Corona im Hebammenalltag: Geburtsvorbereitung und Rückbildung

(Stand: 30.03.2020) Geburtsvorbereitung und auch Rückbildungsgymnastik können in Form eines Präsenzkurses mit mehreren Teilnehmern in einem gemeinsamen Raum aktuell nicht mehr stattfinden. Aber seit dem 19. März 2020 können Hebammen ihre Kursangebote auch online anbieten. Die Kosten dafür werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Das gilt für Mütter, aber in vielen Fällen wird auch dem Partner zumindest der größte Anteil des Geburtsvorbereitungskurses zurückerstattet. Diese Regelung ist zunächst befristet bis zum 19. Juni 2020, wird aber sicherlich der aktuellen Situation entsprechend angepasst.

Andere Kursangebote im Netz

Nun gibt es ja schon länger online so einige Angebote im Bereich Geburtsvorbereitung aber auch rund um die Rückbildung. Eltern fragen sich vielleicht, ob nicht auch diese Kurse finanziert werden, auch wenn sie nicht von Hebammen angeboten werden. Im Rahmen bestimmter individueller Gesundheitsleistungen werden teils auch die Kosten solcher Kursangebote bzw. mancher Gesundheits-Apps (z.B. für Beckenbodentraining) erstattet. Dies sind immer individuell ausgehandelte Vereinbarungen mit der jeweiligen Krankenkasse. Dies hat aber NICHTS mit Leistungen zu tun, die im Rahmen des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V vergütet werden.

Die von Hebammen geleiteten Kurse haben einen fest definierten Stundenumfang von bis zu 14 Stunden bei der Geburtsvorbereitung bzw. zehn Zeitstunden für die Rückbildungsgymnastik. Auch inhaltlich gibt es Vorgaben, die sowohl für die Präsenzkurse als auch für die online angebotenen Kurse gelten. Die Inhalte sind in der Leistungsbeschreibung des Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V wie folgt definiert.

Geburtsvorbereitung

  • Grundlegende Informationen zu Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Neugeborenem im Rahmen eines modular strukturierten, fortlaufenden Kurses unter Berücksichtigung des Informationsbedarfes der Kursteilnehmerinnen
  • Verlauf/Physiologie, Veränderungen, Begleiterscheinungen, mögliche Beschwerden und Allergieprophylaxe für Mutter und Kind
  • Mögliche Unterstützungsleistungen, Hilfen und deren Dokumente
  • Körperhaltung, Entlastung, Ernährung und andere schwangerschaftsrelevante Themen
  • Bindungsförderung und Stärkung von Elternkompetenzen und des Selbstvertrauens (z.B. Auseinandersetzung mit Erwartungen, Vorfreude, Unsicherheiten, Ängsten, Sexualität, Umgang mit Geschwisterkindern, Veränderung der Partnerbeziehung und Beziehungsprobleme)
  • allgemeine Informationen zu unterschiedlichen Geburtsorten und Betreuungsmethoden, ggf. Rolle einer Bezugsperson während der Geburt
  • Physiologie der Wehentätigkeit
  • Information zum Verlauf einer regelrechten Geburt, möglichen Abweichungen vom normalen Verlauf (ggf. Informationen über geburtserleichternde Maßnahmen, operative Entbindungen und Nachgeburtsperiode)
  • Bedeutung und Verlauf des Wochenbetts (regelrecht und mögliche Abweichungen/Komplikationen)
  • Vorbereitung, Maßnahmen, und Entlastungsmöglichkeiten zur Unterstützung im Wochenbett
  • Neugeborenes: Erstversorgung, Untersuchung und Prophylaxe
  • Anleitungen zum Handling (Schlafposition, Kopf stützen usw.)
  • Entwicklung und Grundbedürfnisse im frühen Wochenbett (z.B. Gelbsucht des Neugeborenen, Wundheilung)
  • Information zum Stillen und dessen Stellenwert und zu ggf. notwendig werdenden Alternativen
  • Umgang mit Suchtmitteln (z.B. Nikotin, Alkohol und sonstiges)
  • Information zu Anatomie des Beckens, der Brust und Bindegewebe sowie neurologische und hormonelle Zusammenhänge
  • Praktische Übungen
  • Wahrnehmungsübungen
  • Beweglichkeits-, Lockerungs-, Dehnungs- und Entspannungsübungen
  • Atemarbeit
  • Beckenbodenübungen, Beckenbewegungsübungen
  • Wehenübungen
  • Übungen zur Körperhaltung und Bewegung für alle Phasen der Geburt, Gebärpositionen
  • Anleitungen zu Körperübungen und Entspannungsübungen, ggf. auch durch Partner

Rückbildungsgymnastik

  • Rückbildungsgymnastik in Form von Beratung und praktischen Übungen
  • Informationen über körperliche Veränderung und Maßnahmen nach Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
  • Erklärungen zur Funktion des Beckenbodens und Erläuterung der Lage innerer Organe
  • Wahrnehmung, Kontrolle und Kräftigung des Beckenbodens (u.a. Senkungs- und Inkontinenzprophylaxe)
  • allgemeine Kräftigung des Bewegungs- und Halteapparates durch Übungen (Information und praktische Anleitung zum Alltag mit Baby, z.B. Heben, Tragen und Stehen – Ergonomie)
  • Venentraining
  • Körperarbeit, z.B. Entspannungsübungen

Hebamme ist online präsent während des Kurses

Onlinekurse der Hebammen unterscheiden sich zudem von vielen anderen digitalen Angeboten, da sie die Präsenz der Hebamme bei den Live-Kurseinheiten voraussetzt. So können die Eltern wie gewohnt direkt ihre Fragen stellen. Gerade in der jetzigen von vielen Unsicherheiten geprägten Zeit ist es sicherlich besonders wichtig, dass Eltern Raum für ihre Fragen und Sorgen bekommen. Diese sollte auch fachkompetent beantwortet werden können. Zudem ist in den „Hebammenkursen“ die Teilnehmerzahl begrenzt, damit auch ein Austausch unter den Kursteilnehmern möglich ist.

