Fehlgeburt: Ist es leichter, wenn schon ein Kind da ist?

Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, ob eine Fehlgeburt für Eltern leichter zu verarbeiten ist, wenn schon ein Kind oder mehrere Kinder da sind. Für das Trauern gibt es keine einfachen oder allgemein gültigen Aussagen. Es gibt bestimmte Phasen im Trauerprozess, die mehr oder weniger alle Betroffenen erleben. Aber den Verlust eines geliebten Menschen und eben auch eines still geborenen Kindes nimmt jeder Mensch höchst individuell wahr.

Vielleicht finden Eltern etwas schneller in einen Alltag zurück, wenn schon Kinder da sind. Oder zumindest in einen Zustand, der von außen nach Alltag aussieht. Einfach deshalb, weil oft weniger Raum und Zeit zum Nachdenken bleibt, was durchaus herausfordernd sein kann. Gleichzeitig kann auch genau das hilfreich sein, in ein nicht allzu tiefes Loch zu fallen. Dennoch sind die Geschwister eines Sternenkindes natürlich keine Tröster. Ganz im Gegenteil – auch sie brauchen je nach Alter entsprechende Unterstützung, mit der Situation umzugehen. Eine Fehlgeburt betrifft immer das ganze Familiensystem. Der Umgang jedes einzelnen Familienmitgliedes kann sehr unterschiedlich aussehen. Auch hier gibt es also nichts, was sich verallgemeinernd auf jede trauernde Person übertragen lässt.

Aber wie ist es nun mit der Trauer und der Schmerzverarbeitung generell, wenn schon Kinder da sind? Wenn man schon Mutter war, bevor man dieses Kind verloren hat? Natürlich spürt man die Dankbarkeit für seine Kinder an der Hand jetzt besonders intensiv. Weil man gerade erlebt hat, wie fragil dieses Wunder einer Schwangerschaft doch ist. Dennoch glaube ich nicht, dass deshalb die Trauer um dieses Sternenkind kleiner oder schneller vorbei ist. Denn man trauert um DIESE kleine Seele, die nicht bleiben konnte. Man trauert um die Zukunft ohne DIESES Kind. Diese Zukunft, die man sich schon früh in der Schwangerschaft ausgemalt hat und die plötzlich so abrupt endete.

Das eint uns alle als Frauen, die ein Kind in der Schwangerschaft verloren haben.

Trauer kommt und geht in Wellen

Dennoch kommt bei Frauen, deren Schwangerschaft oder auch mehrere Schwangerschaften bisher immer in einer Fehlgeburt endeten, sicherlich noch ein anderer Schmerz dazu. Der Schmerz, der aktuellen ungewollten Kinderlosigkeit. Natürlich sind auch Sternenkindeltern Eltern. Eltern, die um ein Kind trauern, mit dem sie sich ihr Elternleben ausgemalt haben.

Auch wenn die große Mehrheit der Frauen nach Fehlgeburten irgendwann ein Kind zur Welt bringen und dieses Elternsein erleben wird, weiß man eben im Moment nicht, wie das Leben nach diesem großen Verlust weitergehen wird. Ob der Kinderwunsch jemals erfüllt wird? Wie lange es dauern wird? Oder da ist auch einfach große Sorge vor einer nächsten Schwangerschaft und der damit verbundenen Angst davor, dass sich diese schwere Situation wiederholt. Wahrscheinlich sind diese Sorgen etwas kleiner, wenn schon ein Kind da ist. Aber auch der Wunsch nach einem Geschwisterkind ist und bleibt eben ein Kinderwunsch.

Es ist also nicht leichter und auch nicht schwerer, eine Fehlgeburt zu verarbeiten, wenn schon Kinder da sind. Trauerarbeit ist eine große mentale und körperliche Herausforderung – für jeden Menschen. Trauern braucht Zeit und Raum. Und es helfen Menschen, die dann einfach da sind, die zuhören, zulassen, beistehen und sich zurückhalten mit unerbetenen „Tipps“. Trauern lässt sich nicht abkürzen. In einer Weiterbildung zum Thema „Fehlgeburten begleiten“ sagte die Dozentin:

„Trauer ist die Ausstattung, die wir haben, um auf Verlust zu reagieren“. 

Die Trauer kommt und geht in Wellen. Sie hilft, das Geschehene zu verarbeiten und in den eigenen Lebenslauf zu integrieren. Und auch wenn die Welt gefühlt in dieser Zeit stehen bleibt, hilft uns die Trauer weiter zu gehen – wie auch immer der Weg im Anschluss aussehen mag.

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