Sport tut erwiesenermaßen allen Menschen gut. Er ist gesund, beugt Depressionen vor, fördert den Schlaf und die gute Laune. Gründe genug zum Sporteln sind also da. Argumente, warum man als Mutter eines Babys nicht dazu kommt allerdings auch. Dabei ist gerade eine gute Rückbildungsgymnastik wichtig. Hierbei geht es auch mehr um Wissen, Wahrnehmung und Kräftigung. Denn Rückbildungsgymnastik ist keine Turnstunde.
Nach einer Schwangerschaft ist der Körper erst mal von innen nach außen wieder zu stärken. Das bedeutet direkt nach der Geburt erst mal schonen: ein wenig Kreislaufaktivierung und ein paar erste Beckenbodenwahrnehmungsübungen sind genau richtung für das frühe Wochenbett. Das klingt natürlich für Frauen, die vorher Marathon gelaufen, geklettert oder Rennrad gefahren sind ,erst mal ziemlich langweilig. Rückbildungsgymnastik ist sicherlich keine neu zu entdeckende Trendsportart. Doch trotzdem sollte man als erstes die Stärkung der Körpermitte angehen, bevor man bei seinen vorherigen Sportarten wieder anknüpft.
Die Erwartungen der Teilnehmerinnen eines Rückbildungskurse sind oft hoch. „Ich will wieder richtig fit werden. Der Bauch soll weg. Sich mal ordentlich auspowern. Die Rückenschmerzen müssen verschwinden…“ – hohe Ziele, die ein zehnwöchiger Kurs nicht voll eisten können wird und soll.
Es ist dennoch sinnvoll, einen guten Rückbildungskurs zu besuchen. Denn hier wird einem theoretisch und praktisch die Stärkung des Beckenbodens und der ihn umgebenden Muskulatur vermittelt. Das Ziel: Eine stabile Körpermitte bildet die Basis für alle anderen Sportarten und Alltagstätigkeiten.
Den Beckenboden stärken
Die häufigen Rückenschmerzen junger Mütter hängen oft mit einer Schwäche des Beckenbodens zusammen. Selbst auf die Psyche kann sich ein schwacher Beckenboden negativ auswirken. Auch wer scheinbar keine Probleme wie Inkontinenz, ein Druckgefühl oder Rückenschmerzen hat, kann davon ausgehen, den Beckenboden recht arg strapaziert haben. Gründe dafür sind vor allem Schwangerschaft und Geburt, egal ob spontan oder per Kaiserschnitt. Es lastet in den letzten Schwangerschaftsmonaten nicht nur einiges an Gewicht auf dem Beckenboden. Es wird auch stützendes Bindegewebe verdrängt und haltende Bänder gehörig überdehnt.
Wenn dieser überlastete Beckenboden nun weiter gebeutelt statt aufgebaut wird, kann es nach einigen Monaten oder oft auch erst nach Jahren zu massiven Problemen kommen. Also sollte man sich irgendwie die Zeit freischaufeln, einen Kurs zu besuchen und versuchen, die dort gelernten Haltungen und Übungen im Alltag umzusetzen. Aber gerade das „Freischaufeln“ ist der schwierige Teil mit einem kleinen Baby. Rückbildungskurse brauchen aber nicht zwingend bereits nach sechs oder acht Wochen begonnen werden. Sie müssen lediglich bis zum neunten Lebensmonat des Babys abgeschlossen sein, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Doch selbst wenn man es erst später schafft, ist die Mühe nicht vergebens.
Kurs mit oder ohne Baby?
Es bleibt die die große Frage, ob es ein Kurs mit oder ohne Baby sein soll? Aus Hebammensicht sehen Kursstunden inklusive Babys oft so aus: Zehn erwartungsvolle Mütter mit zehn mehr oder weniger entspannten Babys teilen sich mit ihrem Kind eine Turnmatte. Die ist zusätzlich noch mit Spucktüchern, Greiflingen und Babyklamotten vollgepackt. Die Hebamme versucht den Frauen wenigstens in Kurzform den Aufbau und die Funktion des Beckenbodens zu erklären. Das ist einfach die Grundlage für alle Übungen.
Baby Eins beginnt zu quengeln. Die Mutter nimmt es hoch und stillt. Gleichzeitig schauen mindestens fünf andere Mütter, ob ihr Baby vielleicht auch Hunger hat, weil bei ihnen der Milchspendereflex einsetzt. Dann wird es einem anderen Baby zu viel, zu warm oder zu langweilig und es fängt auch an zu quengeln. Meist ist das ansteckend und so wippen schnell drei weitere Mütter ihr Baby auf dem Arm, während sie versuchen zuzuhören.
