Kinderkriegen im Jahr 2050

In Sachen Kinderkriegen hat sich in den letzten Jahren so einiges geändert, was auch beruflich als Hebamme für mich neue Fragen aufwirft. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, ob das Stillen nach reproduktionmedizinischer Unterstützung beim Schwangerwerden tatsächlich erschwert ist oder ob es nur eine zufällige Beobachtung ist, die viele Hebammen und Stillberaterinnen teilen.

Neulich fragte eine Kollegin im fachlichen Austausch nach Erfahrungen mit dem Stillen nach der Menopause, da die Frau, die sie begleitet und die mittels Eizellenspende im Alter von fast Mitte 50 ihr erstes Kind bekommen hat, massive Probleme mit der Milchbildung hatte. Und wie sieht es eigentlich mit dem Anspruch auf Hebammenbegleitung nach einer Leihmutterschaft aus? Steht sie auch der Mutter zu, obwohl sie selbst nicht schwanger war? Auch auf die Frage, inwieweit sich die Kosten für eine IVF- oder ICSI-Behandlung im In- oder Ausland steuerlich absetzen lassen, weiß ich keine konkrete Antwort, wobei Steuerfragen sicherlich auch keine Kernkompetenz von Hebammen sind.

Kinder brauchen Liebe, Bindung und Geborgenheit

In Sachen Pränataldiagnostik gibt es mit fortschreitender Entwicklung neuer Diagnostikoptionen viele Fragen, auf die es oft keine wirklichen Antworten gibt. Eines aber ist sicher: Es müssen noch bessere Wege gefunden werden, alle Eltern emotional und inhaltlich zu begleiten, wenn sie diese Optionen in Anspruch nehmen oder auch nicht. Denn oft stehen sie mit ihren Ängsten und zu treffenden Entscheidungen sehr alleine da. Und es sind Entscheidungen, die sie ein Leben lang tragen müssen. Inklusive aller damit verbundenen Folgen.

Es stellen sich neue Fragen zu vielen neuen Themen. Es sind Themen, die in meiner Hebammenausbildung vor über 17 Jahren noch überhaupt kein Thema waren. Und die auch heute in dem dicht getakteten Lehrplan sicherlich zu wenig Raum finden werden. Manchmal frage ich mich, was in den noch folgenden Berufsjahren wohl noch alles anstehen wird. Manche Entwicklungen sehe ich persönlich mit eher gemischten Gefühlen, aber im beruflichen Kontext ist es nicht meine Aufgabe, einen Umstand moralisch zu beurteilen, sondern alle Eltern an genau der Stelle zu begleiten, an der sie sich gerade befinden.

Aber ein bisschen überfordert fühle ich mich von den Fragen, auf die es bisher noch keine Antworten gibt, bisweilen allerdings schon. Es tut dann immer wieder ganz gut, den Fokus auf das Wesentliche zu lenken – nämlich Eltern dabei zu unterstützen, eine gute Bindung zu ihrem Kind aufzubauen und als Familie zusammenzuwachsen, ganz unabhängig davon, ob nun etwa das Stillen jenseits der Menopause gelingt oder nicht. Und es ist ganz egal, auf welchem Wege Babys zu ihren Eltern gekommen sind. Kinder brauchen Liebe, Bindung und Geborgenheit – und das wird sicherlich auch im Jahr 2050 der Fall sein.

Autor.in dieses Beitrags

Beitrag veröffentlicht am

in

, , ,

Von

Buchempfehlungen unserer Redaktion

Kommentare

3 Antworten zu „Kinderkriegen im Jahr 2050“

  1. T
    Theresa

    Aber braucht es tatsächlich ein Studium, um Hebamme zu werden? Wieder ein Beruf, dem die Hürde des Abitur vorgeschaltet ist? Was dazu führt, dass andere Abschlüsse weniger wert werden, dass immer mehr Kinder auf das Gymnasium müssen, weil immer mehr Berufe das Abitur erfordern.
    Mir ist eine patente, einfühlsame, lebenskluge Hebamme wichtig, die etwas von ihrem Handwerk (!) versteht. Und dafür braucht es nicht zwingend ein Abitur. Die Ärzte sind ja leider auch nicht besser geworden, seit man nur mit einem Schnitt von 1,0 ins Medizinstudium kommt. Im Gegenteil.
    Ansonsten vollstes Einverständnis zum schönen Artikel. Mein erstes Kind ist 14, mein viertes wenige Tage alt und ich habe schon mit den Ohren Geschmäcker, was sich in den 14 Jahren in der Geburtshilfe alles verändert hat. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass meine Tochter und meine zukünftigen Schwiegertöchter in den Genuss von so tollen Hebammen und Geburten kommen, wie ich sie erleben durfte. Das ist heute schon keine Selbstverständlichkeit mehr.

  2. S
    Shiri

    Hallo zusammen,
    Ich möchte hier noch etwas kleines hinzufügen. Grundsätzlich stimme ich Anja vollkommen zu, viele ethisch-moralische, aber auch ganz praktische Fragestellungen werden auf uns zukommen resp. sind da. Eine Ergänzung jedoch bezüglich der Ausbildung, welche ich in diesem Sommer in der Schweiz abschliessen durfte (hier ist die Hebammenausbildung ein Fachhochschulstudium und dauert insgesamt 4 Jahre, davon sind 80 Wochen Praktika, der rest theoretischer Unterricht) Wir hatten mehrere Veranstaltungen zu genau diesen ethischen Fragen, insbesondere zur Pränataldiagnostik. Auch wurden mehrere interessante Bachelorarbeiten zu diesen Themen verfasst. Ich kann nun von mir sagen, für mich als Hebamme Antworten auf diese Fragen gefunden zu haben. Natürlich kann man dies von Politik und Krankenkassenverband nicht behaupten…
    Dies nur als Ergänzung zu einem interessanten und berührenden Text.
    Liebe Grüsse,
    Shiri

    1. A
      Anja

      Liebe Shiri,

      genau so sollte es sein und es ist längst überfällig, die Ausbildung auch in D überall in ein vierjähriges Studium umzuwandeln. Es wird ja in vielen Bereichen immer komplexer.
      Ich mache jetzt eine mehrteilige Weiterbildung zur PND, weil mir das Thema auch zu umfassend ist, um es sich nur über Fachliteratur und Vorträge auf Kongressen zu erschließen.

      Alles Gute für Deinen weiteren Berufsweg, liebe Kollegin:)
      Liebe Grüße, Anja

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert