Zu Beginn der Schwangerschaft, wenn der errechnete Termin (ET) in den Mutterpass eingetragen wird, scheint das Datum und die Geburt in weiter Ferne. Doch nun sind 40 Wochen wie im Flug vergangen, der errechnete Geburtstag ist bereits verstrichen und die Frauenärztin hat eine mögliche Geburtseinleitung erwähnt. Ob eine solche Einleitung sinnvoll und empfehlenswert ist, hängt von sehr individuellen Faktoren ab.
Ein Geburtszeitraum
Auch wenn im Mutterpass ein scheinbar eindeutiger Geburtstermin notiert ist, sind sich doch die Fachleute einig, dass eigentlich von einem Geburtszeitraum gesprochen werden muss. Zur Berechnung des möglichen Geburtszeitpunkts wird zu Beginn der Schwangerschaft der Menstruationszyklus zu Rate gezogen: der erste Tag der letzten Regel, die Länge des Zyklus, der Eisprung, etwaige Unregelmäßigkeiten und der mögliche Zeitpunkt der Empfängnis. Nach der alten Regel eines Geburtshelfers aus dem 19. Jahrhundert, der Naegele-Regel, errechnet die Hebamme den Geburtstermin (1. Tag der letzten Regelblutung + 7 Tage – 3 Monate + 1 Jahr). Dabei wird immer ein Zyklus von 28 Tagen zugrunde gelegt. Ist er länger oder kürzer, müssen die Tage addiert oder subtrahiert werden.
Bei der Terminberechnung hilft auch der Ultraschall, der gerade zu Beginn der Schwangerschaft anhand der Scheitel-Steiß-Länge des Embryos eine Aussage machen kann. Und doch bleiben alle Berechnungen ungenau, nur 4 Prozent der Babys kommen pünktlich am Termin. Wesentlich entspannter lebt es sich mit einem Geburtszeitraum, in dem die Babys drei Wochen vor ET (ab SSW 37+0) bis zu zwei Wochen nach ET (SSW 42+0) geboren werden.
Wann ist zu spät?
Trotz aller möglichen individuellen Abweichungen wird von einer Schwangerschaftsdauer von 280 Tagen ausgegangen und ab dem ET eine engmaschigere Betreuung empfohlen. Fanden die Vorsorgen zu Beginn der Schwangerschaft alle 4 Wochen und ab der SSW 32+0 alle 2 Wochen statt, so sollte nach dem Geburtstermin alle 2 bis 3 Tage eine Kontrolluntersuchung stattfinden. Dabei werden mit einem CTG die Herztöne des Babys aufgezeichnet und eine Ultraschalluntersuchung beurteilt die Durchblutung der Plazenta und die Fruchtwassermenge. Gerade die beiden letztgenannten Parameter können losgelöst vom Geburtstermin zu einer Einschätzung verhelfen, wie es dem Baby geht und ob eine Einleitung nötig ist. Grundlage für dieses Vorgehen ist eine so genannte Leitlinie, eine Empfehlung der deutschsprachigen Geburtshelfer*innen. Diese AWMF-Leitlinie „Geburtseinleitung“ gibt ein mehrstufiges Vorgehen vor: ab SSW 41+0 soll eine Geburtseinleitung angeboten werden, ab SSW 41+3 wird sie empfohlen und ab SSW 42+0 dringend empfohlen.
Für eine informierte Entscheidung ist aber nicht nur diese Leitlinie von Bedeutung, sondern auch die Beratung von Hebamme und Frauenärztin. Sie können durch äußeres Abtasten und eine mögliche vaginale Untersuchung feststellen, ob sich das Baby schon geburtsbereit positioniert hat.
Auch bei der Geburtseinleitung ist Geduld gefragt
Gerade in der ersten Woche nach dem errechneten Geburtstermin ist in erster Linie die Geduld der Eltern, der Familie und der mitfiebernden Freund*innen vonnöten. Getreu dem Motto „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“ macht es wenig Sinn, viele der landläufig empfohlenen Methoden (Treppensteigen, Putzen, Sex, scharfes Essen) auf einmal zu probieren. Viel wichtiger ist es, den Tag in einer guten Mischung aus Entspannung und Bewegung zu verbringen und sich mit schönen Aktivitäten abzulenken. Wenn der Körper noch nicht geburtsbereit ist, werden geburtseinleitende Maßnahmen keine Wirkung zeigen.