Dann wird mit den Übungen begonnen. Manche Babys finden das spannend, andere aber so blöd, dass sie lieber auf Mamas Arm wollen. Babys spucken und verdauen wie es passt – also muss auch diesen Bedürfnissen im Kurs nachgegangen werden. Mittlerweile folgen nur noch zwei Frauen bei den Übungen, weil ihre Kinder gerade und noch schlafen. Die Hebamme versucht durch die Geräuschkulisse aus Babygebrabbel und Beruhigungslauten die noch verbliebenen aktiven Frauen anzuleiten. Vielleicht gibt es ein Skript, damit die Frauen, die gar nichts mitbekommen , wenigstens eine Idee davon haben, was eigentlich gemacht wurde. Diese exemplarische Darstellung zeigt, dass Rückbildungsstunden mit Babys ganz schön anstrengend für alle Beteiligten sein können.
Sportangebote mit Baby
Manche Mütter kommen mit der Idee, dass mit dem Baby geübt wird. Natürlich gibt es ein paar Übungen mit Baby. Aber die haben einen wesentlichen höheren Bespaßungsfaktor für das Kind, als dass sie der Mutter tatsächlich etwas bringen. Es gibt keine effektiven Beckenbodenübungen, bei der das Kind sinnvoll integriert werden kann. Ausnahmefällen diese Kurse mit Kind gegeben. Versuche also wenn möglich, den Rückbildungsgymnastikkurs ohne Baby zu besuchen. Nur so kannst du dich wirklich sinnvoll auf die wichtige Kräftigung deines Beckenbodens konzentrieren und relevante Informationen mitnehmen.
Mittlerweile gibt es auch viele andere Sportangebote mit Kind. Und tatsächlich sind Kurse wie Kangatraning, Lauf Mama Lauf und andere In- und Outdoorsportkurse mit Baby auch gut machbar. Ein Yogakurs, bei dem das Kind eher nur daneben liegt, verläuft dagegen gerne eher wie die oben beschriebene Rückbildungstunde mit Kind. Workouts, bei denen das Kind im Tragetuch oder in der Tragehilfe mitturnt, machen Spaß und haben tatsächlich auch einen Trainingseffekt für die Mutter. Aber auch hier ist es wichtig, eine qualifizierte Kursleitung zu haben, die sich mit den körperlichen Besonderheiten nach der Geburt auskennt und gleichzeitig auch über Wissen zum richtigen Tragen verfügt. Sonst hängt das Baby am Ende schlackernd an der hüpfenden Mutter, deren Beckenboden dann auch mehr hängt als trägt. All diese Angebote sollten aber immer erst nach Abschluss des Rückbildungskurses stattfinden
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Beckenbodentipps für den Alltag
Durch die Schwangerschaft ist die Beckenbodenmuskulatur weicher und bei der Geburt durch das kindliche Köpfchen stark gedehnt und eventuell auch verletzt worden. Einige Frauen haben darum beim ersten Aufstehen nach der Geburt das Gefühl „unten offen zu sein“. Diese normale Empfindung bessert sich meist nach wenigen Tagen. Es ist trotzdem wichtig, den Beckenboden im Wochenbett und auch in der Zeit danach nicht übermäßig zu belasten. Er sollte mit einem gezielten Training langsam wieder stabilisieren werden. Das Ziel: Ihm bald wieder seine elastische und tragende Funktion zurück zu geben. Im Alltag können folgende Tipps dabei helfen:
- Viel liegen und öfter im Liegen stillen. Stillzeiten sind später oft die einzigen Ruhepausen im Babyalltag. Aber keine Beckenbodenanspannungen während des Stillvorganges!
- Umkehrpositionen einnehmen: Ein erhöhtes Becken in Rückenlage oder eine halbe Kerze entlasten den Beckenboden. Frauen mit Senkungsproblemen sollten diese Positionen oft einnehmen und auch Beckenbodenübungen in dieser Haltung durchführen.
- Aufstehen aus der Rückenlage: Immer beckenboden- und rückenschonend über die Seite oder den Vierfüßlerstand aufstehen.
- Beim Stehen: Hüftbreit stehen und die Füße gleichmäßig belasten (Gewicht auf Ferse, Großzehen- und Kleinzehengrundgelenk verteilt). Wirbelsäule in Längsspannung und den Blick Richtung Horizont. Kein Hohlkreuz und kein durchgedrückter Rücken und das Becken in Neutralstellung. Eine „schlechte“ Haltung schwächt den Beckenboden und verursacht Rückenschmerzen.