Technische Voraussetzungen

Die digitalen Lösungen für die Onlinekurse müssen von den Hebammen selbst bereit gestellt werden. Viele nutzen dafür aktuell Videokonferenzsysteme wie z.B. Zoom. Die guten davon sind sehr anwenderfreundlich und ohne Vorkenntnisse schnell nutzbar. Die Kosten für die Systeme und mögliche technische Anschaffungen müssen von den Hebammen selbst übernommen werden. Sie können bisher nur steuerlich geltend gemacht werden.

Wenn möglich, ist das Durchführen des Kurses in den regulären Praxisräumen sicherlich einfacher als im Homeoffice. Denn natürlich müssen auch die Datenschutzregelungen eingehalten werden. Auch muss jeder Kursteilnehmer damit einverstanden sein, dass die anderen Teilnehmer zugeschaltet werden. Anders ist eine Teilnahme nicht möglich.

Abrechnung

Normalerweise unterschreiben die Kursteilnehmer die Versichertenbestätigung direkt vor Ort beim Kurstermin. Für die digitalen Kurse kann die Versichertenbestätigung per Postweg zwischen Hebamme und Teilnehmerin dazu verschickt werden. Die Unterzeichnung der Leistungen auf dem Versichertenbestätigungsbogen muss bis zu acht Wochen nach Erbringung der Leistung erfolgt sein. Hebammen müssen hier vermerken, dass die Leistung digital erbracht wurde. Die Kennzeichnung mittels Videoübertragung wird durch „V“ oder „Video“ markiert, bei Telefonaten durch „T“ oder „Telefon“.

Alternativ ist aber auch eine Bestätigung der Versicherten per E-Mail als Beleg für die Kursteilnahme ausreichend. Darin muss unter Angabe des Datums und der Uhrzeit die Teilnahme an der jeweiligen Kurseinheit bestätigt werden. Da auch mit Ausfällen bei der Post zu rechnen ist, dürfte dies die alltagspraktikablere Lösung zu sein. Zudem führt das auch nicht zu weiteren Portokosten für die Hebammen und die Teilnehmer. Die Bestätigung per E-Mail kann sich auf mehrere erbrachte Leistungen beziehen. Sie muss spätestens zwei Wochen nach Erbringung der frühesten Leistung von der Versicherten versandt werden.

Mit der entsprechenden Versichertenbestätigung kann die Hebamme dann direkt mit der Krankenkasse abrechnen, ohne dass die Versicherte für den Kurs in Vorleistung gehen muss. Bereits begonnene und durch Corona unterbrochene Rückbildungsgymnastikkurse können bis zum Ende des 12. Monats nach der Geburt abgeschlossen werden.

#supportyourlocalmidwife

Für viele Hebammen laufen trotz Corona die Mietkosten für Praxen oder regelmäßig genutzte Kursräume als zusätzliche Lohnnebenkosten weiter. Deshalb ist es so wichtig, dass auch dieser Bestandteil der Hebammenarbeit weiter durchgeführt werden kann – und auch von Eltern in Anspruch genommen wird. Hier empfehle ich den Eltern erst einmal bei der Hebammen nach einem Online-Angebot zu fragen, bei der sie den Kurs auch normalerweise absolviert hätten. Sollte diese keinen Online-Kurse zur Verfügung stellen können, kann natürlich auch in anderen Regionen nach einem entsprechenden Angebot gesucht werden.

Informative Links:

Änderungsvereinbarung vom 25.03.2020 zu der Befristeten Vereinbarung über alternative Möglichkeiten zur Leistungserbringung von freiberuflich tätigen Hebammen für die Zeit der COVID 19-Pandemie vom 19. März 2020

Vergütungsverzeichnis sämtlicher Hebammenleistungen inklusive der aktuellen Änderungen

Pressemitteilung und veränderte Vergütungsvereinbarung des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen zur Hebammenbetreuung mittels Video-Telefonie

Liste der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von zertifizierten Videodienstanbietern

Online-Kurs „Webkonferenzen für Kurse und Beratungseinheiten nutzen“ der Fortbildungsplattform „OlGA“ des Deutschen Hebammenverbandes und der Hebammengemeinschaftshilfe

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Kommentare

Eine Antwort zu „Corona im Hebammenalltag: Geburtsvorbereitung und Rückbildung“

  1. J
    Jana

    Hallo, vielen Dank für diesen fundierten Artikel. Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, dass manche Dinge weiterlaufen. Ein Geburtsvorbereitungskurs ist soetwas. Und warum nicht digital? Finde ich gar nicht schlimm, solange der Datenschutz eingehalten wird.

    Grüße
    Jana Mayer

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