Unverhofft zur Langzeitstillerin geworden

Dies ist der 36. Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“ (alle weiteren findet ihr gesammelt hier), in dem Frau Mutterherz ihre Stillgeschichte teilt. Die 32-Jährige wohnt in einem größeren Dorf in der Mitte Deutschlands. „Ich bin seit 14 Jahren mit dem Lieblingsmann zusammen und seit acht Jahren verheiratet. Wir haben einen sehr langen Kinderwunschweg von fünf Jahren hinter uns.“ Sie und ihr Mann sind „überglücklich“, im April 2018 einen Sohn bekommen zu haben.

Über ihren Weg zum Wunschkind bloggt sie seit knapp vier Jahren und möchte nun von ihrer Stillbeziehung berichten, „weil ich glaube, dass Stillen toll, aber auch schwierig, ist und dass man deswegen vielmehr darüber aufklären sollte.“ 

Den Text geschrieben hat sie im September 2018. Nach mittlerweile 16 Monaten stillt sie immer noch und wurde somit „ganz unverhofft zur Langzeitstillerin“. Das ist etwas, das sie sich „anfangs gar nicht vorstellen konnte und das sich nun völlig normal anfühlt“.

Was hast du vor deiner Schwangerschaft über das Stillen gedacht bzw. welche Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
Mir war schon irgendwie klar, dass Stillen wichtig ist und ich fand es faszinierend. Selbst hatte ich jedoch kaum Erfahrung damit. Weder mein Mann noch ich wurden gestillt (meine Mutter fand es damals nicht schön). Und auch die meisten Mütter, die ich kannte, stillten nicht oder nur wenige Wochen. Eine Nachbarin versuchte sogar, mich in den ersten Wochen zu überreden, endlich zur Flasche zu wechseln.

Einzig die Patin meines Sohnes hatte ihren Sohn gestillt (auch ganz natürlich in der Öffentlichkeit). Sie stillte ihn bis er etwa 15 Monate alt war, was mich damals doch leicht entsetzte. Denn schließlich war das Kind da ja schon „so groß“. 😉 Ich hatte also keine Ahnung… wollte aber sehr gerne stillen und freute mich darauf.

Wie hast du dich vor der Geburt über das Thema informiert? Gab es Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf die vor euch liegende Stillzeit?
Im Geburtsvorbereitungskurs wurde uns das Stillen nur kurz erklärt. Die Bedeutung für die Gesundheit des Babys wurde durchaus betont – welchen emotionalen und sozialen Vorteil es hat, erfuhr ich erst später, als ich mich selbst informierte. Ich las einiges über das Thema und sah mir Videos an, dachte aber lange, dass das schon einfach so klappt, da Mutter und Kind das in ihren Genen hätten. Außerdem dachte ich, es wäre eine ganz innige tolle Erfahrung. 

Er trank zum Glück gleich wunderbar

Wie schmerzhaft und anstrengend es gerade zu Beginn sein würde, unterschätzte ich völlig. Zum Glück bereitete mich meine Freundin etwas darauf vor und gab mir auch die beiden wichtigsten Tipps für den Stillstart. Erstens: Der Anfang ist schmerzhaft, aber du musst durchhalten, nach einigen Wochen ist es dann toll. Zweitens: Lass dir von niemandem reinreden, wenn dein Bauch dir was anderes sagt. Hätte ich beides nicht beherzigt, wäre unsere Stillbeziehung sicher bald gescheitert.

Wie verlief der Stillstart und wie ging es dir und deinem Baby dabei? Welchen Einfluss hatte die Geburt auf eure ersten Stillmomente?
Da unser Sohn sich in der Schwangerschaft und auch bei der Geburt immer wieder drehte und es schließlich zum Geburtsstillstand kam, musste ich mit Kaiserschnitt entbinden. Glücklicherweise waren wir in einem als „babyfreundlich“ zertifizierten Krankenhaus. Ich hatte mich eigenständig für den Kaiserschnitt entschieden und wurde nicht gedrängt, nur gut beraten. Ich blieb wach, bekam ein Bondingband und nur wenige Sekunden nach der Geburt lag unser wunderschöner Sohn auf mir. 

