Immer wieder erlebe ich im Hebammenalltag, wie Wöchnerinnen tapfer etliche Tassen Stilltee trinken, obwohl er ihnen vielleicht überhaupt nicht schmeckt. Aber was tut man nicht alles für die Milchbildung…
Doch leider wird die Wirkung des Stilltees völlig überschätzt. Wenn man auf die Inhaltsstoffe schaut, wird man feststellen, dass die meisten Stilltees eine Mischung aus Fenchel, Kümmel und Anis sind. Manche Tees enthalten zusätzlich Zitronenverbene, Majoran, Melisse und Bockshornklee. Von diesen Kräutern gibt es einzig für den Bockshornklee Berichte, die eine Wirksamkeit in Bezug auf die Milchbildung zeigen.
In vielen Stilltees ist Bockhornklee (Trigonelle founum-graecum) aber gar nicht erst enthalten. Auch wird es in der Stillberatung eher in Form von höher dosierten Bockshornkleesamenkapseln empfohlen als in der Kräuterteevariante. Ein eventuelle Einnahme sollte aber immer mit Hebamme oder Stillberaterin abgestimmt werden.
Steigerung der Milchmenge durch Stillen
Die wichtigste Maßnahme zur Steigerung der Milchmenge bleibt, das Baby zum häufigen, direkten und effektiven Stillen an der Brust zu bewegen. Das sorgt dafür, dass das „Milchbildungshormon“ Prolaktin durch den Saugimpuls vermehrt ausgeschüttet wird. Wenn das Baby dies nicht schafft, muss die Brust entsprechend durch Abpumpen oder Handentleerung stimuliert werden.
Grob lässt sich sagen: Je öfter und länger angelegt wird, desto mehr Muttermilch wird durch die entsprechende Prolaktinausschüttung produziert. Entscheidend für die Milchmenge ist also die häufige und effektvolle Entleerung der Brust. Dies ist das A und O. Jedes Galaktogoga (Substanz oder Medikament, das die mütterliche Milchbildung anregen, steigern oder aufrechterhalten soll) kann dabei immer nur unterstützen, weshalb es auch nicht ohne zeitgleiche vernünftige Stillberatung angewendet werden sollte.
Neben der also nicht eindeutig belegten Wirkung von Stilltees können diese zum Teil auch unerwünschte Stoffe enthalten, wie eine Untersuchung von 15 Still-und Milchbildungstees durch Ökotest ergab. Vieles spricht also dafür, dass Stillende diese Tees gar nicht trinken müssen.
Entspannende Teepause
Allerdings haben solche Tees genauso wie Milchbildungskugeln, Malzbier oder Wochenbettsuppe eine nicht zu unterschätzende Placebo-Wirkung. Auch die Reduktion von Stress im Wochenbett wirkt sich positiv auf die Hormonlage und somit auf die Milchbildung aus. Wenn zwei Tassen Stilltee am Tag zu einer entspannenden Teepause für die Mutter beitragen, kann das auch ohne wissenschaftlich belegte Wirkung sicher hilfreich sein.
Voraussetzung ist dafür aber wahrscheinlich, dass der Mutter der Tee auch schmeckt. Auf keinen Fall sollten sich stillende Mütter aber kannenweise Stilltee und auch nicht andere Getränke weit über das Durstgefühl hinaus zuführen. Eine zu hohe Flüssigkeitsaufnahme führt sogar nicht zu mehr, sondern zu weniger Milch. In der Stillzeit sind zwei bis drei Liter empfohlenen. Zu viel Trinken sorgt für die Ausschüttung von ADH (antidiuretisches Hormon). ADH bewirkt, dass vermehrt Wasser aus dem Körper „ausgeschwemmt“ wird.
Trinken nach Durstgefühl ist in der Regel in der Stillzeit eine gute Richtlinie für die erforderliche Trinkmenge. Der Durst ist bei den meisten Müttern in der Stillzeit ausgeprägter. Wenn nicht, kann ein Glas zu jedem Stillen und jeder mütterlichen Hauptmahlzeit die Stillende an regelmäßiges Trinken erinnern. Ideal sind Wasser und verdünnte Obst- oder Gemüsesäfte, ebenso Früchte- und Kräutertees. Ja, das darf auch der Stilltee sein, wenn er denn mundet. Nur große Stillwunder sollte man sich davon nicht versprechen, egal was auf der Verpackung steht.
Die „Frage an die Hebamme“ bekam ich übrigens diese Woche von einer Schwangeren gestellt, die sich auf die Stillzeit mit ihrem in wenigen Wochen erwarteten Baby vorbereiten wollte. Einen Stilltee-Großeinkauf muss sie also kurz vor der Geburt nicht mehr tätigen. Aber wir haben uns vorher noch zur Stillberatung getroffen. Da habe ich ihr hoffentlich alle wichtigen Informationen mit auf den Weg gegeben, mit denen sie gut informiert und entspannt in die Stillzeit starten kann.
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