Und doch können verschiedene Maßnahmen den Körper in seiner Geburtsvorbereitung zumindest unterstützen:
- Akupunktur
- Eine osteopathische Behandlung
- Eine Massage nach der Rebozo-Technik (VERLINKUNG????)
- Fußreflexzonenmassage
Mechanische oder medikamentöse Geburtseinleitung
Trotz aller Geduld kann es sein, dass sich das Baby nicht auf den Weg machen will. Die Entscheidung für eine Einleitung kann getroffen werden, weil die zu tolerierende Anzahl an Tagen über den ET erreicht ist. Hier gibt es von Klinik zu Klinik unterschiedliche Empfehlungen. Manche geburtshilflichen Abteilungen empfehlen eine Einleitung bei ET +10, weil sie für den Einleitungsprozess mehrere Tage einplanen und das Kind spätestens bei SSW 42+0 geboren werden soll. Andere schlagen eine Einleitung ab SSW 42+0 vor. In manchen Fällen wird die Geburt schon deutlich früher angeregt, z.B. bei abnehmender Fruchtwassermenge oder eine nicht mehr optimal durchblutete Plazenta.
Mit welcher Methode eine Geburt eingeleitet wird, ist sehr individuell. Es hängt davon ab, ob es das erste Kind ist, wie etwaige vorangegangene Geburten verlaufen sind und ob es zusätzliche Risikofaktoren gibt.
Bei einer mechanischen Geburtseinleitung wird durch Manipulation des Gebärmutterhalses (Cervix) versucht, Wehen anzuregen. Hierzu werden Stäbchen vaginal eingesetzt, die aufquellen und damit eine Cervixeröffnung bewirken können. Ähnlich wirkt ein so genannter Ballon-Katheter. Beide Varianten haben den Vorteil, dass die Schwangere flexibel bleibt und für eine gewisse Zeit wieder nach Hause gehen kann. Da das seelische Befinden und die Umgebung einen großen Einfluss auf den Geburtsbeginn haben, ist dieser Aspekt nicht unwichtig.
Wird eine medikamentöse Einleitung empfohlen, gibt es verschiedene Wirkstoffe: Prostaglandin (in Tabletten- oder Gel-Form) und Oxytocin (als Tropf). Die Wahl hängt vom vaginalen Untersuchungsbefund und möglichen individuellen Zusatzkriterien ab. In jedem Fall sollte die Entscheidung gemeinsam mit Hebamme/Ärzt*in und der Schwangeren und ihrem/ihrer Partner*in besprochen und getroffen werden.
Den Körper mitnehmen
Wenn der errechnete Termin schon deutlich überschritten ist, fühlt es sich nicht nur körperlich anstrengend an, sondern auch die psychische Verfassung kann labil sein. Es zehrt an den Nerven, auf das Baby zu warten und nicht zu wissen, wann und wie die Geburt beginnen wird. Da scheint eine Einleitung verführerisch: ein bisschen Unterstützung und das Baby ist da. Doch Augenmaß beim Tempo der Einleitung ist wichtig! Häufig ist der Eindruck gerade bei einer Einleitung mit Prostaglandin in Tablettenform, dass in den ersten Stunden nichts passiert. Hier die Ruhe zu bewahren, fällt schwer. Aber um für die ganze Geburt Kraft zu haben, braucht der Körper Pausen durch regelmäßigen Schlaf und Energie durch regelmäßige Snacks und Getränke. Es ist wichtig, hier immer wieder das Gespräch mit der Hebamme und der Ärztin zu suchen: was ist für den Tag geplant? Ist ein Geburtsbeginn festzustellen? Gibt es eine Pause in der Nacht?
Wie ein spontaner Geburtsbeginn ist auch eine Geburtseinleitung mit einer Bergtour zu vergleichen: Vorbereitung und Ausrüstung sind entscheidend, es braucht kontinuierliche Unterstützung durch „Mit-Wandernde“ und Körper und Seele müssen mitgenommen werden.
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