Jedes Mal, wenn ich einen Artikel poste, der die Vor- oder Nachteile von diesem und jenem erklärt, muss man nicht lange darauf warten, bis jemand darunter kommentiert, dass es bei ihm aber ganz anders ist. Das ist auch richtig so, denn natürlich bekommt nicht jedes via Kaiserschnitt geborene Kind Asthma noch ist bei jedem nicht gestillten Kind späteres Übergewicht vorprogrammiert. Mir persönlich geht es als allerletztes darum, Eltern ein schlechtes Gefühl für ihr Tun zu vermitteln. Doch es bleibt natürlich nicht aus, wenn wir über mögliche Nachteile eines bestimmten Weges lesen, den wir selbst gerade gehen. Es ist also ein ganz normaler Impuls, das Tun zu „verteidigen“ und sich und anderen zu bestätigen, dass es nicht immer so sein muss.
Als Mutter kann ich das absolut nachvollziehen. Wir wollen alle das Beste für unsere Kinder und scheinbar sind manche Dinge irgendwelchen Studien zufolge besser oder schlechter. Als Fachfrau stehe ich so wie alle Hebammen, Ärzte etc. da oft vor dem Dilemma, dass ich Eltern natürlich möglichst evidenzbasierte Informationen für ihre Entscheidungsfindung an die Hand geben muss. Auch wenn ich glaube, dass Erfahrung und Intuition vielleicht manchmal sogar die besseren Ratgeber sind, möchte ich Eltern aktuelle Daten und Untersuchungen nicht vorenthalten.
Aber natürlich haben auch wissenschaftliche Untersuchungen ihre Schwachpunkte. Bei Studien zum Thema Stillen wird zum Bespiel nur selten unterschieden, ob ein Kind wirklich ausschließlich gestillt wurde oder nur überwiegend. Schon kleine Mengen anderer Flüssigkeiten verändern die Darmflora eines gestillten Kindes. Aber dies wird aus Studien nicht ersichtlich, die einfach von „gestillten Kindern“ sprechen. Es gibt etliche andere Beispiele, warum manche Studie mit Vorsicht zu genießen ist. Interessenkonflikte der Auftraggeber oder Forschenden sind nur ein Punkt, der Ergebnisse beeinflussen kann.
„Was würdest Du machen?“
Auch für Fachpersonal ist es nicht immer leicht, trotz großer Datenbanken und guter verfügbarer Literatur den Überblick zu behalten. Für Eltern wäre es auch vielleicht oftmals leichter, wenn ihnen jemand konkret sagen würde, welcher Weg der Richtige ist. Doch die meisten Entscheidungen müssen Eltern nun mal selbst treffen.
Aber wie kommen Eltern nun zu einer guten informierten und für sich passenden Entscheidung? Sicherlich nicht, indem gesagt wird, dies oder das ist besser. Bei einer guten und individuellen Entscheidung dürfen eigene Erwartungen und Wünsche, Ressourcen und Möglichkeiten, aber auch Sorgen, Ängste und Vorerfahrungen nicht außen vor gelassen werden. Für den Entscheidungsfindungsprozess ist es wichtig, auch gut auf das eigene Gefühl zu achten, was sich bei den mir zur Verfügung gestellten Informationen zeigt. Die bisweilen an mich gestellte Frage: „Was würdest Du machen?“, ist zwar nachvollziehbar, aber nicht zielführend.
Ziel ist es, dass Eltern in allen Fragen – sei es jene bezüglich des Geburtsortes oder der Ernährung des Babys – einen Weg finden, der sich für sie selbst richtig anfühlt. Dafür dürfen nicht nur Studienergebnisse einbezogen werden. Eltern sind Menschen mit vielen, ganz unterschiedlichen Lebenswegen. Die bisherigen Erfahrungen beeinflussen natürlich auch den Umgang mit Schwangerschaft, Geburt und auch generell den Umgang mit unseren Kindern. Eine pauschale Empfehlung dies oder das als „Schlüssel zur mütterlichen und kindlichen Glückseeligkeit“ zu tun, funktioniert also nicht.
Als Hebamme darf ich oft ein bisschen mehr über die Mütter erfahren, als andere auf dem ersten Blick auf dem Spielplatz mitbekommen. Es gibt eigentlich immer einen guten Grund, weshalb Dinge so oder so gehandhabt werden. Tragisch ist es eigentlich immer nur, wenn sich im Nachhinein falsch anfühlende Entscheidungen aufgrund fehlender oder falscher Informationen getroffen werden und nun vielleicht nicht mehr veränderbar sind.
Diese Entscheidungsfindungsprozesse in unserem Überinformationszeitalter zu begleiten, ist auch Teil der Hebammenarbeit. Denn bereits in der frühen Schwangerschaft müssen Eltern heutzutage oft weitreichende Entscheidungen treffen, statt einfach nur guter Hoffnung sein zu dürfen. Auch hier gibt es kein generelles „Falsch“ oder „Richtig“.
Und auch wenn Studien manchmal etwas anderes sagen, ist trotzdem ein bestimmter Weg genau der richtige und beste für die jeweilige Familie. Also liebe Eltern, hört auf, euch zu verteidigen, für das was ihr tut oder auch nicht – wenn es sich für euch und euer Kind einfach richtig anfühlt.
Schreibe einen Kommentar