Zu jeder Hebammenbetreuung gehört immer eine Anamnese. Für mich ist Teil davon auch die Kinderwunschgeschichte einer Familie. Und das nicht, weil ich besonders neugierig bin und wissen möchte, wie und wo dieses Baby gezeugt wurde. Sondern weil der Weg zu diesem Baby auch den weiteren Weg mit beeinflusst.
Kinderwunsch kann bedeuten, dass sich ein Paar ein Baby wünscht und nach ein paar Zyklen freudig auf einen positiven Schwangerschaftstest blickt und auf alles, was da jetzt kommt. Kinderwunsch kann aber auch bedeuten, dass ein Paar oder auch eine alleinstehende Person schon viele Monate und Jahre auf das Wunschkind wartet. Dann sind in diesen Wunsch viel Kraft, Zeit und Geld geflossen. Und die werdenden Eltern blicken zwar freudig, aber eben auch erschöpft oder mit viel Angst auf diese frühe Schwangerschaft. Manchmal haben Eltern bereits ein Baby verloren – vielleicht ganz früh in der Schwangerschaft, vielleicht auch im späteren Verlauf. Trauer um dieses Kind und Sorge um das kommende Kind eint alle diese Eltern.
Vielleicht ist für eine Frau das Schwangerwerden „leicht“, aber das Schwangerbleiben umso schwieriger. Das Vertrauen in den eigene Körper zu wahren, es wird meist mit jedem Schwangerschaftsverlust schwieriger.
Aber auch zahlreiche frustrane Versuche, überhaupt erst einmal schwanger zu werden, hinterlassen Spuren. Darum ist es wichtig als Hebamme zu wissen, woher diese jetzt wachsende Familie kommt. Welchen Weg sie schon hinter sich hat. Und vor allem, was sie jetzt braucht. Denn genau wie nach der Geburt nicht „alles vergessen“ ist, so ist es das nach einem langen und schweren Kinderwunschweg auch nicht. Oft sind Paare in den Kinderwunschzentren auf reproduktionsmedizinischer Ebene sehr gut betreut. Das seelische Befinden in dieser herausfordernden Zeit kommt aber nicht selten zu kurz.
Weite Reise zur Schwangerschaft
Wenn nahezu jede Zelle der Gebärmutter und jeder Blutwert untersucht worden sind auf diesem Weg, ist es vielleicht nicht passend zu sagen: „Es reichen drei Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft“. Vielleicht braucht es gerade am Anfang immer wieder die externe Bestätigung, dass „alles gut“ ist. Eben weil davor oft vieles „nicht gut „war.
Das Vertrauen in den eigenen Körper ist oft weg oder zumindest angeknackst, wenn es jahrelang „einfach nicht klappt“. Und es braucht Zeit, dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Manchmal reicht die Zeit einer Schwangerschaft dafür nicht. Und dann kann auch der Wunschkaiserschnitt ein möglicher Weg sein, wenn sich vielleicht das Vertrauen in die eigene Gebärfähigkeit jetzt nicht finden lässt.
Auch der Erwartungsdruck an sich selbst ist oft belastend. Der Druck, jetzt doch endlich glücklich sein zu müssen, ist hoch bei Frauen, die besonders lange auf eine Schwangerschaft gewartet haben. Dabei dürfen sie – wie jede Schwangere – genauso überfordert, unsicher oder sorgenvoll sein. Genauso wie Müdigkeit und Erschöpfung nach der Geburt auch nicht bedeuten, dass man nicht gleichzeitig froh und dankbar über sein Baby ist.
Elternwerden beginnt nicht immer erst mit der eingetreten Schwangerschaft, sondern oft viel früher. Als Hebamme treffe ich die Eltern aber meist erst später. Und darum ist es wichtig, sie an dieser Stelle von ihrer oft sehr weiten Reise erzählen zu lassen.
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