Mein Hebammenabrechnungsprogramm hat eine mehr oder weniger sinnvolle Statistikfunktion. So kann es mir zum Beispiel sagen, wie alt die von mir bisher betreuten Mütter durchschnittlich sind. Die Spanne ist breit, mit der jüngsten Mütter von gerade mal 15 Jahren und der ältesten, die 46 Jahre bei der Geburt des ersten Kindes war. Die sehr junge Mutter war von ihrer Schwangerschaft überrascht und auch etwas überrollt. Mütter im Alter von Mitte Vierzig blicken meist auf einen etwas längeren und komplizierteren Weg zum Wunschkind zurück.
Nun stellt sich die Frage, welches Alter ideal zum Kinderkriegen ist. Wer sich selbst gerade diese Frage stellt, wird kaum eine abschließende Antwort finden. Denn letztlich hat nur selten tatsächlich das Alter über den „richtigen Zeitpunkt“ bestimmt. Es waren meist und viel mehr die Lebensumstände. So ist ein Kinderwunsch ohne den richtigen Partner oder mit einem Partner mit ganz anderen Lebensplänen sicher ungleich schwerer umzusetzen. Berufliche Werdegänge können das „Projekt Kind“ sehr beeinflussen. Meistens in die Richtung, dass der Kinderwunsch weiter nach hinten geschoben wird.
So hat sich allein in den letzten drei, vier Jahrzehnten viel verändert. Bekamen Frauen früher noch durchschnittlich mit 23 bis 24 Jahren ihr erstes Kind, sind sie heute eher knapp 30 Jahre alt. Tendenz: steigend. Körperlich scheint immer noch das Alter zwischen 20 und 29 Jahren am günstigsten für eine Schwangerschaft zu sein. Dennoch: Die Panikmache, denen Mütter ab 35 bisweilen ausgesetzt sind, ist oft überhaupt nicht angemessen. Denn genau wie ein exakt sechs Monate altes Baby nicht schlagartig mehr Beikostreife als mit fünf Monaten und drei Wochen hat, ist das Baby der 35-jährigen Schwangeren nicht plötzlich dramatisch mehr Risiken ausgesetzt, als wenn die werdende Mutter 34 Jahre und elf Monate alt ist.
Pflichtprogramm statt Angebot
Da wird die Statistik oft ganz schön ausgereizt, um werdenden Eltern ein Überwachungsprogramm an Tests und Ultraschalluntersuchungen zu verkaufen, ohne dass ausreichend über mögliche Konsequenzen gesprochen wird. Auf der Suche nach möglichen Erkrankungen des Kindes wird oft vergessen, dass diese „Fehlersuche“ häufig zu einer großen Verunsicherung der Eltern führt, die sich plötzlich nicht mehr vorbehaltlos auf ihr Kind freuen können.
Die pränatale Diagnostik ist eigentlich ein Angebot. Müttern, die etwas älter sind, wird es indes mittlerweile fast als Pflichtprogramm auferlegt. Es sind viele Faktoren, die darüber entscheiden, wie gesund Schwangerschaft und Geburt verlaufen. So hat die rauchende und vielleicht noch Alkohol konsumierende Schwangere Mitte 20 sicher wesentlich mehr Grund zur Sorge, als die sich gesundheitsbewusst verhaltende 38-jährige werdende Mutter. Wie immer, muss man das Gesamtbild betrachten und nicht einzelne Parameter – aber genau das geschieht häufig nicht mehr, sobald eine werdende Mutter ein bestimmtes Alter überschritten hat.
Älteren Müttern wird aber auch bisweilen in Hinblick auf die Geburt oft nicht allzu viel zugetraut. Nach der vermeintlichen Risikoschwangerschaft kommt automatisch die vermeintliche Risikogeburt. Und so wird die Mutter so manches Mal mit allerlei Argumenten zum geplanten Kaiserschnitt überredet. Die Angst der Eltern aber auch die der Geburtshelfer trifft hier mehr die Entscheidung als wirklich vorhandene Tatsachen.
Soweit die Statistik…
Doch ähnlich ergeht es auch sehr jungen Mütter, die ja ebenfalls statistisch höhere Risiken haben, Probleme in der Schwangerschaft oder unter der Geburt zu entwickeln. Zudem wird ihnen zusätzlich oft nicht zugetraut, hinterher adäquat für ihr Baby sorgen zu können. Ich kann zwar auch aus meiner Erfahrung bestätigen, dass viel Unterstützung für Teenagermütter besonders wichtig ist. Aber am meisten profitieren diese sehr jungen Mütter davon, wenn man sie positiv bestärkt und ihnen vor allem zutraut, auch in ihrem jungen Alter eine gute Mutter sein zu können.
Das habe ich gerade beim Thema Stillen oft erlebt. Statistisch ist die Stilldauer bei ganz jungen Müttern wesentlich kürzer. Je älter Mütter bei der Geburt sind, desto länger stillen sie. Übrigens steigt die Dauer der Stillzeit noch mal signifikant bei Müttern über 30. Soweit die Statistik. Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass auch Teenagermütter bei guter Begleitung voll und lange stillen. Und das die ältere Erstgebärende bei fehlender Unterstützung auch vorzeitig „aufgibt“. Es ist halt alles nicht nur eine Frage von Zahlen und Daten, sondern immer individuell zu betrachten.
Was ist also nun meine persönliche Erkenntnis nach all den Jahren Arbeit mit manchmal sehr jungen oder auch sehr alten Müttern? Gibt es das ideale Alter für die Familienplanung?
In den besten Gebärjahren
In erster Linie sind es Frauen, die genauso guter Hoffnung sind wie Schwangere in den scheinbar „besten Gebärjahren“. Es wird aber wesentlich häufiger nach Risiken gesucht, als diese denn tatsächlich vorhanden sind. Es sind Frauen, die ganz verschiedene Lebensläufe und auch ganz verschiedene Wege zum Kind haben. Genauso wie dies auch in der Gruppe der 20- bis 30-Jährigen der Fall ist. Natürlich sollten sich Eltern mit Kinderwunsch darüber bewusst sein, dass die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter abnimmt. Die Reproduktionsmedizin bietet zwar mittlerweile viele Möglichkeiten, die aber alle kein Spaziergang sind. Und am Ende nicht immer zum Wunschkind führen.
Aber wenn Eltern jenseits der 40 oder eben auch sehr jung ihr Kind bekommen, entscheidet sicher nicht allein das Alter darüber, wie gut sie diese lebenslange Aufgabe meistern werden. Wenn ich selbst ein Kind von sehr alten Eltern bin, werde ich vielleicht meine Bedenken haben, was eine späte Elternschaft angeht. Doch auch da darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Menschen heute eine wesentlich höhere Lebenserwartung haben.
Über körperliche und mentale Belastbarkeit, die man sicherlich für das Abenteuer Kind braucht, entscheidet mehr als nur das Alter allein. So sind die Eltern auf dem Elternabend in der Grundschulklasse auch zwischen 30 und 50 Jahren alt – was man ihnen nicht immer unbedingt ansieht und auch nicht zwingend anmerkt. Genauso erlebe ich es in meinem Hebammenalltag. Das Altersspektrum der Frauen, die ich als Hebamme betreuen darf, wird sich wahrscheinlich zunehmend vergrößern. Meine Betreuung wird sich dadurch nicht verändern. Denn alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Egal ob mit 15 oder 45 Jahren…
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