Milchfluss verstärkt. Das „Bergauf-Stillen“ in Rückenlage der Mutter oder auch die Australia-Haltung können solche Positionen sein. Manchmal kann mittels vorheriger Handentleerung der Brust nach Marmet erreicht werden, dass das Baby nicht gleich die großen ersten Mengen so hastig schlucken muss.
Das Baby öfter aufstoßen lassen, ist meist auch sinnvoll. Manche Kinder brauchen eventuell auch einen Beruhigungssauger. Sie können nämlich ihr Saugbedürfnis an der immer vollen Brust gar nicht stillen. Hier empfiehlt sich eine vorherige Absprache mit der Stillberaterin, ob und was für ein künstlicher Sauger passen könnte. Maßnahmen, die die Milchmenge reduzieren, sind das Kühlen der Brüste nach dem Stillen oder auch das Trinken von Salbei- oder Pfefferminztee. In ganz seltenen Fällen ist vielleicht auch nach Abklärung der hormonellen Situation durch den Arzt die Verschreibung eines Medikamentes mit abstillender Wirkung angezeigt, um die Milchproduktion zu drosseln.
Blockstillen kann bei Hyperlaktation helfen
Ein weiteres Vorgehen, dass sich in dieser schwierigen Stillsituation bewährt hat, ist die Methode „Vollständiges Entleeren und Blockstillen“. Hier wird die Brust einmalig durch eine Milchpumpe „entleert“. Anschließend wird für einen vorab festgelegten Zeitraum immer nur eine Brust angeboten. Danach wir die Seite gewechselt und die andere Brust pausiert entsprechend.
Das Stillen in Zeitblöcken sorgt dafür, dass die gerade nicht gestillte Seite durch ihren entsprechenden Füllungszustand dem Körper durch bestimmte dadurch ausgelöste Mechanismen signalisiert, entsprechend weniger Muttermilch zu produzieren. Das einmalige Abpumpen führt zudem meist dazu, dass Mutter und Kind erstmalig eine entspannte Stillsituation erleben können. Vielleicht kann das Baby sogar entspannt einschlafen, weil es nicht mit den großen Milchmengen „kämpfen“ muss.
Es gibt also auch für Mütter, die Stillprobleme durch eine zu reichliche Milchbildung haben, Lösungsansätze mit hoher Erfolgsquote. Deshalb ist es sicherlich immer sinnvoll, sich bei der Hebamme oder Stillberaterin adäquate Hilfe zu holen, als „doch einfach nur froh zu sein, dass man so viel Muttermilch hat“.
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