Vor nicht allzu vielen Jahren war es nach der Geburt üblich, dass Babys auf der Wochenbettstation die Nächte nicht in elterlicher Nähe, sondern in der Obhut des Pflegepersonals in einem „Kinderzimmer“ verbrachten. Auch war es üblich, die Babys jeden Tag oder auch nachts zu baden. Hebammen und Pflegepersonal hatten also entsprechend viele Babys zu versorgen. Der Fokus lag hier oft auf Schnelligkeit.
Bis heute hält sich unter Eltern die Idee, dass man als „Profi-Eltern“ ein Baby möglichst schnell wickeln, waschen und anziehen kann. Noch immer sind „Schnellwickelwettbewerbe“ ein beliebtes Spiel auf Babypartys.
Und dann ist irgendwann dieses kleine Menschlein da. Eltern fühlen sich oft unsicher, wenn sie ganz zart und langsam die kleinen Füßchen in noch kleinere Söckchen stecken oder das Kind in ein Wickeljäckchen hüllen. Als Hebamme erlebe ich es oft, dass sie fast entschuldigend sagen, dass das bei ihnen ja alles noch so lange dauert. Dann sage ich ihnen jedes Mal, dass es genau perfekt lange dauert. Sie haben ganz intuitiv das richtige Tempo.
Alles ist neu
Die meisten Erfahrungen, die das Baby nach der Geburt macht, sind neu. Es ist nun in einer Welt völlig neuer Sinneseindrücke, die es verarbeiten muss. Die Reizverarbeitung eines Babys läuft allerdings noch anders als bei uns Erwachsenen. Viele Informationen werden langsamer an das Gehirn weitergegeben, weil die Nervenfasern des Neugeborenen noch nicht mit der „Isolierschicht“ Myelin ummantelt sind. Deswegen dauert die Informationsweiterleitung länger.
Dieser Prozess entwickelt sich stetig weiter. Schon zum ersten Geburtstag des Kindes werden Berührungsreize viermal so schnell verarbeitet wie bei der Geburt, zum sechsten Geburtstag noch einmal doppelt so schnell. Damit sind sie dann schon fast so schnell wie bei einem Erwachsenen.
Aber das bedeutet für Eltern gerade am Anfang und auch noch in den späteren Jahren der frühen Kindheit, dass kleine Kinder auf Langsamkeit angewiesen sind. Sie brauchen einfach länger, um Reize wahrzunehmen, zu verarbeiten und darauf zu reagieren.
Reaktionszeit des Kindes sehen
Daher ist es wichtig, dass die Handlungen und Erwartungen auf diese Reaktionszeit des Kindes anpassen. Gerade bei Routinehandlungen wie der Babypflege ist diese Langsamkeit hilfreich. Das Wickeln ist so viel mehr als ein schnelles An- und Ausziehen. Gerade am Anfang ist die Zeit auf dem Wickeltisch auch die Zeit, in der das Neugeborene nicht schläft oder trinkt. Eltern lernen hierbei ihr Kind jeden Tag ein bisschen mehr kennen. Und dieses Kennenlernen darf ohne Eile und mit ganzer Aufmerksamkeit geschehen, gerade wenn die Situation selbst keinen Zeitdruck erfordert, was mindestens im Wochenbett der Fall sein sollte.
Also lass es gerne schön langsam auf dem Wickeltisch zugehen. Und hier noch ein paar Tipps dazu für eine angenehme und entspannte Wickelsituation:
- Ziehe dein Baby langsam aus, achte auf die Reaktionen, mache zwischendurch Pausen und gib dem Baby die Zeit, sich zu beruhigen.
- Du kannst als beruhigende Begrenzung eine Rolle gedreht aus einem Handtuch um das Baby legen, damit es sich weniger in der Grenzenlosigkeit verloren fühlt. Das Liegen auf dem Rücken kann erleichtert werden. Falte ein Handtuch als Unterlage so, dass es unter dem Kopf und unter den Füßen leicht erhöht ist und sich so der natürlichen Körperform des Babys anpasst. So liegt das Baby bequemer und fühlt sich wohler bei den Pflegeritualen.
- Achte auch auf die Umgebungstemperatur und wärme Pflegeprodukte kurz mit den eigenen Händen an, bevor du sie auf das Baby streichst. Für das schnelle und gezielte Erwärmen des Wickelplatzes sind Wärmelampen eine gute Option.
- Achte darauf, dass Du selbst auch eine bequeme Haltung dabei einnehmen kannst. Im Wochenbett solltest Du natürlich besonders Rücksicht auf mögliche Geburtsverletzungen, Kreislaufprobleme oder andere Beschwerden nehmen. Achte auf eine gute Höhe beim Wickeltisch oder probiere auch einen anderen Wickelort aus. Wickelkörbchen – oder Unterlagen können auch im Bett auf dem Sofa oder Boden eingesetzt werden. Bei erhöhten Wickelplätzen gilt, immer eine Hand am Kind zu lassen, damit es nirgends herunterfallen kann. Selbst Neugeborene können durch unwillkürliche Bewegungen ihre Position stark verändern.
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