Was hilft bei Dreimonatskoliken?

Von Dreimonatskoliken haben die meisten Eltern schon gehört, bevor ihr Baby überhaupt geboren ist. Die auch Trimenonkoliken genannten Beschwerden reichen von Blähungen bis zu einem von Bauchweh geplagten und darum untröstlich weinenden Baby. Bereits 1954 beschrieb der englische Kinderarzt Ronald Illingworth die rhythmisch auftretenden und unstillbaren Schreiphasen bei Säuglingen ohne direkt erkennbaren Grund. Krampfartige Schmerzen (Koliken) im Bauch führen beim Baby zu regelmäßig wiederkehrenden Schreiattacken. Es liegt keine Unverträglichkeit oder ein organisches Problem vor.

Die kolikartigen Beschwerden treten vor allem in den ersten drei Monaten nach der Geburt auf. Die anfänglichen Umstellungsprozesse bei der Verdauung werden daher als Ursache dieser „Störung“ des Magen-Darm-Trakts vermutet. Ob das stimmt, ist nicht belegt. Die typischen Symptome wie ein Anziehen der Beinchen, ein gespannter Bauch und eben das untröstliche Weinen des Babys können bereits in den ersten Tagen nach der Geburt auftreten.

Und tatsächlich muss sich der vor der Geburt ja recht unbelastete Magen-Darm-Trakt des Babys zunächst an seine neue Aufgabe gewöhnen. Das ganze Organsystem muss noch etwas nachreifen. Dies beginnt unmittelbar nach der Geburt. Bakterien besiedeln den Darm, was die physiologischen Prozesse der Darmperistaltik anregt. Zeitgleich setzt die Produktion der Verdauungssekrete ein, was dazu führt, dass das Baby bereits am ersten Lebenstag Stuhl ausscheidet.

Dreimonatskoliken klingen meist nach drei Monaten ab

Dieser erste Stuhlgang (auch Mekonium genannt), enthält unter anderem Fruchtwasser, Schleimhautepithel, Lanugohaare und Gallensekret. Mit der Aufnahme der Muttermilch verändert sich der Stuhlgang innerhalb weniger Tage in Farbe und Konsistenz. Das Verdauungssystem braucht aber noch einige Zeit, um sich komplett umzustellen. Dieser Prozess fällt manchem Baby etwas schwerer. Fast allen Neugeborenen kann man ansehen, dass Verdauung bisweilen „Schwerstarbeit“ ist. Da wird gepupst, gedrückt, das kleine Gesicht verzogen und mit dem ganzen Körper gearbeitet. Und manche Babys zeigen ihr Unbehagen dabei eben auch durch vermehrtes Weinen.

Nach dem Aufstoßen oder auch nach dem Spucken kann eine sichtbare Erleichterung auftreten. Auch nach der Ausscheidung sieht man dem Baby meist die Entspannung an. Typisch ist, dass die stärkeren, mit einem untröstlichen Weinen und Schreien verbundenen Beschwerden nach dem dritten Monat deutlich besser werden. Daher kommt die Bezeichnung Dreimonatskoliken oder Trimenonkoliken.

Ein Baby muss nach der Geburt neben der neuen Form der Nahrungsaufnahme noch weit mehr Herausforderungen bewältigen. Das Ankommen in der Welt ist von vielen neuen Eindrücken geprägt: Licht, Lärm, Kälte, Druck oder bestimmte Bewegungen können dabei Reize sein, die ein Baby phasenweise überfordern. Auch das kann sich in einem vermehrten Weinen äußern. Viele Babys „erzählen“ gerade in den Abendstunden von ihrem Gebärmutterheimweh. Den Wechsel von der Geborgenheit und Rundum-Versorgung im Bauch in diese so ganz neue Welt zu bewältigen, es fällt manchen Kindern schwerer als anderen.

Emotional sehr anstrengende Phase

Ein solches Baby ist dann sehr unruhig, weint vermehrt und lässt sich auf keinen Fall ablegen. Manche Kinder beruhigen sich gut beim Stillen an der Brust. Andere wiederum sind selbst dafür gerade zu aufgeregt. Die Tageseindrücke müssen ebenso verdaut werden wie die Milch. Dabei braucht ein Baby die Unterstützung von Menschen, die es halten und mit ihm zusammen aushalten, dass es gerade kompliziert ist. Ob es nun Bauchweh oder Gebärmutterheimweh ist, lässt sich oftmals nicht sagen. Aber letztlich ist es auch gar nicht entscheidend, dass man den genauen Grund kennt. Stattdessen ist es wichtig, dass die Eltern ihr Baby gut durch diese vor allem emotional sehr anstrengende Phase begleiten können.