Wir rochen einander, ich redete mit ihm, er war fit und durfte daher einige Minuten auf mir liegen. Er hätte sogar die gesamte OP bleiben dürfen, allerdings wurde mir sehr übel und daher kam er kurz zum Bonden zu meinem Mann. Bereits 90 Minuten nach dem Kaiserschnitt legte ich unser Baby an und er trank zum Glück gleich wunderbar. Unser Stillstart verlief also hervorragend. Er trank problemlos, ich hatte genug Milch. Ab dem dritten Lebenstag stieg bereits sein Gewicht wieder und ich hatte noch im Krankenhaus meinen Milcheinschuss, weil der Bub so einen großen Zug drauf hatte.

Meine Hebamme war überhaupt keine Hilfe

Aufgrund der Kaiserschnittnarbe waren allerdings nicht gleich alle Stillpositionen möglich. Ich stillte bald im Sitzen in einem Stuhl mit hochgelegten Füßen. Und als die Oberärztin zur Visite kam, fand sie, dass das alles sehr vielversprechend aussieht.

Wie lief das Stillen im Wochenbett? Hattest du in dieser Zeit Unterstützung?
Leider änderte sich die Situation schnell im Wochenbett. Bereits am Entlassungstag kam abends sehr viel Blut mit, da in meiner Brust wohl Äderchen aufgrund des kraftvollen Trinkens geplatzt waren. Bald hatte ich starke Schmerzen und blutige Brustwarzen. In meiner linken Brustwarze war sogar ein regelrechter Krater. Meine Hebamme war überhaupt keine Hilfe. Sie zeigte mir nur, wie ich mein Baby aufs Stillkissen legen soll oder legte ihn in einer bestimmten Position an, aber echte Erklärungen blieben aus. 

Darüber hinaus riet sie von Stillhütchen, Cremes und dergleichen ab. Mein Baby clusterte aber, was das Zeug hielt und ich weinte bei jedem Stillen. Hinzu kam, dass unser Sohn Blockaden hatte und daher viel schrie, auch an der Brust, was für mich nur sehr schwer auszuhalten war. Zum Glück hatte ich meinen Blog und konnte in die Stillambulanz in meinem Entbindungskrankenhaus. 

Wer war bei Fragen oder Problemen in der Stillzeit für dich da? Wer oder was hat dir besonders gut bei etwaigen Schwierigkeiten geholfen?
Bei beiden Anlaufstellen bekam ich gute Tipps und im Krankenhaus konnte man sich auch die Brustwarzen lasern lassen – was ich als absolut genial empfand. Außerdem gab es auch eine Still-Hotline. Und am Ende des Wochenbetts wurde es tatsächlich besser.

Innig und erfüllend

Dennoch hörte ich, dass mein Sohn beim Stillen Klickgeräusche macht. Er hatte immer noch schlimme Bauchschmerzen, also dachte ich, sein Zungenbändchen wäre zu kurz. Unsere Kinderärztin nahm sich schließlich viel Zeit und ließ mich in der Praxis stillen. Sie sah sich alles genau an und versicherte mir, dass mein Baby einfach nur keine gute Technik hat und mit meinen großen prallen Brüsten überfordert sei. Sie prophezeite, dass er es bald lernen würde. Uns so kam es auch. Und es wurde wunderschön. Innig und erfüllend – so wie ich es mir immer erträumt hatte.

Der Lieblingsmann war ebenfalls eine große Stütze in den ersten Wochen. Er beobachtete im Krankenhaus, wie ich anlegte und gab mir schon da Tipps – weil ich manches aus meiner Perspektive nicht sah. Außerdem versorgte er mich immer mit Getränken und nahm mich in den Arm, wenn es mal nicht so lief. Während des Clusterns oder nachts las ich einige Stillblogs und informierte mich über „natural breast feading“. Außerdem fand ich einen Youtubekanal einer Stillberaterin und nach und nach wurde ich immer sicherer und löste mich von den üblichen Tipps – hin zu einer individuellen Stillbeziehung.

Wie verlief der Beikostbeginn? Welche Erwartungen gab es? Und wie hat sich das Stillen in dieser Zeit verändert?
Unser Beikoststart war in der 20. Woche. Mein Sohn zeigte schon ein paar Wochen deutliche Reifezeichen. Er vergöttert den Löffel und hat schon protestiert, dass er nur sieben Löffelchen bekommen hat. Bisher läuft der Beikoststart also super.

Allerdings habe ich begonnen zuzufüttern, denn trotz vieler Tricks wurde mein Kind einfach nicht mehr satt, schlief nicht mehr an der Brust ein und war zunehmend unzufrieden. Bei den vorherigen Wachstumsschüben hatte ich mit gezieltem Anlegen und viel Geduld die Milchmenge immer steigern können, allerdings fühlte ich mich nun körperlich am Limit. 

