Warum Babymassage so wertvoll ist

Die Bedeutung achtsamer Babypflege ist enorm. Berührt zu werden, ist mehr als „nur” Hautkontakt zu jedem Lebenszeitpunkt. Viele Eltern haben schon vom „Kuschelhormon” Oxytocin gehört, das bei positivem Körperkontakt ausgeschüttet wird. Es vermittelt ein Gefühl der Verbundenheit, entspannt, mildert Ängste, senkt den Blutdruck senkt und vieles mehr. Doch Berührungen zwischen Eltern und Kinder haben noch wesentlich mehr Effekte und eine noch größere Bedeutung.

Auch für unsere Kinder ist Berührung mehr als reiner Hautkontakt. Sie lernen durch Berührungen etwas über sich selbst, ihren Körper, ihre Wahrnehmung, aber auch ihre Grenzen und Beziehungen zu anderen Menschen. Deswegen ist es wichtig, dass wir unser Augenmerk auf die Art des Berührens legen – von Anfang an.

Für die Körperpflege des Babys fehlen uns oft Vorbilder: Wenn wir das eigene Baby zum ersten Mal im Arm halten, sind viele Eltern von der Zartheit und scheinbaren Zerbrechlichkeit des kleinen Menschen überrascht. Wie soll ich das Baby halten? Wie wickele ich diesen kleinen Menschen richtig, ohne ihm weh zu tun? Welche Pflege ist richtig und notwendig und wie genau mache ich das?

Eine Pflegeroutine entwickeln

In unserer Kultur haben wir die Pflegeroutinen in das Private und die häusliche Umgebung verschoben. Selbst dann, wenn man zu Besuch ist bei anderen Menschen mit Baby oder Kleinkind, wird das Baby zur Pflege oft in einen anderen Raum gebracht. Dadurch ist das körperliche Umsorgen eines anderen Menschen unsichtbar. Und viele Eltern müssen es erst neu lernen und eigene Routinen ausbilden.

Eine Routine bei diesen anfangs ungewohnten und teilweise auch verunsichernden Aufgaben auszubilden, ist für Eltern und die Beziehung zum Kind hilfreich. Durch die Routine entsteht ein Gefühl von Sicherheit bei den Eltern: „Ich weiß, was zu tun ist und kann mein Baby gut versorgen.” Diese Sicherheit überträgt sich auch auf das Baby. Es spürt, dass es gut versorgt wird und auch eine gewisse Vorhersagbarkeit der Handlungen besteht, was dem Kind zusätzliche Sicherheit vermittelt. Diese Entspannung wirkt sich wiederum auf das Elternteil aus: ein Kreislauf der positiven Interaktion und Stärkung der Beziehung kann stattfinden.

Wie genau das Pflegeritual aussieht, kann von Familie zu Familie und Pflegesituation zu Pflegesituation unterschiedlich sein: Es kann beispielsweise ein allgemeines Pflegeritual geben am Abend, bei dem das Baby gewaschen bzw. gebadet, geölt und massiert wird und abschließend eine frische Windel angezogen bekommt. Es kann dazu einen ritualisierten Ablauf des Windelwechselns geben.

Im Gespräch mit dem Baby

Hilfreich ist es, einen festen Ort zu haben für die Pflege, an dem alle benötigten Dinge griffbereit liegen, so dass sich Elternteil und Baby ganz auf das Miteinander einlassen können ohne Ablenkung, weil irgendwas vergessen wurde. Das kann auch schnell gefährlich werden, da auch schon kleinste Babys durch einen plötzlichen Bewegungssturm vom Wickeltisch fallen können und daher nie allein gelassen werden dürfen auf einer erhöhten Ablage.

Sowohl für das Windelwechseln als auch andere Pflegetätigkeiten ist die Art des Zwiegesprächs zwischen Elternteil und Baby wichtig: Auch wenn wir denken, dass das Baby unsere Worte noch nicht verstehen kann, wirkt der Klang unserer Sprache auf das Baby und kann Ruhe oder Anspannung vermitteln. Es ist hilfreich, die Handlungen sprachlich zu begleiten und nach einer Ankündigung wie „Ich ziehe dir jetzt die Hose aus.” kurz abzuwarten, damit sich das Kind darauf einstellen kann.

Die Reizübertragung dauert beim Baby noch viel länger als bei uns Erwachsenen und reift nach und nach. Es braucht etwas Zeit, um zu verarbeiten, was wir gerade sagen oder tun. Damit die erwachsene Bezugsperson aber wirklich wahrnehmen kann, worauf das Baby gerade reagiert, sollten wir uns diese Zeit nehmen. Wenn wir das Baby beispielsweise sehr schnell ausziehen und es erst verzögert strampelt/brabbelt/weint, wissen wir nicht, auf was genau es sich bezieht und was wir vielleicht beim nächsten Mal anders machen sollten.

Das Baby lernt, dass die eigenen Körpergrenzen wichtig sind

Nehmen wir uns Zeit, können wir ein Bewusstsein entwickeln für unser Kind: Was mag es, was mag es nicht? Dies betrifft auch die Körperpflege: Wo wird es gerne berührt und eingecremt, wo mag es Berührungen weniger gern? Auf Basis dieses Wissens kann dann ein individuelles Pflegeritual entstehen: Einige Babys werden gerne an den Armen massiert, andere vielleicht lieber an den Beinen. Das Pflegeritual kann genau das in den Blick nehmen und die Eltern können den Fokus darauf legen, was das Baby besonders genießt. Carolina, aus unserem Hebammenteam hat dafür ein schönes und informatives Video aufgenommen.

Durch das Achten auf Signale und Zeit geben für Feedback wird der Aufbau der Bindungsbeziehung unterstützt. Verinnerlichen Eltern diese Haltung, hilft das auch durch die kommenden Jahre, in denen die Autonomieentwicklung immer mehr in den Fokus gerät und das Kind sich nicht einfach eincremen, wickeln oder waschen lassen will, sondern aktive Beteiligung fordert. Haben Eltern gelernt, sich Zeit zu nehmen, Signale zu sehen und zu berücksichtigen, kann die Interaktion hier einfacher verlaufen, weil nicht gegen den Willen des Kindes gearbeitet werden muss, sondern mit dem Kind.

Diese Haltung ist auch wichtig, weil sie dem Kind vermittelt, dass es eigene (körperliche) Grenzen hat, die geachtet werden. Wenn das Kind zu verstehen gibt, dass etwas unangenehm ist, vielleicht sogar schmerzt oder es jetzt gerade dieses so nicht möchte, sollten Eltern nicht darauf beharren, es „jetzt aber schnell” zu machen und dass sich das Kind „jetzt nicht so anstellen” soll.

Kinder müssen lernen, dass sie nicht über ihre körperlichen und psychischen Grenzen gehen müssen, um es anderen Menschen recht zu machen. Wenn das Kind einen Gegenwillen zeigt, sollte dieser anerkannt und ein Kompromiss gesucht werden: „Willst du dich selbst eincremen?” oder „Dann wasch dein Gesicht mit dem Lappen selber ab!” Diese Form von Einverständnis mit dem körperlichen Umgang zu verinnerlichen, ist für die körperliche Selbstbestimmung zeitlebens wichtig.

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