Hebammentag – (k)ein Grund zum Feiern

Zwei Tage ist er nun her, der Hebammentag. Es gab gute Wünsche. Es gab Forderungen. Und es gab auch in den großen Medien wieder viele Artikel zur Lage der Hebammen und der Geburtshilfe insgesamt.

Alle sind sich einig, dass Hebammenarbeit irgendwie wichtig und #unersetzbar ist.

So wie in jedem Jahr. Und so wie sicherlich auch im nächsten Jahr. Und im Jahr danach…

Und gleichzeitig finden weiterhin in manchen Regionen Deutschlands gut die Hälfte aller suchenden Eltern keine Hebamme mehr. Die guten Wünsche zum Hebammentag auf Instagram haben manche Kliniken genutzt, um zeitgleich nach neuen Kolleginnen zu suchen. Denn auch in diesen Kreißsälen betreuen weiterhin zu wenige Hebammen zu viele Geburten.

Wir haben seit Dezember 2020 eine tolle S3-Leitlinie, die evidenzbasiert den hohen Wert einer 1:1-Betreuung unter der Geburt sehr deutlich benennt. Aber wir haben nicht genug Hebammen, um diese Betreuung den Gebärenden zu ermöglichen. Selbst die 2:1-Betreuung ist in der Realität oftmals nicht möglich. Wobei eine Hebamme, die „nur“ zwei Geburten parallel betreut, immer noch nicht gleichzeitig in zwei Räumen sein kann. Und noch nebenbei weitere Frauen mit Wehen aufnehmen oder entlassen, die Ambulanz betreuen, dokumentieren, aufräumen…

Auch 2021 ist die Verweildauer „im schönsten Beruf der Welt“ erschreckend kurz. Und das liegt nicht an der Arbeit selbst. Denn auch das hat dieser Welthebammentag vorgestern immer wieder gezeigt: Wir Hebammen lieben unsere Arbeit. Aber eben oftmals nicht die Bedingungen rundherum. Wir haben Familien, Freunde und ein Privatleben. Und manchmal ist die schwere Entscheidung gegen den Beruf eine für die eigene Familie. 

Hebammen, die aufhören…

Fast alle Hebammen, die aufhören, vermissen ihre Hebammentätigkeit. Aber sie vermissen nicht die schlechten Rahmenbedingungen. In der Pflege sieht es ähnlich aus. Die meisten verlassen ihren Beruf, weil sie ihn nicht so ausüben können, wie es den Patienten aber eben auch dem Personal selbst gegenüber angemessen wäre.

Es sind nicht nur Überstunden, Schichtdienst, Rufbereitschaft und schlechte Bezahlung, die es schwer machen. Es ist vor allem immer wieder das Gefühl, den Menschen in einer Ausnahmesituation nicht gerecht werden zu können. Egal ob wir Menschen beim Gebären, in Krankheit, am Lebensabend oder auch beim Sterben begleiten. Eine „Massenabfertigung“ funktioniert in alle diesen Berufen nicht. Oder anders gesagt: Sie funktioniert vielleicht aus wirtschaftlicher Sicht, aber eben nicht auf menschlicher Ebene.

Und auch heute wird wahrscheinlich wieder die eine oder andere Kollegin ihre Freiberuflichkeit aufgeben. Wenn die nächste Kürzung der Krankenkasse kommt, weil in der Welt der Abrechnungszentralen immer noch nicht vorstellbar ist, dass eine Mutter auch 18 Monate nach der Geburt eine Stillberatung benötigt. Oder auch eine Mutter nach einer Fehlgeburt Anrecht auf eine Wochenbettbetreuung hat.

Vieles liegt im Argen

Auch jetzt gerade schreibt vielleicht eine Hebamme ihre Kündigung für die Klinikarbeit. Oder reduziert den Stundenumfang, weil die Belastung in Vollzeit nicht mehr tragbar ist. Vielleicht beendet heute eine werdende Hebamme die Ausbildung oder das Studium, weil sie sich die Begleitung von Geburten so nicht vorgestellt hat und es nicht aushalten kann. Und welche geburtshilfliche Klinik oder welches Geburtshaus als nächstes schließt, ist auch nur eine Frage der Zeit.

Es wird für mich gefühlt jedes Jahr ein bisschen schlechter. Darum empfinde ich den Welthebammentag mittlerweile fast ein bisschen als das Pendant zum Muttertag, an dem mit Pralinen oder Blumen darüber hinweg getröstet werden soll, dass vieles im Argen liegt.

Aber von Berufswegen bin ich guter Hoffnung, dass eines Tages der Hebammentag vielleicht wirklich einfach ein Tag ist, an dem wir unseren Beruf feiern können. Einen Beruf, den wir dann endlich unter guten Rahmenbedingungen für die Familien am Lebensanfang und für die Hebammen selbst ausüben.

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