Es ist Mittagszeit. Im ersten Babyjahr merkt man manchmal erst jetzt, dass man heute noch nicht mal zum Frühstücken gekommen ist. Und das merken wohl auch andere Eltern. Das kleine Café, in dem ich gerade sitze, füllt sich. Es sind nun vier Babys hier. Alle hocken angekuschelt an ihre Mütter bzw. an den Vater. Manche schlafen, andere beobachten die Welt aus dieser Position heraus. Und lächeln die nette Frau hinter der Ladentheke an, die freundlich mit ihnen spricht.
Auch auf der Straße kommen mir viele Tragebabys entgegen. Manche der Eltern haben auch einen Kinderwagen dabei, doch der ist nicht selten mit Einkäufen oder Paketen gefüllt. Und wenn doch gerade ein Baby darin sitzt, dann hängt dem schiebenden Elternteil meist irgendeine Tragehilfe wie eine Schürze um die Hüften. Hier im Kiez ist das Tragen mittlerweile längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Das war nicht immer so.
Als ich vor über fünfzehn Jahren Hebamme geworden bin, ging es oft noch um die Entscheidung, ob sich Eltern Kinderwagen oder Tragetuch anschaffen. In Geburtsvorbereitungskursen wurden Pros und Contras beider Lösungen abgewogen. Mittlerweile stellt sich hier kaum noch die Frage, ob Eltern überhaupt tragen wollen. Es geht lediglich darum, auf welche Art und Weise sie das tun möchten.
Und das ist tatsächlich nach und nach ein bisschen „komplizierter“ geworden, weil der Markt mit Tüchern und Tragehilfen unübersichtlich voll geworden ist. Gut, dass es Trageberaterinnen gibt, die Eltern helfen, sich im Tragedschungel zurechtzufinden. Selbst Kinderwagenhersteller haben mittlerweile erkannt, dass Tragen und Schieben zum Babyalltag gehört. Einige vertreiben neben ihren fahrbaren Untersätzen auch Tragen.
Tragen ist Liebe, Nähe, Geborgenheit… und eine Erleichterung
Das finde ich wirklich wunderbar und eine schöne Entwicklung. Zum einen, weil unsere Babys nun mal Traglinge sind und in der Regel gerne getragen werden. Zum anderen auch, weil das Tragen für die meisten Eltern ebenso schön ist und vor allem den Babyalltag erleichert. Selbst Babys, die gerne und entspannt in ihrem Wagen liegen, haben Tage, an denen sie am liebsten auf dem Arm wohnen wollen. Vielleicht, weil sich ein Zahn oder ein Infekt anbahnen. Oder weil mehr Rückversicherung durch mehr Nähe gebraucht wird. Gerade in Phasen, in denen große Entwicklungssprünge stattfinden, müssen diese oft mit ganz viel elterlicher Nähe und Geborgenheit verarbeitet werden.
Hier fordert das Baby aktuell meist ab 17 Uhr das Dauertragen ein. Es passiert genau dann, wenn die familiäre Rushhour uns Eltern ohnehin fordert. Denn natürlich haben auch die größeren Kinder ihre Bedürfnisse und einen langen Tag hinter sich. Manchmal „balancieren“ wir dann einarmig mit dem Baby auf dem Arm durch die Wohnung. Aber ganz schnell wird einem dann wieder klar, wie anstrengend das ist. Nicht nur körperlich.
Viele Dinge lassen sich mit einer Hand einfach nicht gut erledigen. Also wird schnell das Tuch oder die Trage geholt und das Baby auf den Rücken, die Hüfte oder vor den Bauch gebunden. Und schon kann der ganz normale Familienwahnsinn weitergehen. Essen zubereiten, Wäsche aufhängen aber vor allem auch die Bedürfnisse der anderen Kinder lassen sich so doch recht gut ermöglichen. Tragen ist sicherlich Liebe, Nähe, Geborgenheit und alles Mögliche. Aber es ist vor allem ganz sachlich eine wirklich große Erleichterung im Alltag – und das auf vielen Ebenen.
Ich trinke meinen Kaffee zu Ende und denke darüber nach, welche Tragehilfe ich vielleicht noch im Praxistest mit unserer Babytochter ausprobieren werde. Denn bei der Beratung von jungen Eltern geht es längst nicht mehr um die Frage, ob oder ob nicht getragen wird. Es geht lediglich um die Frage, womit getragen wird.
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