- Aufstehen aus dem Sitzen: Nach vorn an die Stuhlkante rutschen. Den Oberkörper etwas nach vorne verlagern. Mit gespanntem Beckenboden und dem Schwung der Arme hochkommen, in dem Du Dich mit den Füßen vom Boden abstößt. Zum Aktivieren des Beckenbodens z.B. laut „Hopp“ sagen.
- Hinsetzen: Nah mit den Beinen an die Stuhlkante rücken. Den Beckenboden aktivieren, die Wirbelsäule bleibt in Längsspannung (kein Rundrücken) und das Gesäß beim Setzen weit nach hinten schieben.
- Richtiges WC-Verhalten: Mit aufrechtem Rücken und hüftbreit fest stehenden Beinen auf dem WC sitzen. In runden Haltungen ist die Harnröhre abgeknickt und kann nicht gut entleeren. Zeit nehmen, entspannen, KEIN Pressen oder Drücken. Verstopfungen durch eine entsprechende Ernährung vorbeugen und auch genügend trinken. Gegebenenfalls Weizenkleie, Leinsamen, Trockenobst, Birnensaft o.ä. zur Stuhlregulierung essen und trinken. Nach der Entleerung auf dem WC den Beckenboden anspannen („Mit dem Hochziehen der Hose den Beckenboden hochziehen“). Direkt nach der Geburt kann das Gefühl für die Harnentleerung erst mal verändert sein, dies sollte sich aber im Laufe der Rückbildungszeit bessern. Bei anhaltenden Auffälligkeiten in der Frequenz, Menge und dem Drang sowie einer bestehenden Inkontinenz mit einer Fachperson (Ärztin, Hebamme, Beckenbodentrainerin) sprechen, die bei Bedarf zum Beispiel ein Beckenbodenzentrum empfehlen kann.
- Richtiges Husten und Niesen: Keine runden oder nach vorne gebeugten Haltungen einnehmen. Bleibe Aufrecht, dreh den Oberkörper zu Seite und husten oder niese in die Armbeuge.
- Kinderwagen schieben: Umfasse einfach mal den Kinderwagengriff von unten mit deinen Händen. Schon richtest Du Dich automatisch mehr auf. Eine gut gebundene Tragehilfe sorgt ebenfalls für eine aufrechte Haltung, auch beim Sitzen.
- Vermeiden: Schweres Heben, Pressen auf dem WC. Hüpfende Sportarten wie Aerobic, Tennis, Trampolinspringen oder Joggen sind jetzt noch nicht empfehlenswert, weil sie den Beckenboden stark belasten.
- Empfehlenswert: Rückbildungsgymnastik, Beckenbodentraing und Sportarten, die den Beckenboden einbeziehen wie z.B. Pilates, Tanzen, Kung Fu. Beckenbodenschonend sind Sportarten wie Schwimmen oder Walking und alles, bei dem sich der Beckenboden aktivieren lässt.
Beckenbodenübungen für den Alltag
Und jetzt noch eine paar konkrete Beckenbodenübungen für den Alltag, die jede Frau „nebenbei“ umsetzen kann.
- Lockere Dein Becken immer wieder im Laufe des Tages (Kreisen, „Bauchtanz“…).
- Verschließe Vagina, Harnröhre und Afterschließmuskel mit der Beckenbodenkraft und ziehe die Sitzbeinhöcker nach innen oben. Diese Anspannung kombiniert mit einer Bewegung trainiert alle drei Beckenbodenschichten. Diese Anspannung lässt sich in allen Positionen durchführen (Rückenlage, Bauchlage, Sitzen, Stehen, Vierfüßlerstand). Wenn Du noch kein Gefühl für Deinen Beckenboden hast, lass Dir seine Funktion und die Anspannung/Entspannung unbedingt von Deiner Hebamme erklären- am besten natürlich bereits in der Schwangerschaft.
- Bei einem gut aktivierten Beckenboden fühlt man auch die Anspannung der querverlaufenden Bauchmuskulatur, wenn man mit den Fingern unterhalb des Nabels nahe den Beckenknochen tastet.
- Frauen mit Senkungsproblematik sollten für das Beckenbodentraining Umkehrpositionen einnehmen wie die Rückenlage mit aufgestellten Beinen und erhöhtem Becken.
- Nicht das Atmen während der Beckenbodenanspannung vergessen.
- Übe rhythmisches kurzes Anspannen und Lösen ebenso wie eine Dauerspannung, bei der Du die Beckenbodenanspannung für einen längeren Moment oder während einer Bewegung hältst. Immer wieder über den Tag verteilt üben, damit sich der Beckenboden daran gewöhnt, irgendwann automatisch (reflektorisch) bei Belastungen mit einer Anspannung zu reagieren. Dies braucht Zeit und häufige Wiederholungen.
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