Wir stillen immer noch, trotz Fläschchen

Unser Sohn kam sowieso schon sehr häufig, weil er so aktiv ist. Aber nun kam er fast stündlich, auch nachts, sodass ich einfach nicht mehr konnte. Bereits beim ersten Fläschchen spürte man seine (und meine) Erleichterung und Zufriedenheit. Einschlafen ist nun kein Kampf mehr und nachts hält er auch mal drei Stunden durch. Wir stillen immer noch viel (sieben bis neun Mal täglich) und nur wenn es wirklich dringend ist und er danach sehr unruhig bleibt, füttere ich zu. Ich hoffe, das Zufüttern mit zunehmender Beikostmenge wieder einstellen zu können. Mal schauen, ob das klappt. Wir geben seit 11 Wochen Beikost und es läuft gut. Mein Sohn isst nur recht wenig (rund 60 bis 80 Gramm), aber dafür sehr vielfältig und er probiert weiterhin alles bereitwillig. 

Viel wichtiger: Wir stillen immer noch, trotz Fläschchen. Das Zwiemilchsystem hat sich gut bei uns eingespielt – es gibt keine Saugverwirrung und der Kleine wechselt sogar während des Stillens mehrmals zwischen Brust und Fläschchen, wenn ihm etwa an der Brust gerade zu wenig kommt und er sehr hungrig ist. Ich erkenne sehr gut, was er möchte. Lege ihn immer erst an, halte aber das Fläschchen bereit. Zufüttern ist also nicht zwangsläufig der Anfang des Abstillens… das finde ich eine wichtige Erkenntnis.

Und auch wenn mein Kind nur wenige Schlucke Muttermilch erhält, so sind es doch sehr wertvolle Schlucke. Wir haben immer noch ganz innige und kuschlige Stillmomente und ich bin froh ihm weiterhin auch die Brust zum Trösten anbieten zu können. Die Hauptnahrungsquelle ist sie nicht mehr, aber ohne diesen Druck, ist es ganz entspannt geworden. Wir stillen, weil wir beide das möchten. Ich hoffe sehr, dass unsere Doppelstrategie noch lange funktioniert und bin froh, diesen Weg gegangen zu sein. 

Wie verlief der Abstillprozess bzw. welche Wünsche oder Vorstellungen hast du in Bezug auf diese Zeit?
Ich würde gerne etwa ein Jahr lang Stillen – aber mache das natürlich von unserem Sohn abhängig. Anfangs akzeptierte unser Kind keine Flaschen und ich hatte große Sorge, wie das Abstillen irgendwann laufen würde. Nun bin ich ganz entspannt.

Einfach ständig ausgelaugt und müde

Er zeigt mir ganz deutlich, dass Stillen mit mir für ihn etwas anders ist, als das Hunger stillen am Fläschchen. Und er hat jetzt schon verschiedene Zeichen dafür, was er möchte. Wenn er irgendwann genug „Mama in sich aufgenommen“ hat, werde ich es merken und ich bin sicher, dass er dann ganz selbstbestimmt abstillen wird. Zumal er ja Essen sehr zu mögen scheint.

Was war oder ist das Schönste für dich am Stillen?
Wenn wir morgens oder nachts im Bett liegen, kuscheln und ich ihn glucksend schlucken höre: das ist Innigkeit pur. Als er klein war, wenn die Milch am Ende aus seinem Mund lief, weil er eingeschlafen war. Und heute liebe ich es, wenn er fertig ist mit trinken, meine Brustwarze aber noch im Mund behält und mich angrinst – das ist einfach zu süß.

Was war am schwersten oder belastendsten für dich in der Stillzeit?
Zunächst die Schmerzen und das Brennen der Brustwarzen. Später dann der sehr sehr enge Stillrhythmus. Ich war einfach ständig ausgelaugt und müde. Stillen ist toll, aber nicht in dieser Schlagzahl.

Was würdest du in einer weiteren Stillzeit anders machen? Was ist deine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf das Stillen, die du anderen Müttern weitergeben würdest?
Ich würde alles wieder so machen, allerdings meine Nippel von Anfang an pflegen und im Notfall auch mal Stillhütchen verwenden. Außerdem würde ich bereits früher das „natural breast feading “ ausprobieren, weil ich diese Position mit einem Neugeborenen bzw. Kleinen Baby am entspannendsten fand. Ansonsten: Ihr müsst nur die ersten Wochen überstehen und dann wird es schön! Versprochen.

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