Und natürlich dürfen Eltern auch verschiedene Möglichkeiten zur Linderung ausprobieren. Doch nicht immer werden diese erfolgreich sein. Denn Dreimonatskoliken sind ebenso wie Gebärmutterheimweh in der Regel nicht behandlungsbedürftig. Aber diese Phasen sind aber begleitungsbedürftig – und das bisweilen recht intensiv.

Hier sind neun bewährte Tipps aus dem Hebammenalltag, die den Umgang mit den Dreimonatskoliken erleichtern können.

  • Es sollte immer abgeklärt werden, dass kein anderer (organischer) Grund für anhaltende Schreiphasen des Babys übersehen wird. Der Kinderarzt ist der richtige Ansprechpartner. Das gilt besonders, wenn weitere Symptome auftreten wie etwa Probleme bei der Nahrungsaufnahme, der Gewichtsentwicklung und der Ausscheidung. Eine erhöhte Körpertemperatur, Schmerzen, Erbrechen, Appetitlosigkeit, auffallende Blässe, Schlappheit oder auch Blut im Stuhl sollten immer ärztlich abgeklärt werden. Das gilt auch für ein anhaltendes oder schrilles Schreien, welches typischerweise bei Einstülpungen des Darms (Invagination) oder Hernien (Eingeweidebruch, meist an der Leiste) vorkommen kann. Bei Regulationsstörungen (z.B. Schlaf, Schrei- und Fütterstörungen) als Ursache für das anhaltende untröstliche Weinen sollten Eltern eine entsprechende Unterstützung z.B. in einer sogenannten „Schreiambulanz“ oder durch Angebote wie die Emotionelle Erste Hilfe erhalten.
  • Eine sanfte Bauchmassage im Uhrzeigersinn tut den meisten Babys gut. Ätherische Öle wie Fenchel, Kümmel, Majoran oder Kamille sollen die Verdauungsarbeit unterstützen. Sie sind daher Bestandteil vieler so genannter „Bäuchlein-Öle“ für Babys. 
  • Wärme sorgt für Entspannung. Bei der Anwendung von erwärmten Kirschkernkissen oder Wärmflaschen aber unbedingt darauf achten, dass diese tatsächlich nur warm und nicht heiß sind, es droht Verbrennungsgefahr!
  • Auch bei Bauchweh sollte das Stillen nicht eingeschränkt werden. Es hilft dem Baby sogar, weil dadurch nicht nur der Hunger gestillt wird. Das Saugen entspannt und die Nähe wirkt beruhigend. Früher gab es bisweilen die Empfehlung, kurze Stillabstände zu meiden, da sonst „frische“ auf anverdaute Muttermilch im Magen träfe, was zu mehr Bauchschmerzen führen soll. Für dieses Milchmärchen gab und gibt es keinerlei Evidenz. Muttermilch ist leicht verdaulich. Darum sind häufige Stillmahlzeiten auch in kurzen Abständen ganz normal und sollten nicht unterbunden werden werden. Das Stillen nach Bedarf ist außerdem wichtig, um die Milchproduktion den Bedürfnissen des Babys anzupassen.
  • Auch die Ernährung der stillenden Mutter hat meist nur wenig Einfluss auf die Unruhe in Babys Bäuchlein. Es gibt keine Belege dafür, dass Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen oder auch Sprudelwasser bei Babys Bauchweh verursachen. Wenn das Baby trotz dieser Erkenntnisse empfindlich reagiert, nachdem die Mutter bestimmte Lebensmittel gegessen hat, kann man diese versuchsweise weglassen. Am ehesten sind das solche Dinge, die bei ihr selbst zu Blähungen führen. Die meisten Kinder zeigen keine Beschwerden, deshalb ist eine prophylaktische Enthaltsamkeit Unsinn. Sie kann im Gegenteil dazu führen, dass Mütter sich zu einseitig ernähren oder kürzer stillen. Einzig für Kuhmilch wurde nachgewiesen, dass bis zu 15 Prozent der „Kolikkinder“ eine Unverträglichkeit auf das in die Muttermilch aus Kuhmilch übergegangene Fremdeiweiß haben. In Absprache mit Hebamme, Kinderarzt oder Stillberaterin kann getestet werden, ob das Weglassen von Kuhmilchprodukten eine Besserung bringt. Aber auch hier ist ein prophylaktisches Vermeiden aber nicht sinnvoll.
  • Tragen hilft den meisten Babys, wenn Trimenenonkoliken oder andere Gründe das Babyleben gerade kompliziert machen. Entweder gut gebunden im Tuch oder einer Tragehilfe – oder auch auf dem Unterarm in Bauchlage im so genannten Fliegergriff.
  • Ob Wiegen, rhythmisches Wippen auf dem Pezziball oder das Tanzen durch die Wohnung hilft, hängt von vielen Faktoren ab. Oft ist weniger aber mehr. Eltern sollten nicht zu viel und alles auf einmal versuchen, damit durch all die gut gemeinten, vermeintlich lindernden Maßnahmen keine neue Reizüberflutung entsteht. Die große Herausforderung ist es, als Eltern selbst in der eigenen Mitte zu bleiben, wenn das Kind gerade so außer sich ist. Dabei können das Konzentrieren auf die eigene Atmung oder ganz bewusste aufgesetzte Schritte sehr hilfreich sein.
  • Natürlich gibt es auch allerlei Arzneien und Mittelchen auf dem Markt, die gegen die Dreimonatskoliken helfen sollen. Doch auch hier gibt es nicht das eine Zaubermittel, was immer hilft. Und immer wieder hilft auch einfach gar nichts davon. Es gilt: Gerade Arzneimittel stets mit Bedacht und am besten nach Rücksprache mit der Hebamme bzw. dem Kinderarzt anwenden. 

