In der aktuellen Ausgabe der Deutschen Hebammenzeitschrift wird gefragt, was Experten von Wochenbettambulanzen statt aufsuchender Wochenbettbetreuung durch Hebammen halten. Während die beiden interviewten Hebammen ganz klar eher die Schattenseiten dieses Systems sehen, antwortet Ann Marini, stellvertretende Pressesprecherin der GKV, folgendes: „Ein Nebeneinander von aufsuchender und ambulanter Wochenbettbetreuung […] wäre eine echter Gewinn. Die Versicherte erhält einen zusätzlichen Service. […] So würden geringere Wegzeiten für die Hebamme anfallen.“
„Und weniger Kosten für die Krankenkassen!“ – das ist jedenfalls mein erster Gedanke zu dieser Stellungnahme.
Die Entstehung von Wochenbettambulanzen ist längst in vollem Gange. Seit ich vor zwei Jahren auf dem Blog erstmalig über das Thema schrieb, sind etliche Wochenbettambulanzen dazu gekommen. Oft angeboten von Geburtskliniken, aber auch von Hebammen in ihren Praxen. Alle Anbieter eint sicher die gut gemeinte Idee, Frauen ohne Hebammenbetreuung wenigstens „ein bisschen“ Wochenbettbetreuung anbieten zu können. In Frankfurt ist aktuell jede zweite Frau ohne Hebammenbetreuung, obwohl diese ausdrücklich gewünscht wird. Es findet sich aber schlicht keine Hebamme mehr, die zur Betreuung verfügbar ist.
Gröhe sieht großzügig über Probleme hinweg
Und das Problem ist längst nicht nur in Frankfurt eines. Noch redet sich die Krankenkassenseite gerne damit raus, dass „es ja genug Hebammen gäbe, diese aber Hebammen nur nicht gefunden werden wollen“. Und die Politik? Nun ja, selbst in Wahlkampfzeiten ist die Verbesserung der Versorgungslage rund um den Lebensanfang nicht viele Worte wert.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe besucht derzeit mal hier und da einen Kreißsaal, sieht dabei aber großzügig über die wahren Probleme hinweg. Die Kolleginnen, die heute Nacht mal wieder zu zweit statt zu viert zu viele Geburten im Kreißsaal begleiten und nebenbei noch die gynäkologische Ambulanz mit betreuen, die wird der Herr Minister ganz bestimmt nicht zu Gesicht kriegen.
Die Frau, die sich im Wochenbett ohne Hebamme allein mit Stillproblemen und schmerzender Dammnaht herumschlägt, die will und wird auch keiner sehen und hören. In die Wochenbettambulanz wird sie es übrigens nicht schaffen, denn dafür geht es ihr ja nicht gut genug. Und ob dem schlecht gedeihenden Baby mit einer einmal wöchentlich stattfindenden Sprechstunde adäquat geholfen werden kann, ist ohnehin fraglich. Tägliche Besuche in notorisch überfüllten Kinderarztpraxen sind auch keine gangbare Lösung. Und hätte dort wirklich jemand Zeit für eine ausführliche Stillberatung?
Neue Normalität der Wochenbettbetreuung
Psychische Belastungen wie zum Bespiel durch traumatische Geburtserfahrungen oder eine Wochenbettdepression werden wohl noch häufiger unbearbeitet bleiben. Denn gerade für Frauen, denen es nach der Geburt psychisch nicht gut geht, ist es noch schwieriger, sich ganz allein um adäquate Hilfe zu kümmern. Und ob die sicherlich auch schnell überfüllte Wochenbettambulanz genug Zeit und Raum für diese Sorgen bietet, ist mehr als fraglich.
Ja, natürlich ist „ein bisschen was“ besser als nichts. Aber meine Befürchtung ist, dass dies die neue Normalität der Wochenbettbetreuung werden wird. Viele Kolleginnen sehen das ähnlich. Wenn Frauen sich künftig zu Recht bei ihren Krankenkassen beschweren, dass sie keine Hebamme finden, werden sie dort auf solche Angebote verwiesen werden. Der Druck auf GKV und Politik, endlich adäquat zu handeln, nimmt derweil weiter ab. Es ist das Resultat, wenn die eigentlich von der Misere betroffenen Leistungsanbieter selbst irgendwelche vermeintlichen Ersatzangebote schaffen. Diese sind nämlich nicht, wie von der GKV-Pressesprecherin behauptet, ein „zusätzlichen Service“. Sie sind ganz real ein schlechter Ersatz für das eigentlich gute Wochenbettbetreuungssystem, das wir hier in Deutschland haben. Oder zumindest mal hatten…
Eigentlich war der Artikel an dieser Stelle mit meinem doch leider eher pessimistischen Blick in die Zukunft der Wochenbettbetreuung fertig geschrieben und sollte morgen veröffentlicht werden. Doch noch während ich ein passendes Beitragsbild suchte, kam die aktuelle Nachricht vom Deutschen Hebammenverband herein, der über den aktuellen Schiedsstellenbeschluss berichtete. Unter anderem steht da zu lesen: „Die aufsuchende Wochenbettbetreuung wird durch ambulante Betreuung ergänzt. Damit wird die in Deutschland einmalige Betreuung von Frauen nach der Geburt zu Hause ausgehöhlt.“
Die Zukunft und damit die Abschaffung einer den Bedürfnissen der Müttern entsprechenden Wochenbettbetreuung hat also schon längst begonnen!
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