Ob nun Trimenonkoliken oder Gebärmutterheimweh: die Begleitung eines sehr unruhigen oder untröstlich weinenden Babys ist wirklich anstrengend. Auch drei Monate können sich da wie eine kleine Ewigkeit anfühlen. Das Baby braucht die Unterstützung und den Halt durch seine Eltern, um das Unwohlsein aushalten und regulieren zu können. Das vermehrte Weinen ist kein Ausdruck dafür, dass die Eltern etwas falsch machen. Und doch kann es sich bisweilen so anfühlen. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass alle anderen Babys rundherum tiefenentspannt wären. 

Wichtig ist, die Last in anstrengenden Zeiten nicht alleine zu tragen. Sich als Eltern abzuwechseln bzw. Familie, Freunde oder externe Helfer einzubinden ist wichtig. Die Wochenbettbetreuung durch die Hebamme ist bis zu zwölf Wochen nach der Geburt möglich. Auch wenn das Wochenbett „nur“ sechs bis acht Wochen geht, dauert das Ankommen in der Welt doch manchmal etwas länger. Gut, dass wir als Hebammen diesen Prozess unterstützend mit begleiten können – egal ob nun Dreimonatskoliken oder Gebärmutterheimweh dieses Ankommen für manche Kinder etwas schwerer machen.

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Kommentare

2 Antworten zu „Was hilft bei Dreimonatskoliken?“

  1. S
    Silvia

    Ich möchte dringend den Hinweis auf „Schreibabys“/“high need babys“ ergänzen. Ich habe am Anfang so oft gehört, dass Babys halt oft Bauchweh hätten und das mit ein bisschen Massage und Tröpfchen xy bald vorbei sei (auch von der Kinderärztin!). Und im Nachhinein betrachtet hätten jeder Fachperson die Unterschiede zu anderen Babys auffallen müssen (nie entspannt oder zufrieden, immer steif und angespannt, nur Schreien oder Schlafen).

    Ich hätte mir gewünscht, dass ich nicht erst auf Eigeninitiative zur Schreiambulanz hätte gehen müssen, als meine Tochter schon fünf Monate und ich am Ende meiner Kräfte war. Denn „Babys weinen nun mal“, wie man mir überall sagte…

    Daher: Wenn es zu sehr an den eigenen Nerven zehrt und euer Bauchgefühl euch sagt, dass ihr mehr Unterstützung braucht als fragwürdige überteuerte Tropfen aus der Apotheke und Kirschkernkissen, dann holt euch in einer Schreiambulanz / Sprechstunde für Regulationsstörungen Hilfe. Das war das Beste, was ich tun konnte! Leider erst sehr spät, aber es war wirklich eine große Unterstützung für mich.

  2. A

    Das mit dem massieren und den ölen kann ich sehr gut bestätigen. Auch ein warmes Bad und eine Massage der Füße hat bei uns immer geholfen

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